Blick auf Hochschulgebäude.
Das Studienangebot der Hochschule Nordhausen umfasst mittlerweile 15 Bachelorstudiengänge und 15 Masterstudiengänge. Bildrechte: Hochschule Nordhausen

Studium Wie die Hochschule Nordhausen zum grünen Motor wurde

05. November 2022, 17:39 Uhr

Vor 25 Jahren wurde die Fachhochschule Nordhausen gegründet. Der Lehrbetrieb startete ein Jahr später mit wenigen Studenten. Die Bildungseinrichtung setzte früh auf nachhaltige Technologien und grüne Forschung. Was damals Zukunftsfragen waren, ist heute hochaktuell. Und lockt Menschen aus aller Welt in den Südharz.

Einer der Ersten war Carsten Heise. Im September 1998 ging er zum Weinberg in Nordhausen und schrieb sich ein. BWL sollte es sein. Damals hieß die Hochschule noch Fachhochschule und sie war die jüngste in ganz Thüringen. Heise gehörte zu den ersten 120 Studierenden Nordhausens. "Ich bin gebürtiger Nordhäuser, aber 1984 floh meine Familie aus der DDR. Das Studium war die Gelegenheit, in meine Heimatstadt zurückzukehren", erinnert sich Heise.

Aus dem BWL-Studenten von damals wurde dann doch ein Diplom-Ingenieur für Informatik. Nach Jahren in der Wirtschaft ist er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an das Institut für Informatik, Automatisierung und Elektronik (IAE) zurückgekehrt.

Über 25 Jahre verfolgt er die Entwicklung der Hochschule. Er sieht sie als Glücksfall für die Region. "Die enge Verzahnung mit der regionalen Wirtschaft, der familiäre Campus und die Internationalität machen den Campus zu einer Oase in Nordthüringen", sagt er.

"Green Tech" als Nordhäuser Standortfaktor

Die Hochschule Nordhausen war sich mit ihrer Gründung fachlich treu geblieben. Am Weinberg wurden bereits ab 1952 Ingenieure in der Fachschule für Landwirtschaft ausgebildet. Doch die Themen haben sich seitdem verändert. Wurde damals noch über Agrarproduktion gelehrt, dreht sich heute alles um "Green Tech".

Als Carsten Heise 1998 mit dem Studium anfing, habe kaum jemand über Nachhaltigkeit gesprochen. Als der Klimawandel in die gesellschaftliche Debatte rückte, reagierte die Hochschule. 2003 entstand der Studiengang für "Regenerative Energietechnik". Die Gründung des "Instituts für regenerative Energietechnik“ (in.RET) folgte im Jahr 2009. "In.RET" bietet mittlerweile drei auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Studiengänge an.

"Regenerative Energiesysteme bedeutet, dass wir die Versorgung mit Strom, Wärme und Mobilität gewährleisten, ohne dass wir auf fossile oder nukleare Energieträger zurückgreifen. Dazu forschen wir und bilden aus", sagt Viktor Wesselak, Sprecher von "in.RET" und Professor am Institut.

Nordhäuser Beitrag zur Energiewende

Mittlerweile haben 1.000 Absolventen das Institut verlassen. Diese Fachkräfte tragen wesentlich zur Energiewende in Wirtschaft oder Forschung bei. Zum Beispiel als Energiemanager, um Industrieproduktion klimaneutral zu machen oder als Entwicklungsingenieure für erneuerbare Energieanlagen wie Photovoltaik, Windkraft oder Wärme.

Doch "in.RET" sei nicht das einzige "Green Tech"-Institut Nordhausens, betont Wesselak. "Nachhaltigkeit ist zum Leitbild aller Ingenieursstudiengänge geworden. Am Institut IAE wird zum Beispiel daran geforscht, wie Automatisierung energieeffizienter gestaltet werden kann."

Studierende kommen von überall nach Nordhausen

Auf dem Nordhäuser Campus werden unzählige Sprachen gesprochen. Auch das Institut bietet einen internationalen Masterstudiengang auf Englisch an. Der ziehe vor allem Menschen aus dem globalen Süden in die deutschen Ingenieurswissenschaften, wie aus Indien und Pakistan. "Das sind häufig studierte Maschinenbauer oder Elektrotechniker, die sich in Deutschland zusätzliche Kompetenz bei den erneuerbaren Energien aneignen wollen", sagt Wesselak.

Doch Studenten kommen nicht nur wegen grüner Themen. Die Hochschule biete auch andere Vorteile, sagt etwa Informatikstudent Edgar. Er studiert im sechsten Semester. "Um Probleme zu lösen, braucht es hier wenig Bürokratie. Meine Dozenten kennen mich. Auch die Verwaltung ist nicht so anonym wie an einer großen Universität", sagt er. Außerdem möge er einfach kleine Städte.

Anna dagegen studiert Heilpädagogik. Sie ist extra aus München hergezogen. "Die Seminare sind klein, das ergibt eine tolle Lernatmosphäre. Man lernt seine Kommilitonen viel schneller kennen", sagt sie.

Der gute Ruf der Hochschule reicht jedoch weit über Deutschland hinaus. Naszaran studiert Wirtschaft im zweiten Semester. Sie stammt aus dem Iran. Dort habe ihr ein Freund Nordhausen für ein Auslandsstudium empfohlen. "Die Wohnheime sind direkt am Campus. Es fühlt sich wie eine große Familie an", sagt sie.

Nikita und Eduard stammen beide aus Russland und kamen vor einem Jahr nach Nordhausen. "Die Betreuung für ausländische Studenten ist einfach gut. Das internationale Büro organisiert Stammtische und ein Kulturangebot für uns. Das hilft sehr", sagt Eduard.

Vom Hochschul-Zwerg zum grünen Motor

Die Hochschule Nordhausen wurde 1997 mit dem Ziel gegründet, Nordthüringen gegenüber der dominanten Städtekette Erfurt-Weimar-Jena zu stärken. Mittlerweile stärkt der Norden auch die Mitte. Akademische Kompetenz ist in der Landeshauptstadt gefragt. Professor Viktor Wesselak berät die Landesregierung bei der Energiewende: "Wir beraten die Landesregierung beim Thema Energiesystemmodellierung und bei der Umsetzung konkreter Projekte. Thüringen ist ein relativ kleines Bundesland. Hier lässt sich schnell etwas bewegen", sagt der Professor.

Wesselak hofft auf weitere erfolgreiche 25 Jahre. Gerade, weil sich Nordhausen auf die großen Probleme konzentriere. Nicht nur bei grünen Themen: "Wie bereiten wir das Land auf eine alternde Gesellschaft vor? Das beschäftigt unsere Sozialwissenschaftler. Oder wie kann eine Verwaltung der Zukunft aussehen, etwa in den Studiengängen Public Management and Governance. Die Hochschule Nordhausen ist sehr gut vorbereitet, die Zukunftsfragen unserer Gesellschaft zu beantworten", sagt Viktor Wesselak.

MDR (mm)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 05. November 2022 | 19:00 Uhr

2 Kommentare

Britta.Weber am 07.11.2022

"Versorgung sichern, ohne auf fossile und nuklaare Energie zurückzugreifen" - da kann ich nur mit dem Kopf schütteln. Die halbe Welt setzte auf Atomenergie und manche bauen sogar neue Atomekraftwerke - wann kommt das in Nordhausen an?

Frau K. am 06.11.2022

Herr Höcke hätte vor dem Grünen bashing auf seinem Parteitag mal diesen Artikel lesen sollen. Hätte passieren können, das er sich als der ewig Gestrige wiederfindet.

Diese Hochschule hat den Wandel nicht verschlafen!

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