Planungsmängel Bahnhof Altenburg während Umbau nicht barrierefrei - Bahn reagiert

24. August 2022, 21:34 Uhr

Auf der Baustelle am Bahnhof Altenburg geht es organisiert vorwärts. Um den Reisebetrieb aufrecht zu halten, wurde eine Stahltreppe installiert, die zum Bahnsteig führt. Das hilft Menschen wie Marlies Schüller nicht, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind. Das Versäumnis korrigiert die Bahn mit einem Taxiservice.

Vier, fünf Mal im Jahr pendelt Marlies Schüller mit dem Zug zwischen Bad Pyrmont in Niedersachsen und Altenburg in Thüringen. Die treue Bahnkundin ist aber auf ihren Elektrorollstuhl angewiesen. Bisher war sie voller Lob über die barrierefreien Zugänge zu den Zügen in Altenburg.

Umso größer der Schock, als sie jetzt erfuhr: Wegen Bauarbeiten auf dem Bahnhof Altenburg ist dort der Bahnsteig für Rollstuhlfahrer nicht mehr erreichbar.

Bau-Ärger sorgt für Empörung und Protest bei Reisenden

"Ich habe an 17 Behörden und Organisationen geschrieben. Habe denen mein Problem geschildert. Und ich muss sagen: Am hilfreichsten war die Presse gewesen", erzählt Marlies Schüller. Sie habe, wie man so sagt, Druck gemacht. Und sie hat erreicht, dass die Deutsche Bahn den Rollstuhlreisenden nun ein Angebot macht: Sie lässt diese Kunden und Kundinnen nun mit einem Fahrdienst nach Altenburg bringen - von den Bahnhöfen Gößnitz oder Böhlen. Denn dort gibt es barrierefreie Zugänge der Bahnsteige.

Ich habe an 17 Behörden und Organisationen geschrieben.

Marlies Schüller Betroffene Rollstuhlfahrerin

Eine Rollstuhlfahrerin an einem Bahnsteig.
Marlies Schüller mit ihrem Rollstuhl auf dem Bahnsteig in Böhlen. Bildrechte: MDR THÜRINGEN JOURNAL

Marlies Schüller ist diesmal von Bad Pyrmont am Vormittag losgefahren. Ihr Zug nach Leipzig kam dort aber schon mit einer guten halben Stunde Verspätung an. Heißt: Der angemeldete Abholservice für sie wartete schon am Bahnhof in Böhlen, da war sie in Leipzig noch nicht einmal umgestiegen in die S-Bahn Richtung Böhlen.

Behindertenfahrdienst soll Planungsmängel wettmachen

Uwe Kemnitz ist der Mann, der Marlies Schüller abholen will. Er ist Chef von zehn Fahrern, die rund ums Jahr mit Taxis und vor allem mit Rollstuhltransportern unterwegs sind. Tag für Tag befördern sie um die 400 Menschen. Und das war schon so, ehe es das Bau-Dilemma am Bahnhof in Altenburg gab.

Uwe Kemnitz erzählt: "Unsere Fahrzeuge für den Behindertenverkehr sind auch sehr gut ausgelastet. Daher kommt es, dass wir manchmal auch sagen müssen - oh, jetzt müssen wir erst einmal sehen, wie wir's rücken. Aber wir versuchen immer, der Bahn zu helfen."

Kemnitz macht die Hecktüren seines Sprinters auf, fährt die Heberampe aus, lässt Maries Schüller mit ihrem Rollstuhl in den Transporter rollen und sichert sie mit Gurten, Haken und Wegrollsperren. Jetzt noch die Mund-Nasen-Masken auf - und ab geht es auf die letzte Wegstrecke von Böhlen nach Altenburg.

Bahn plante keinen barrierefreien Zugang

Kemnitz und seine Kollegen müssen ausbügeln, was bei den Bau-Planungen der Bahn versäumt wurde. Da sind Rollstuhlreisende einfach vergessen worden. Das ist die freundliche Sicht.

Man kann auch sagen: Der barrierefreie Zugang zu den Zügen während der Bauzeit ist aus Kostengründen weggelassen worden. Für Rollstuhlfahrer ist der extra für die Bauzeit neu errichtete einzige Bahnsteig in Altenburg gar nicht erreichbar. Andere Reisende müssen ihre Fahrräder und Kinderwagen über eine Behelfstreppe hoch oder runter schleppen.

"Das war aus den Planungsunterlagen ersichtlich", hatte ein Bahnsprecher dem MDR im Juli gesagt. Die Planungsunterlagen hätten öffentlich ausgelegen. "Aber es gab im Planfeststellungsverfahren keine Einwände", erklärte der Bahn-Mann. Und kündigte an, dass nun aber ein Hol- und Bringeservice für Rollstuhlfahrer angeboten werde. Damit reagierte die Bahn nach mehreren Wochen, in denen es Kritik von Reisenden hagelte - auch von Marlies Schüller.

Längere Fahrzeiten für Rollstuhlreisende, höhere Kosten für die Bahn

Uwe Kemnitz vom Taxi- und Rollstuhlfahrdienst sagt dazu: "Wenn eben da Fehler gemacht werden, dann müssten die Leute normalerweise zur Verantwortung gezogen werden. Und müssten theoretisch, in meinen Augen, auch mal zur Kasse gebeten werden."

Wie hoch am Ende die Kosten sein werden, die die Bahn nun für den Hol- und Bringe-Dienstleistungen berappen muss? Noch ist das wohl gar nicht absehbar. Rollstuhlreisende, die den Service nutzen wollen, müssen das 48 Stunden zuvor anmelden. Und es ist unklar, wie oft dieser Service gebraucht wird bis zum Ende der Bauzeit in Altenburg 2024.

Marlies Schüller sagt nur: "Ich weiß nicht, ob man das über zwei Jahre so halten kann. Zwei Jahre für all diejenigen, die den Fahrdienst brauchen." Sie ist nach 40 Minuten im Auto von Uwe Kemnitz endlich am Bahnhof in Altenburg angekommen. Mit dem Zug hätte die Strecke zwischen Böhlen und Altenburg nur 15 Minuten Zeit gekostet.

MDR (ls)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 24. August 2022 | 19:00 Uhr

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