Energiekrise Wasser aus der Ilm soll Strom liefern

11. Juli 2022, 17:23 Uhr

Eine gekappte Gasleitung, zu wenig Wärme im Winter: Die Energiekrise treibt alle um, sorgt aber auch dafür, dass wir über Alternativen nachdenken. In Weimar wurde das jetzt ganz konkret. Dort will man Strom aus den Wehren der Ilm gewinnen.

Autorenbild Conny (Cornelia) Mauroner
Bildrechte: MDR/Conny Mauroner

Warum nicht auf das besinnen, was man hat? Die Stadträte von SPD, CDU und Weimarwerk sind sich einig: Sie wollen die acht Wehre, die es im Stadtgebiet von Weimar noch gibt, ertüchtigen.

SPD-Fraktionschef Thomas Hartung erklärte: "Wir wollen keine neuen Staudämme bauen und den Ilmpark unter Wasser setzen. Wir nutzen die Wehre, die schon da sind und rüsten sie mit modernen Wasserkraftanlagen auf."

Sämtliche Gebäude der öffentlichen Verwaltung und auch die der Klassik Stiftung könnten mit dem erzeugten Strom beliefert werden, so die Rechnung der Stadträte. Pro Turbine müssten rund 100.000 Euro investiert werden. Hinzu kämen Kosten für eventuell benötigte Fischtreppen. Kosten, die sich amortisieren würden.

Strom aus der Ilm: Idee stößt nicht überall auf Zustimmung

Das sieht das Erfurter Umweltministerium anders. Dort rennen die Weimarer mit ihrer Idee keine offenen Türen ein. "In diesem Fall stimmt das Verhältnis von Aufwand und Ertrag nicht", teilte ein Sprecher mit. Die rund 200 Wasserkraftwerke andernorts in Thüringen haben in etwa eine Leistung von fünf modernen Windenergieanlagen. Will heißen: Wind-, Solar- und Bio-Energie sind die Hauptbestandteile des sauberen Energiemixes in Thüringen.

Windkraftanlagen bringen deutlich mehr Strom als Wasserkraft. "Die Ergänzung durch Wasserkraft ist sehr überschaubar." Man wolle weder Wind noch Solar ersetzen, entgegnet der Weimarer Thomas Hartung: "Eben nur Vorhandenes nutzen. Dort, wo es hinpasst."

Bedenken wegen der Gewässer-Ökologie

Dennoch hält das Umweltministerium Ilm-Wehre für unrentabel. "Energiewirtschaftliche Vorteile stehen häufig nicht im Verhältnis zu gewässerökologischen Nachteilen." Gerade in der Ilm seien derartige Nachteile nicht unerheblich. Die Abflussmengen sind oftmals gering. Trockenphasen und Niedrigwasser sind ständige Themen.

Aber genau da setzen auch Hartung und seine Kollegen an. Das Wassermanagement in Gänze müsse überarbeitet werden. Auch Hochwasser- und Dürre-Ereignisse rücken für die Politiker in den Fokus. "Regenrückhaltebecken könnten zum Beispiel dazu dienen, Hochwasser zurückzuzuhalten und gleichzeitig Wasser in Dürreperioden dosiert abzugeben", lenken die Befürworter des Weimarer Modells ein. Dann hätte auch die Ilm weniger mit Niedrigwasser zu kämpfen.

Fischwendeltreppe könnte helfen

Das Umweltministerium führt noch einen Minuspunkt an. "In Weimar gibt es eine hohe Dichte an Querbauwerken und Anlagen." Fische und andere Tiere hätten es schwer. "Selbst wenn die Fischtreppen und die Fischschutzeinrichtungen den aktuellen gesetzlichen Vorschriften entsprechen, sind die Beeinträchtigungen für die Flussökologie hoch", heißt es aus dem Umweltministerium.

Auch dafür hätten die Weimarer eine Lösung. So könne beispielsweise das Patent einer Fischwendeltreppe, wie es sie an der Stedtender Mühle bei Kranichfeld gibt, eingebaut werden.

Wasserrecht ist kompliziert

Im Grundgedanken sind sich Ministerium und Stadtrat Weimar einig - sie wollen raus aus der fossilen Energie. Nur die Wege und Meinungen sind verschieden. Doch die Weimarer Fraktionen geben nicht auf. Sie haben ihre Stadt per Beschluss zur Prüfung gebeten, wollen Aufwand und Nutzen selbst kalkulieren und am Ende das Gespräch mit weiteren Ministerien suchen.

Denn das Wasserrecht ist kompliziert. Und das Umweltministerium sitzt dabei buchstäblich nicht allein im Boot.

MDR (gh)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 11. Juli 2022 | 16:00 Uhr

12 Kommentare

Der Pegauer am 13.07.2022

@OOOO
Ich kann ja noch verstehen …
Mittlerweile scheint nun jede Idee salonfähig zu werden, um das Scheitern der sogenannten Energiewende aufzuhalten. Hier in Leipzig geisterte unlängst die Idee eines 400 m hohen Windrades um, auf dessen oberen Ende die Windradflügel sitzen und der Generator auf dem Boden montiert ist. Das Problem war nur, wie bekomme ich die 5 MW nach unten? Und hier wurde eine sehr abenteuerliche Lösung in Betracht gezogen: Die Übertragung mittels Transmssionsriemen. Ohne jetzt eine nähere Betrachtung der Sinnhaftigkeit durchzuführen, waren die Grünen von dieser Idee dermaßen begeistert, dass eine Machbarkeitsstudie angeschoben wurde.

augu am 13.07.2022

OK, Diese relativ hohe Durchflussmenge 4,24 m3/ s => 250 m3 / min war mir nicht bekannt. Bei Fallhöhe =2m könnte damit tatsächlich (bei Einbeziehung unvermeidlicher Verluste) ca.30 kW elektr.Lstng erzeugt werden. ( = 1/100 eines Windrades mit 3MW) Ich hatte meinen Beitrag aber geschrieben, weil viele Befürworter der Wasserkraftnutzung falsche Vorstellungen von deren Potential haben: ein Gesteinsbrocken von 1 t Gewicht bringt bei einer Fallhöhe von 360 m theoretisch nur 1 kWh (praktisch weniger), damit kann man 10 l Wsr.= 1 Gießkanne um 86 C erwärmen, mehr nicht.

Nico Walter am 12.07.2022

„1 kWh Energie ist die potentielle Energie von 360 m3 Wasser bei einer Fallhöhe von 1m.“

Das ist zwar richtig, aber bei einem mittleren Durchfluss vom 4,24 m^3/s (Pegel Mellingen) werden die 360m^3 im Mittel in ca. 85 s erreicht. Um eine kWh in 85 s zu verbrauchen müssten die Lampen ein Leistung von über 40 kW haben. Das wären dann schon ganz schön große Lampen.

Bei absolutem Niedrigwasser wird natürlich kein Strom mehr fließen. Ein Windrad dreht sich aber auch nicht mehr, wenn kein Wind weht und eine Solaranlage liefert auch keinen Strom, wenn die Sonne nicht scheint. Selbst Kernkraftwerke mussten schon runter gefahren werden, wenn nicht genug Wasser im Fluss war, weil das Kühlwasser fehlte.

Mehr aus der Region Weimar - Apolda - Naumburg

Mehr aus Thüringen