VerwaltungsgerichtStreit um Job in Thüringer AfD-Fraktion - Polizist klagt gegen Innenministerium
Am Verwaltungsgericht Weimar könnte es eine brisante Entscheidung geben. Es geht um die Frage: Darf das Land Thüringen einem Beamten die Mitarbeit in der Landtagsfraktion der AfD verwehren, weil der Landesverband der Partei als rechtsextrem eingestuft wird?
Bisher lief es für Hermann Schmidt (Name geändert) immer glatt. Zweimal hatte der Thüringer Polizeibeamte bei seinem Dienstherrn, dem Thüringer Innenministerium, unentgeltlichen Sonderurlaub beantragt.
Zweimal hat er ihn für eine Tätigkeit in der AfD-Landtagsfraktion unter Fraktionschef Björn Höcke genehmigt bekommen. Einmal im März 2015, nur wenige Monate nachdem die AfD das erste Mal in den Landtag eingezogen war, das zweite Mal 2019. Seit dieser Zeit war Schmidt in einer hohen Führungsfunktion in der Fraktion tätig.
Innenministerium lehnt ab
Nach der für die Thüringer AfD erfolgreichen Landtagswahl 2024 stellte Schmidt erneut den Antrag auf Sonderurlaub, denn der Polizeibeamte wollte weiter in der Fraktion arbeiten. Doch diesmal scheiterte er.
Das Haus von Innenminister Georg Maier (SPD) sagte nein. Schmidt bekam keinen Sonderurlaub und ist seit Oktober wieder im Polizeidienst. Damit könnte die Geschichte von Hermann Schmidt zu Ende sein.
Fall geht vor das Verwaltungsgericht Weimar
Doch sie findet eine juristische Fortsetzung vor dem Verwaltungsgericht Weimar. Denn dort hat Schmidt gemeinsam mit seinem Anwalt einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Hinter diesem Terminus Technicus des Verwaltungsrechtes verbirgt sich lediglich Schmidts Ziel, das Ministerium durch einen Beschluss dazu zu verpflichten, ihm Sonderurlaub zu gewähren, bis das Gericht eine grundsätzliche Entscheidung trifft.
Auch dieser Streit wäre zunächst nichts Besonderes, wäre da nicht die Begründung, die das Innenministerium Schmidt für die Nichtgewährung des Sonderurlaubs geliefert und die das Verwaltungsgericht in Auszügen MDR Investigativ auf Nachfrage mitgeteilt hat.
AfD Thüringen als rechtsextrem eingestuft
Demnach begründen die Beamten von Georg Maier die Ablehnung des Antrages damit, dass sich die Lage in Sachen AfD in Thüringen seit der letzten Genehmigung des Sonderurlaubs im Jahr 2019 geändert habe. Denn seit 2021 werde der Thüringer AfD-Landesverband als rechtsextrem eingestuft.
Aus diesem Grund, so das Ministerium, könne einem Polizeibeamten kein Sonderurlaub für eine Tätigkeit in der AfD-Landtagsfraktion genehmigt werden. Hier überwiege das Interesse am Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung über das Interesse des Beamten auf die Gewährung von Urlaub für diese Tätigkeit.
Verstoß gegen Gleichheitsgrundsatz?
Schmidt und sein Anwalt sehen das naturgemäß anders. Nach Angaben des Gerichts begründen sie ihren Antrag auf Aufhebung der Nichtgewährung des Sonderurlaubs mit dem Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. Die Versagung von Unterstützung für einzelne Fraktionen aus politischen Gründen stehe im Widerspruch zum besonderen Schutz und dem Gleichheitsstatus der Fraktionen und Parteien.
Zudem, so das Gericht, kritisiere Schmidt den Thüringer Verfassungsschutz und insbesondere dessen Präsident Stephan Kramer scharf. Nach Ansicht des betroffenen Beamten könne auf der Basis von dessen Bewertungen eine verfassungsfeindliche Grundhaltung der AfD nicht festgestellt werden.
Mögliches Grundsatzurteil
Damit könnte das Verwaltungsgericht vor einer brisanten Entscheidung stehen. Im Kern dürfte es darum gehen, ob der Dienstherr einem Beamten aus politischen Gründen unentgeltlichen Sonderurlaub für die Tätigkeit in einer Partei oder eben einer Fraktion verwehren darf. Eine Entscheidung steht noch aus.
Schmidt selber hatte bereits einen Rechtsstreit mit dem Innenministerium um eine Auswahlliste für eine Beförderung, um die er sich während seiner Tätigkeit in der AfD-Fraktion beworben hatte, ausgefochten und gewonnen.
Ex-AfD-Mitarbeiter tritt Dienst bei Polizei an
Bis es im neusten Zoff um den Sonderurlaub eine Entscheidung gibt, muss Schmidt aber seinen Dienst in der Thüringer Polizei tun und das sorgt nach MDR Investigativ-Informationen für Gesprächsstoff in den Beamtenstuben. Denn Schmidts Stammdienststelle, die er vor knapp zehn Jahren verlassen hatte, ist die Polizeiabteilung im Thüringer Innenministerium. Doch offenbar wollte man einen bis vor kurzem für die AfD-Fraktion tätigen Mitarbeiter an einer solchen sensiblen Stelle nicht belassen.
Interne Fragen zu Einsatz
So soll er in die Landespolizeidirektion abgeordnet und im Sachgebiet 12 eingesetzt worden sein, welches sich mit Kriminalitätsbekämpfung beschäftigt. Brisant: Über die Schreibtische dort gehen unter anderem interne Analysen und geheime Informationen über sämtliche Bereiche der Kriminalitätsbekämpfung. Zu denen gehört auch die Bekämpfung von politisch motivierter Kriminalität, sowohl links als auch rechts.
Nach MDR Investigativ-Informationen sorgt die Entscheidung der Polizeiführung, Schmidt in einen solchen sensiblen Bereich abzuordnen, in Polizeikreisen für Fragezeichen. Besonders vor dem Hintergrund, dass Schmidt jahrelang für die Thüringer AfD-Fraktion gearbeitet hat, deren Landesverband vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Inzwischen soll es aber Pläne geben, Schmidt dort abzuziehen und woanders unterzubringen.
Beamte über Verfassungstreue belehrt
Doch der gesamte Personalvorgang könnte Innenminister Maier, sein Ministerium und die Thüringer Polizeiführung unter Druck bringen. Schuld daran könnten zwei amtliche Belehrungen an alle Thüringer Polizistinnen und Polizisten aus 2021 und 2024 sein.
In diesen internen Schreiben wurden sie, vor dem Hintergrund der Extremismus-Einstufung der Thüringer AfD, an ihre Pflicht zur Verfassungstreue erinnert. Dazu gehöre auch, dass ein politisches Engagement für die AfD im Zweifel ein beamtenrechtliches Verfahren nach sich ziehen und im Ernstfall eine Entlassung aus dem Polizeidienst bedeuten könnte.
Droht Rauswurf aus der Polizei?
Nach MDR Investigativ-Recherchen soll der Fall des Polizeibeamten Schmidt in diesem Zusammenhang im Innenministerium und der Thüringer Polizeiführung diskutiert worden sein. Doch einem solchen heiklen Prüfungsverfahren konnte man intern immer wieder mit der Begründung ausweichen, Schmidt habe Sonderurlaub für seinen Job in der AfD-Fraktion und sei damit nicht im aktiven Polizeidienst.
Das hat sich nun geändert. Stellt sich die Frage: Ist ein solcher Prüfvorgang gegen Schmidt nun eingeleitet worden? Und wenn ja, was passiert, wenn er gegen einen möglichen Rauswurf klagt und dann gewinnt?
AfD-Fraktion kritisiert Vorgang
Das Innenministerium schweigt und teilte lediglich mit, dass zu Personalentscheidungen aus Datenschutzgründen keine Auskunft gegeben werde. Die Landespolizeidirektion ließ eine MDR Investigativ-Anfrage komplett unbeantwortet. Auch Hermann Schmidt reagierte nicht auf eine Anfrage. Sein Anwalt teilte mit, dass er kein Mandat habe, sich zu Presseanfragen zu äußern.
Bleibt noch Schmidts bisheriger Arbeitgeber: die Thüringer AfD-Fraktion. Torben Braga, parlamentarischer Geschäftsführer, sagte MDR Investigativ, dass in diesem Fall unter Missbrauch des Beamtenrechtes die Arbeit der AfD-Fraktion behindert beziehungsweise erschwert werden solle.
Der genannte Mitarbeiter, der seine Arbeit bei der Fraktion gerne fortgesetzt hätte, sei ein erfahrener und geschätzter Kollege, der in seiner wichtigen Funktion in der Fraktionsgeschäftsstelle nicht ersetzt werden könne.
MDR (gh)
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Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 06. November 2024 | 18:00 Uhr