Regionalverkehr Wie das 9-Euro-Ticket in Thüringen angelaufen ist

10. Juni 2022, 07:15 Uhr

Das 9-Euro-Ticket hat in den vergangenen Tagen für volle Züge und viele Diskussionen gesorgt. Nach anderthalb Wochen schauen wir darauf, wie das Angebot in Thüringen angelaufen ist.

Die Züge im Thüringer Regionalverkehr sind seit Start des 9-Euro-Tickets Anfang Juni deutlich stärker ausgelastet. Das geht aus einer MDR THÜRINGEN Umfrage unter den Bahnunternehmen hervor. "Die Auslastung ist deutlich auf allen Strecken gestiegen", hieß es von der Erfurter Bahn. Es gebe jedoch Unterschiede zwischen verschiedenen Regionen. Eine ähnliche Entwicklung bestätigt auch Abellio Mitteldeutschland. Gelitten hat deshalb auch die Pünktlichkeit. Nach Angaben des Thüringer Verkehrsministeriums war auf manchen Linien nicht einmal jeder fünfte Zug pünktlich.

Überlastungen an Pfingsten

Über Pfingsten habe die Auslastung in manchen Zügen sogar bei mehr als 150 Prozent gelegen. "Auf einzelnen Linien waren im Prinzip alle Fahrten gut gefüllt. Viele Fahrten waren überfüllt", heißt es von Abellio Mitteldeutschland. Ein Schwerpunkt sei bei Abellio am Pfingst-Wochenende wegen der Weinmeile die Regionalbahn zwischen Leipzig und Eisenach gewesen. Die sei für Ausflügler wegen der Stationen Naumburg, Weimar, Erfurt und Gotha ohnehin beliebt. Zur Weinmeile bei Naumburg sei das Wave-Gotik-Treffen in Leipzig hinzugekommen. Diese Ereignisse hatten allerdings auch schon vor Corona regelmäßig zu überlasteten Zügen geführt.

Auf einzelnen Linien waren im Prinzip alle Fahrten gut gefüllt. Viele Fahrten waren überfüllt.

Abellio Mitteldeutschland

Am Pfingstwochenende habe man vereinzelt nicht alle Fahrgäste mitnehmen können. Die Erfurter Bahn bestätigt insgesamt 40 Fälle, in denen Reisende mit Fahrrädern abgewiesen werden mussten, weil die Züge überfüllt waren. Die Abstell-Kapazitäten an den Bahnhöfen seien teilweise nicht ausreichend. Abellio bestätigte entsprechende Fälle, nannte aber keine Zahlen. DB Regio schätzt den Pfingstverkehr als geregelt ein, sprach jedoch von "regionalen Auslastungsspitzen".

Die hätten in den Zügen und auf den Bahnsteigen mitunter zu Diskussionen mit dem Personal geführt, heißt es von den Bahn-Unternehmen. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft hatte im Vorfeld schon befürchtet, dass etwa Zugbegleiter bei Frust als Prellbock herhalten müssten. Die EVG hatte an Passagiere appelliert, das Personal für die Probleme nicht in Haftung zu nehmen. Die Bundespolizei in Erfurt gab an, in einigen Fällen sei die Polizei im Einsatz gewesen, habe aber stets schlichten können. Ein schärferes Vorgehen sei in Thüringen nicht nötig gewesen. Züge hätten hier - im Gegensatz zu anderen Regionen - nicht geräumt werden müssen.

Mehrbedarf übersteigt Verfügbarkeit

Abellio hat wegen der hohen Auslastung nach eigenen Angaben zusätzliche Züge im Einsatz. Hier wurden teils ausrangierte Züge reaktiviert. Das betrifft unter anderem die Linie zwischen Halle und Saalfeld. Das führe insgesamt zu einem größeren Platzangebot, hieß es vom Unternehmen. Das Land Thüringen hat für eine Million Euro zusätzliche Kapazitäten bestellt - und noch weitere Mehrkosten könnten nicht ausgeschlossen werden, heißt es vom Verkehrsministerium.

Züge und Personal sind kurz- und mittelfristig nicht zu bekommen, da viele Verkehrsunternehmen zusätzliche Züge für die Zeit des 9-Euro-Tickets einsetzen und das verfügbare Material sowieso sehr beschränkt ist.

Stefan Dietrich Abellio Mitteldeutschland

Noch mehr Züge müssten von den Ländern bestellt und auch bezahlt werden. Das werde für besonders belastete Strecken derzeit geprüft. Problem dabei: "Züge und Personal sind kurz- und mittelfristig nicht zu bekommen, da viele Verkehrsunternehmen zusätzliche Züge für die Zeit des 9-Euro-Tickets einsetzen und das verfügbare Material sowieso sehr beschränkt ist", sagt Stefan Dietrich von Abellio.

Heißt konkret: Mehrbedarf gibt es überall - aber aktuell vorhandene Reserven reichen nicht aus, um viel mehr Züge fahren zu lassen. Ähnlich sieht die Erfurter Bahn die Lage. Das Unternehmen gibt an, es habe im Rahmen seiner Möglichkeiten Züge verlängert. Auch DB Regio gibt an, dass etwa 50 Züge zusätzlich rollen - allerdings deutschlandweit.

Bahnunternehmen rechnen mit erneuten Engpässen am Wochenende

Thüringer Bahnunternehmen rechnen am Wochenende erneut mit Engpässen im Regionalverkehr. Die Züge seien seit Start der 9-Euro-Fahrkarte deutlich stärker ausgelastet, heißt es gegenüber MDR THÜRINGEN. Vor allem auf beliebten Strecken reichen die Reserven demnach nicht aus, um dem Bedarf gerecht zu werden, obwohl die Bahnunternehmen nach eigenen Angaben mehr Züge im Einsatz und auch alte Züge reaktiviert haben. Bei Fahrrädern sei laut Verkehrsministerium ebenfalls nicht sicher, dass alle Fahrgäste mit Rädern mitgenommen werden können.

MDR

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 10. Juni 2022 | 05:00 Uhr

7 Kommentare

kleiner.klaus77 am 12.06.2022

Autofahren ist viel zu günstig, denn die Hälfte derer Infrastruktur und Kosten trägt der Nichtautofahrer. Wie kann ein Individualverkehrsmittel mit solchem ökologischen Fußabdruck so viel weniger kosten als ÖPNV? Deswegen das Auto verteuern und Menschen, die wirklich davon abhängig sind zu unterstützen, und dabei vor allem die E-Mobilität. Der ÖPNV muss massiv günstiger angeboten werden, natürlich nebst einer besseren Taktung und Ausstattung. Dass der Bedarf und der Wille dazu existiert, sieht man ja momentan eindeutig allen Unkenrufen zum Trotz.

kleiner.klaus77 am 11.06.2022


@DermbacherIn
Stimmt hat mich auch schon gewundert, ein Artikel so ganz ohne Thüringen-Bezug, wer den Eisenbahnverkehr in der Region kennt, weiß, das die Züge der Erfurter Bahn sehr oft überlastet sind, aber die Erfurter Bahn fährt ja nicht nach Naumburg und wer den Bahnhof von Naumburg kennt, weiß, dass das Foto im Naumburger Hbf. entstand

kleiner.klaus77 am 11.06.2022

Probleme bei den Fahrgastkapazítäten der Züge gibt es auch schon vor dem 9 Euro Ticket, insbesondere wenn wie zum Beispiel bei der Abellio Mitteldeutschland oder der Mitteldeutschen Regiobahn die Züge ganz ausfallen oder mit vermindertem Platzangebot fahren.
Ursache dafür ist die Bahnprivatisierung, die den Eisenbahnnahverkehr auf die Bundesländer übertrug, der permanent unterfinanziert ist, an Bahngesellschaften übertragen wird, die den Bahnverkehr nicht leisten können oder wollen und die Zugkapazitäten nicht nach dem tatsächlichem Bedarf bestellt werden.

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