Nordhausen Streit um Baumfällungen auf Ehrenfriedhof für Nazi-Opfer

03. Januar 2023, 19:08 Uhr

Auf dem Nordhäuser Ehrenfriedhof sind 2.600 Opfer des Nationalsozialismus bestattet. Der Stadtrat hatte beschlossen, die Anlage wieder sichtbarer zu machen. Nun kritisiert der BUND, dass dafür Bäume gefällt werden sollen.

Der Nordhäuser Ehrenfriedhof befindet sich am Stresemannring. Ein Weg führt über eine große Wiese, links und rechts davon stehen Bäume. Die Anlage erscheint auf den ersten Blick wie ein Park und wird genau auf diese Weise auch von Radfahrern, spielenden Kindern und Joggern genutzt. Und genau das ist das Problem. Bisher gibt es kaum Hinweise darauf, dass es sich hier um einen Friedhof mit 16 Massengräbern handelt, auf dem schätzungsweise bis zu 2.600 Opfer des Nationalsozialismus begraben sind.

Jährlich wird der Nordhäuser Ehrenfriedhof von den Nachfahren der Opfer besucht, die aus verschiedenen Ländern kommen. Die Opferverbände und die Familienangehörigen haben den Zustand der Anlage bereits 2015 kritisiert. Sie forderten damals, dass die Anlage klar als Friedhof benannt werden müsse und auch die einzelnen Gräber als solche zu erkennen sein müssten.

Stadtrat beschließt Neugestaltung

Im September 2021 war es dann so weit. Der Stadtrat beschloss, den Ehrenfriedhof neu zu gestalten. Die Wünsche der Opferverbände sollten dabei berücksichtigt werden. 900.000 Euro werden dafür in das Projekt investiert, etwa 40 Prozent davon vom Land Thüringen gefördert. Nun aber gibt es Widerstand. Die Pläne von der Stadt sehen vor, dass etwa 30 Bäume auf dem Gelände gefällt werden sollen.

Grüne und BUND gegen Baumfällungen

Die Nordhäuser Grüne Gisela Hartmann fordert, dass intakte Bäume mit Blick auf den Klimawandel nicht gefällt werden sollten. So sieht es auch der Kreisverband des BUND. Vor allem Mehlbeeren befinden sich auf dem Friedhof. Diese Bäume können 70 bis 100 Jahre alt werden. BUND-Kreisverbandschefin Heidi Schell forderte, dass diese Chance ihnen auch eingeräumt werden sollte. Außerdem könnten sie als "optische Bereicherung der Gedenkstätte" betrachtet werden.

Sowjetisches Denkmal auf dem Ehrenfriedhof in Nordhausen
Sowjetisches Denkmal auf dem Ehrenfriedhof in Nordhausen (Archivbild) Bildrechte: MDR/Armin Kung

Bürgermeisterin: Bäume teils stark beschädigt

Dass die Bäume gefällt werden müssen, begründet Bürgermeisterin Alexandra Rieger (SPD) damit, dass 80 Prozent des Friedhofbestandes stark beschädigt sind. Einzelne abgestorbene Bäume seien deshalb bereits entnommen worden. Die Mehlbeeren hätten ihr Höchstalter fast erreicht und seien zudem von Schadpilzen befallen. Die Kronen stürben deshalb schon jetzt teilweise ab.

Auch die Koniferen und Ahornbäume auf dem Gelände sind durch die vergangenen Dürresommer stark beschädigt worden. Es müsse verhindert werden, dass die schwachen Bäume bei Wind umstürzen und die Wurzeln dann die Sammelgräber freilegen. Die Stadtverwaltung plant deshalb, rund 30 Bäume zu fällen. Neun könnten vermutlich erhalten werden.

Informationstafel am Ehrenfriedhof in Nordhausen
Eine Informationstafel informiert über den Ehrenfriedhof in Nordhausen. (Archivbild) Bildrechte: MDR/Armin Kung

Damit sich jeder selbst ein Bild vom Zustand des Ehrenfriedhofs machen kann, lädt die Stadt nun interessierte Bürger in die Trauerhalle am Hauptfriedhof ein. Dort soll am 12. Januar um 14:30 Uhr das Projekt noch einmal ausführlich vorgestellt werden. Anschließend können die Besucher an einem Rundgang mit einem Baumgutachter teilnehmen.

MDR (cfr)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Regionalnachrichten | 03. Januar 2023 | 11:30 Uhr

38 Kommentare

hinter-dem-Regenbogen am 05.01.2023

@Harka2 __"Gleichheit im Unrecht . . ."

Wer definiert denn Gleichheit und Unrecht. Die Toten mit Sicherheit nicht !

Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Mehrheit der im Weltkrieg getöteten Menschen, unschuldig waren - egal ob Manner oder Frauen , so wurden gar Kinder und Greise nicht selten einfach mal so vergewaltigt und dahingeschlachtet. Die "Pulverrisierung" der Städte ist ein Verbrechen - das schlimmste Verbrechen, welches man sich vorstellen kann. Hier gibt es weder das Recht noch einen Vergleich, gar ein gegenseitiges Aufwiegen.

Das allein sollte den Kern des Gedenken ausmachen. Für alles andere ist Justitia zuständig.

hinter-dem-Regenbogen am 05.01.2023

@Ich nicht _ "was soll also diese Aussage? . . ."
Vielleicht habe ich etwas zu weit ausgeholt, um meine Gedanken zu artikulieren.
Dennoch sind in unserer Heimat die Unterschiedlichkeiten in der Gedenkultur nicht wegzuleugnen.

Man stelle sich nur mal eine Diskussion gleicher Art vor , wenn es um die Neugestalltung eines bestimmten, bereits "unsaft" betitelten Denkmals im Zentrum der Stadt Berlin ginge.

Für mich sind alle Toten des Krieges unschuldige Opfer. Sie sind nicht nur gefallen, sondern bewusst getötet worden. Für wen und für was sind denn diese Menschen getötet worden ?

Und somit steht (kommt) allen Menschen, die im Krieg getötet wurden, ein ehrendes Gedenken zu. So sollte es weniger um die Art der Umgestaltung der Gedenkstätte sich hier bewegen - vielmehr ist der Sinn dieser Gedenkstätte aufzuarbeiten. Ob nun mit Bäume oder aber auch ohne Bäume, das zeigt ja nur den Bezug zu den getöteten Menschen. . . . >> . . . Ablenkung von der eigentlichen Problematik . . .

Harka2 am 05.01.2023

@Dermbacherin
Mahnmale sollten die Menschen an etwas erinnern und damit das funktioniert, muss man sie auch wahrnehmen können. Das sie solche Mahnmale meiden ist mir bei ihrer politischen Einstellung schon klar, aber sie sollten nicht immer von sich auf andere schließen. Ich muss die Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald auch nicht besuchen, mich erinnert der weithin sichtbare Glockenturm und die Geschichte meiner familie ausreichend daran, was dort Deutsche zugelassen und zu verantworten haben.

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