Eine Person arbeitet mit einer Schere an einer Cannabis-Pflanze.
Der Anbau und Besitz von Cannabis könnte bald mit einigen Einschränkungen erlaubt werden (Symbolfoto). Bildrechte: IMAGO / Emmanuele Contini

Landwirtschaft Hanf-Produzent: "Cannabis-Legalisierung bleibt großes Risiko"

16. November 2022, 11:11 Uhr

Vor einem Jahr veröffentlichte die Ampel-Regierung den neuen Koalitionsvertrag. Gerade einmal vier Sätze zur Cannabis-Legalisierung waren dort vermerkt. Christopher Köhler von der Thüringer Nutzhanf-Firma "Hanf-Industries" aus Bad Langensalza war schon damals skeptisch. Und ist es ein Jahr später immer noch.

Obwohl Hanf-Industries die Pflanze im Namen trägt, stellt die Cannabis-Legalisierung ein großes Risiko für die Firma aus Bad Langensalza dar. Denn bisher handelt das Unternehmen aus dem Unstrut-Hainich-Kreis mit Nutzhanf.

Die Firma produziert, verarbeitet und verkauft Hanf als legales Lebensmittel. Die Samen als süßen "Crunch" mit Zucker, als Aufstrich fürs Brot oder als gepresstes Hanf-Öl. Diese Produkte haben nichts mit der Droge zu tun. Trotzdem sei dieser Unterschied schwer zu vermitteln. Komme dann noch die Legalisierung, sieht Sprecher Christopher Köhler den Lebensmittelhanf im Nachteil. "Dem Verbraucher nach der Legalisierung zu erklären, was das Lebensmittel Hanf ist und was die Droge ist, wird enorm schwer", so Köhler.

Dem Verbraucher nach der Legalisierung zu erklären, was das Lebensmittel Hanf ist und was die Droge ist, wird enorm schwer.

Christopher Köhler Hanf Industries aus Bad Langensalza

Noch komplexer wird die Situation, wenn die Bundesregierung den Cannabis-Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) als Zusatz in Lebensmitteln zulässt. Statt eines Joints zum Rauchen könnten dann auch Schokolade, Kekse oder Gummibärchen einen Rausch auslösen. Ganz ohne Qualm.

Solche "Edibles" waren nach der Legalisierung in Nordamerika ein großer Hype. Und ein Riesengeschäft - gerade für Menschen, die offen für Cannabis sind, aber nicht rauchen wollen. "Sollten Edibles legal werden, könnte unser Lebensmittelhanf vollkommen missverstanden und in die Drogen-Ecke gerückt werden", sagt Christopher Köhler.

Kiffen als Chance für Nutzhanf-Bauern

Doch die Legalisierung bietet Nutzhanf-Unternehmen auch große Chancen. Die regionale Marke "Hainich-Hanf" von Hanf-Industries ist regional etabliert. Anbau, Logistik, Verarbeitung und Verkauf funktionieren bereits: "Wir könnten unsere Produktpalette natürlich relativ einfach um ein Genussmittelprodukt mit THC erweitern. Doch auch hier würde es wieder Regularien geben, die noch unbekannt sind".

Lauterbach-Aussage macht Hoffung

Bereits vor einem Jahr sprach Christopher Köhler mit MDR THÜRINGEN über die Legalisierung. Damals vermutete er, dass der Anbau eher an große Cannabis-Firmen aus dem Ausland vergeben werden könnte. Aussagen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) machten dem Vertriebsingenieur nun aber Hoffnung: "Scheinbar sollen die Anbau-Lizenzen breiter gestreut werden. Also nicht nur an große Player, sondern auch kleine Produzenten."

Teurer Stahlbeton oder günstigeres Gewächshaus

Die Investitionen von kleinen und mittleren Firmen stehen und fallen allerdings mit den Sicherheitsvorgaben für den Anbau. Braucht es Stahlbeton, Kameras und Sicherheitspersonal, um das Gras vor Dieben zu schützen - also Millionen-Investitionen wie beim Medizinhanf-Anbau? Oder genügt es, Außenplantagen zu Überdachen? Für das Unternehmen sind das noch immer unbeantwortete Fragen.

Steuereinnahmen versus Kampf gegen Schwarzmarkt

Als stärkste Argumente für die Legalisierung gelten zusätzliche Steuereinnahmen und das Austrocknen des Schwarzmarktes. Doch Köhler meint, ausgerechnet diese beiden Punkte behinderten sich in der derzeitigen Debatte gegenseitig. Um den Schwarzmarkt tatsächlich zu bekämpfen, müsste der Preis für legales Cannabis niedrig sein. Gleichzeitig wolle der Staat mit einer Cannabissteuer neues Geld verdienen. Könnten Unternehmen dann überhaupt ausreichend Gewinn machen?

"Es sind einfach zu viele Fragen offen. Außerdem soll die Legalisierung vorerst nur als begrenzte Testphase kommen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir dabei eine sechstellige Summe investieren. Das müsste ein sehr langsamer Prozess werden".

Was die Bundesregierung bei der Legalisierung plant - Cannabis und der Wirkstoff THC sollen künftig nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft werden.

- Der Verkauf soll in Fachgeschäften und vielleicht auch in Apotheken ermöglicht werden.

- Die Menge ist begrenzt und die Verkaufsstellen müssen staatlich "lizenziert" werden.

- Der Erwerb und Besitz von 20 bis 30 Gramm "Genusscannabis" zum Eigenkonsum sollen straffrei sein. Auf eine THC-Grenze soll verzichtet werden.

- Ein eingeschränkter Anbau wird erlaubt, sofern Kindern und Jugendlichen der Zugang verhindert wird.

- Laufende Ermittlungen sollen dann nicht mehr in strafbaren Handlungen enden.

- Ein Kauf soll erst ab 18 Jahren möglich sein. Es wird zudem geprüft, ob der Verkauf für Menschen unter 21 Jahren eingeschränkt wird.

- Bei einem Kauf soll neben einer Mehrwertsteuer auch eine "Cannabissteuer" anfallen.

- Cannabis-Produkte zum Rauchen und Inhalieren oder als Kapseln oder Tropfen sollen zum Verkauf zugelassen werden. Ob dies auch für sogenannte Edibles, also etwa Kekse oder Süßigkeiten mit Cannabis gilt, steht noch nicht fest.

- Präventions- und Aufklärungsprogramme sollen ausgebaut werden.

Quelle: Bundesgesundheitsministerium

MDR (rom)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Nachrichten | 26. November 2022 | 11:00 Uhr

3 Kommentare

Lumberjack am 17.11.2022

Sehr gut analysiert, besser kann man es kaum umschreiben. Ich denke, diese Legalisierung wird den Gesamtkonsum erhöhen und die Strafverfolgung nahezu unmöglich machen.

Kolo78 am 16.11.2022

Sehr düster umschrieben, aber wohl wahr! Ich befürchte die Legalisierung wird unsere Gesellschaft noch vor andere Probleme stellen ... aber wer bin ich schon, dass ich Drogen nicht gut finde!?

kleinerfrontkaempfer am 16.11.2022

Der all fürsorgliche Staat und seine Bürokratie haben mit Taschenrechner und spitzem Bleistift mal fix durchgerechnet was in diesem legalisierten Markt finanziell zu holen ist. Verkauf in legalen Shops, in Apotheken, geprüft bio zertifiziert . das macht was her, hat aber dann seinen Preis. Das Klientel aus der "Mitte, der Spitze der Gesellschaft" wird sich diese Freuden gönnen und genießen. Man ist ja schließlich wer.
Die über die Ränder der Gesellschaft abgestürzten und im Sumpf gelandeten Menschen gehen weiter wie bisher zum Dealer ihres Vertrauens. Da gibt es sicher Rabatte, Sonderangebote. Vielleicht sogar einen Lieferservice. Man will ja schließlich seinen Teil des Kuchens behalten. Wird der zu groß, kommt wieder Polizei / Zoll zum Einsatz. Verkaufsfördernd für den staatlichen Markt.
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