Weimar Gewaltvorwürfe an Waldorfschule: Warum die Aufklärung schwierig ist

25. Januar 2023, 18:06 Uhr

Vor rund drei Jahren geriet die Freie Waldorfschule in Weimar in die Schlagzeilen. Über 15 Jahre sollen Lehrer Gewalt gegen Schüler ausgeübt haben. Was sich bis heute getan hat - und was nicht.

Petra und Julia sitzen an diesem Nachmittag irgendwo in Weimar. Beide Frauen heißen eigentlich anders, wollen anonym bleiben. Aus Angst vor Repressalien. Ihre Kinder sind auf die Waldorfschule gegangen, sie selbst haben 2019 eine Elterninitiative gegründet, die aufarbeiten wollte, welche Fälle von Gewalt es in den vergangenen zehn Jahren tatsächlich an der Waldorfschule gegeben hat und welche Konsequenzen die Schulleitung daraus zog. Ihr Fazit passt in ein zusammengesetztes Wort: Aufklärungs-Simulation.

Vorwürfe von physischer und psychischer Gewalt

"Es sind etliche Berater durch die Schule hindurchgegangen, der Bund der Freien Waldorfschulen war vor Ort. Der Leiter des Schulamtes war vor Ort, diverse Menschen waren dort, haben sich das angesehen. Die Schulstruktur wurde verändert, aber niemand weiß wie. Das erfährt man auch auf der Homepage nicht." Aufklärung vonseiten der Schule - den Willen dazu sehen die Frauen nicht.

Dabei sind die Vorwürfe massiv. Gelistet unter anderem in einem offenen Brief ehemaliger Schülerinnen und Schüler aus dem Jahr 2020: Ohrfeigen, Schläge auf den Hinterkopf, deklariert als Denkanstoß, Kopfnüsse. Ein Pferdekuss auf die Oberschenkel. Schultaschen seien geworfen worden. Oder der Tafelschwamm. Es sei gebrüllt worden, Schüler hätten sich die Haare mit kaltem Wasser waschen müssen, wenn dem Lehrer die Frisur nicht gefiel. Oder sich den Mund mit Wasser und manchmal mit Seife auswaschen, weil sie angebliche schlechte Worte benutzt haben sollen. Die Liste geht noch weiter.

Was die beiden Frauen besonders erschüttert: Die Kinder nahmen das als normal hin, vertrauend auf die Erklärung der Lehrer. Julia hat es selbst gehört - von ihrem Sohn: "Eben das, was ihnen gesagt wurde, dass eine solche Handlung überhöht wird, dass der Lehrer das tun muss, damit das Kind auf den rechten Weg gebracht wird."

Strafverfahren eingestellt

Aber was ist nun? Wie weit ist die Aufarbeitung? Welche Veränderungen hat es gegeben an der Waldorfschule Weimar? 13 Strafverfahren wurden eingeleitet - zehn davon sind inzwischen eingestellt worden. Wegen Verjährung. Einige der beschuldigten Lehrer haben die Schule verlassen. Andere sind geblieben und unterrichten weiter.

Die Schule selbst sieht sich in der Aufarbeitung auf einem guten Weg. Ein Interview will man aber nicht geben. Anett Jung von der Geschäftsführung antwortet auf die Anfrage schriftlich: "Bedingt durch die professionelle Krisenbewältigung zählt unsere Schule mittlerweile zu einer der Waldorfschulen, in der sowohl ein Schutzkonzept paritätisch erarbeitet wurde, als auch eine Vertrauensstelle als Ansprechpartnerin für Konfliktfälle eingerichtet ist. Die dort tätigen PädagogInnen werden regelmäßig supervidiert und weitergebildet. Die Integration eines Elternteils in das Team der Vertrauensstelle wird momentan umgesetzt."

Jetzt haben wir es wirklich mit einer Blackbox zu tun.

Petra und Julia Über die Waldorfschule in Weimar

Elterninitiative kritisiert mangelnde Transparenz

Eingestellt worden sei auch ein Schulsozialarbeiter und es gebe eine Schulgemeinschaftskonferenz. Mitbestimmung sei für Eltern und Schüler möglich. Ob und wie weit diese Mitbestimmung reicht, ist nicht klar. Die Schule schottet sich ab, nach außen dringt von diesen Themen kaum etwas.

Petra und Julia von der Elterninitiative kennen diese Taktik - sagen sie: "Es wird mitgenommen und dann ist es weg. Also ein Lehrer oder irgendwer stellt sich hin und sagt: Ja, das nehme ich mit. Und dann ist es weg. Die Transparenz, die wir eigentlich gefordert haben, die schon vorher nicht da war - jetzt haben wir es wirklich mit einer absoluten Blackbox zu tun."

Kaum Einblick in die Abläufe

Auch im Thüringer Bildungsministerium muss man allein den Worten Glauben schenken. Die Waldorfschule Weimar ist eine Schule in freier Trägerschaft. Das Land trägt einen Großteil der Kosten, bekommt aber kaum detaillierte Einsicht in die Abläufe, sagt der Sprecher des Ministeriums, Felix Knothe: "Wir intervenieren dann, wenn es Missstände gibt, die gesetzeswidrig sind oder wenn Kindswohlgefährdung stattfindet. Dann muss der Staat intervenieren und das haben wir auch getan."

Das Ministerium hat nach Bekanntwerden der Vorfälle mehr Mitbestimmung von Eltern und Schülern gefordert. Durch die Schulgemeinschaftskonferenz gilt das als erfüllt. Mehr könne man nicht tun - außer natürlich weiterhin genau hinzuschauen, sagt Knothe.

MDR (cfr)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 25. Januar 2023 | 18:43 Uhr

23 Kommentare

knarf am 27.01.2023

Tpass:Das stimmt schon.Wenn Schüler ab der 5.Klasse ins Haifeschbecken geschickt werden ohne auch nur die geringste
Ahnung zu haben ob das Kind auch nur annähernd geeignet (nicht gleich wieder politisch auslegen!) ist ist für unsere Kinder nicht gut!

knarf am 27.01.2023

xxy21:Das ist doch Unsinn.Ich kenne niemanden der sich für 25 Jahre NVA verpflichten mußte um zur EOS zu dürfen!In der Regel kamen die Schüler ab der 9.Klasse zur EOS.Und Sie wollen uns einreden in dem Alter 14 Jahre sollten sie sich verpflichten.Also bei aller Liebe was zu Recht die Aufarbeitung der DDR betrifft,aber das
haben Sie entweder geträumt oder Erwachsene die das gefordert haben liefen nicht ganz rund.

knarf am 27.01.2023

Dermbacherin:Sie gleiten ins Verallgemeinern ab.So schwierig wie Sie tun war der Besuch der EOS nicht!Allerdings gab es durchaus Einzelbeispiele wo der Staat seine Macht mißbraucht und dem
EOS-Besuch äußerst befehlshaberisch entgegen wirkte!

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