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TechnikgeschichteSeit 100 Jahren kann man in Thüringen beim Telefonieren selber wählen

12. November 2022, 18:12 Uhr

Bereits am 1. Juni 1887 wurde in Mühlhausen der handvermittelte Fernsprechverkehr aufgenommen. Damals mit 27 Anschlüssen. Seit 100 Jahren kann man inzwischen selber wählen, das "Fräulein vom Amt" hat ausgedient. Alles, was es darüber zu wissen gibt, findet sich im Fernmeldemuseum Mühlhausen.

von Claudia Götze, MDR THÜRINGEN

Seit 100 Jahren ist es dank Siemens technisch möglich, zum Telefon zu greifen und sofort den gewünschten Gesprächspartner zu erreichen. Die sehr zeitaufwendige Handvermittlung durch den kaiserlichen Postbeamten und später das "Fräulein vom Amt" entfiel zunächst, aber nur für einen begrenzten Teilnehmerkreis. Zum Beispiel in Mühlhausen für 1.200 Teilnehmer.

Idee schon vor 1900

Die Idee zum Selbstwählsystem wurde schon lange vor 1900 in Amerika und in Deutschland geboren, weiß Bernd Stollberg vom Verein des Fernmeldemuseums Mühlhausen zu berichten. Nach den ersten Anläufen habe später der Amerikaner Almon Brown Strowger die Grundidee für ein Wählsystem entwickelt und dass, obwohl er kein Fernsprechtechniker war.

Strowger habe sich wohl oft über die Mitarbeiter der Handvermittlung geärgert und deshalb bereits 1892 ein Amt mit Selbstwählfunktion bauen lassen. In Hildesheim wurde 1908 das erste deutsche Selbstanschlussamt in Betrieb genommen, allerdings mit vielen Kinderkrankheiten. Serienreif wurde 1922 - also genau vor 100 Jahren - ein von Siemens erbautes System.

Neues Wählsystem beschleunigt Gesprächsvermittlung

Die Wartezeit, bis sich das "Fräulein vom Amt" meldete und das Gespräch vermittelte, verkürzte sich durch die Selbstwählsysteme deutlich. In Thüringen hielt die S22, benannt nach dem Premierenjahr, Einzug.

In Schlotheim im Unstrut-Hainich-Kreis, in Dingelstädt im Eichsfeld und in Gotha wurden 1927 solche Wahlämter eingebaut, in Tabarz (im heutigen Kreis Gotha) bereits 1925. Diese Wahlämter taten ihren Dienst bis in die 1980er-Jahre - natürlich technisch erweitert und dem Selbstwählfernverkehr angepasst. Einige davon werden heute im Fernmeldemusuem Mühlhausen gezeigt.

Mühlhausen telefoniert seit 1887

Bereits am 1. Juni 1887 wurde in Mühlhausen der handvermittelte Fernsprechverkehr mit 27 Fernsprechanschlüssen aufgenommen. Die Rufnummer 2 wurde für die heute noch existierende Firma "Gebrüder Hecht" in der Ammergasse 20 eingerichtet. Das dazu gehörende Freileitungsnetz verlief zum Teil über die Dächer der Stadt.

Automatische Gesprächevermittlung ab 1927

1927 bis 1929 wurde die bestehende Handvermittlung für die Stadt Mühlhausen durch eine automatische Ortsvermittlungsstelle für 1.200 Teilnehmer ersetzt. Gleichzeitig wurden zwölf Fernschränke für den handvermittelten Fernverkehr in Betrieb genommen. 20 Telefonistinnen vermittelten im Jahr 167.000 Ferngespräche. Die Zahl der Anschlüsse wuchs von 27 im Jahr 1887 auf rund 1.250 Fernsprechanschlüsse im Jahr 1937 an.

Nummern nach Kriegsende kurzzeitig gesperrt

Anfang April 1945, nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, wurden die 2.045 in Mühlhausen vorhandenen Rufnummern durch die Besatzungsmächte gesperrt. Am 30. Mai 1945 wurden davon 1.190 Teilnehmer wieder frei geschaltet, weil sie die Besatzer als zuverlässig einstuften. Die technischen Einrichtungen der restlichen Rufnummern wurden dem Postamt Weimar übergeben.

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MDR (gh)

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Der Vormittag mit Haase und Waage | 11. November 2022 | 11:20 Uhr

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