Wahl im Landtag Kemmerich ist neuer Ministerpräsident in Thüringen - Ramelow abgewählt

06. Februar 2020, 10:52 Uhr

Große Überraschung: Thomas Kemmerich ist neuer Ministerpräsident in Thüringen. Im dritten Wahlgang setzte sich der FDP-Landesvorsitzende mit 45 Stimmen gegen Amtsinhaber Bodo Ramelow (Linke) durch. Gewählt wurde Kemmerich auch mit den Stimmen der AfD-Fraktion.

Große Überraschung: Thomas Kemmerich ist neuer Ministerpräsident in Thüringen. Im dritten Wahlgang setzte sich der FDP-Politiker mit 45 Stimmen gegen Amtsinhaber Bodo Ramelow (Linke) durch. Der AfD-Kandidat Christoph Kindervater erhielt keine Stimme. Es gab eine Enthaltung. Damit erhielt Kemmerich die zur Wahl des Ministerpräsidenten erforderliche Mehrheit gemäß Artikel 70 Absatz 3 der Verfassung des Freistaats Thüringen. Er wurde unmittelbar nach seiner Annahme der Wahl von Landtagspräsidentin Birgit Keller vereidigt.

Nach der Wahl Kemmerichs zum Ministerpräsidenten werden am Mittwoch noch keine Minister ernannt. Auch eine Kabinettssitzung wird es nicht geben. Das hat eine Abstimmung im Plenum ergeben.

FDP stürzt Ramelow mit AfD-Stimmen

Nach der Wahl gab es spontane Demonstrationen vor den Erfurter Landtag. Empörung machte sich im Internet breit. Hasstiraden in sozialen Netzwerken und "Drohanrufe" nach seinem Wahlsieg machen ihn betroffen, sagte Ministerpräsident Thomas Kemmerich bei einer ersten Pressekonferenz. Offenbar wurde Thomas Kemmerich durch ein taktisches Manöver der AfD ins Amt gewählt. Die AfD hatte in allen drei Wahlgängen den parteilosen Bürgermeister Christoph Kindervater ins Rennen geschickt, im dritten Wahlgang aber geschlossen für Kemmerich gestimmt.

Kemmerich strebt Regierung mit CDU, SPD und Grünen an

"Die Brandmauern gegenüber den Extremen bleiben bestehen. Wer Kemmerich gewählt hat, hat einen Gegner gegen jegliche Form des Faschismus", sagte Kemmerich bei seiner ersten Rede im Landtag. Er sprach eine Einladung an SPD, CDU und Grüne aus, um "gemeinschaftlich staatspolitische Verantwortung wahrzunehmen". Seine Rede wurde mehrfach von Zwischenrufen unterbrochen - unter anderem fielen die Wörter "Heuchler" und "Scharlatan"; dagegen wurden Ordnungsrufe verhängt.

Reaktionen der Politik: Entsetzen und Erschütterung

Der Vorsitzende der Thüringer SPD-Fraktion, Matthias Hey sagte, dass die SPD "paralysiert" sei. "Die SPD arbeitet unter diesen Bedingungen nicht mit einem von der AfD gewählten Ministerpräsidenten zusammen. Das ist bedenklich und für die Partei ein absoluter Tiefpunkt." SPD-Chefin Saskia Esken will den Ausgang der Thüringer Ministerpräsidentenwahl in einem Koalitionsausschuss mit der Union zum Thema machen. Die Wahl sei ein abgekartetes Spiel und müsse korrigiert werden, schrieb sie am Mittwoch auf Twitter. Die SPD habe dringende Fragen an die CDU, die mit der AfD in Erfurt einen Ministerpräsidenten von der FDP ins Amt gewählt hatte. Dirk Adams, Fraktionsvorsitzender der Grünen, sprach angesichts der AfD-Stimmen für den neuen Ministerpräsidenten von einem "politischen Kulturbruch".

Thüringens CDU-Vorsitzender Mike Mohring sagte, dass Kemmerich deutlich machen müsse, "dass es keine Koalition mit der AfD gibt". Er bestätigte, dass seine Fraktion im dritten Wahlgang Kemmerich unterstützt habe. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat nach der Wahl auch seine eigene Partei kritisiert. "Eigensinn und Unvernunft auf allen Seiten haben zu diesem Ergebnis geführt", sagte Kretschmer am Mittwoch den Zeitungen des "Redaktionsnetzwerks Deutschland".

Von der Bundes-AfD gab es Glückwünsche. Bundes-Co-Fraktionschef Alexander Gauland sagte, dass Thüringen einen Ministerpräsidenten mit einer demokratischen Mehrheit habe, die den Willen der Wähler abbilde. "Die bürgerlichen Kräfte haben sich durchgesetzt. Das Ausgrenzen der AfD funktioniert nicht. Wir gratulieren Thomas Kemmerich zu seiner Wahl und wünschen ihm eine glückliche Hand."

Wahl-Krimi in drei Akten

Im ersten Wahlgang konnte sich Amtsinhaber Bodo Ramelow (Linke) nicht durchsetzen. Von den 90 Abgeordneten hatten 43 ihre Stimme für den Ministerpräsidenten abgegeben. Der parteilose Kandidat der AfD, Christoph Kindervater, erhielt 25 Stimmen. 22 Abgeordnete enthielten sich. Rot-Rot-Grün kommt zusammen nur auf 42 Stimmen, erreicht damit nicht die absolute Mehrheit. Im ersten Wahlgang erhielt Ramelow also bereits eine Stimme aus der Opposition.

Im zweiten Wahlgang erzielte Bodo Ramelow 44 Stimmen, Christoph Kindervater 22. Es gab 24 Enthaltungen. Ramelows rot-rot-grüne Koalition verfügt über insgesamt 42 Sitze, er erhielt also zwei stimmen mehr als das rot-rot-grüne Lager Stimmen hat.

Die FDP hatte noch bei der Landtagswahl im Oktober 2019 tagelang um den Einzug in den Landtag bangen müssen. Die Partei erhielt 5,0 Prozent der Stimmen. Die Wahl zum Ministerpräsidenten fand genau 101 Tage nach der Landtagswahl statt.

Aktuelle Informationen zur Ministerpräsidentenwahl in Thüringen finden Sie auch hier in unserem Live-Ticker.

Quelle: MDR THÜRINGEN/dpa/dvs

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR extra: Wahl des Thüringer Ministerpräsidenten | 05. Februar 2020 | 11:00 Uhr

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