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Zeichen des ErinnernsCandle Lighting Day: Eltern in Gera gedenken ihrer verstorbenen Kinder

11. Dezember 2022, 17:21 Uhr

Für Eltern gibt es wohl kaum etwas Schlimmeres, als ihr Kind zu verlieren. Hilfe gibt es unter anderem von Menschen mit ähnlichem Schicksal. So etwa in Gera, wo am zweiten Sonntag im Dezember - am "Worldwide Candle Lighting Day" - wieder Kerzen in den Fenstern leuchten. Für die Kinder, die nie vergessen sind.

von Andreas Dreißel, MDR THÜRINGEN

Sonntagabend in Gera, die Straßen sind verschneit, überall Adventslichter. Ein Fenster im dritten Stock eines Hauses fällt auf: nur eine einzelne Kerze leuchtet hinaus ins Dunkel. Keine romantische Geste, sondern ein Zeichen des Erinnerns. Hier fehlt jemand, soll die Kerze sagen.

So wie in Gera leuchten an diesem Sonntag weltweit Kerzen in den Fenstern. Seit 1996 gibt es den "Worldwide Candle Lighting Day". Menschen erinnern an diesem Tag an verstorbene Kinder. Eltern gedenken ihren Töchtern und Söhnen, Kinder ihren Geschwistern. Überall auf der Welt werden um 19 Uhr Kerzen angezündet und in die Fenster gestellt. Das Licht wandert mit der Zeit um die ganze Welt.

Durch das Schicksal vereint

Ein paar Stunden zuvor treffen sich in Gera Betroffene zu einer Gedenkfeier. In der Kirche St. Elisabeth sind Eltern und Geschwister zusammengekommen. Sie alle sind Teil einer Gemeinschaft, die das eigene Erleben zusammengeführt hat. Die Gruppe wurde bereits 2007 gegründet. Cornelia und Holger Günther verloren zwei Jahre zuvor ihren Sohn Christoph. Er starb bei einem Verkehrsunfall.

Es gibt ein Leben vor dem Schicksalsschlag, und eines danach.

Holger Günther

Gerade in der Vorweihnachtszeit fühlen sie, wie sehr er ihnen fehlt. "Es gibt ein Leben vor dem Schicksalsschlag, und eines danach", sagt Holger Günther. Dieses Leben danach - dazu gehört auch die Selbsthilfegruppe. Die Günthers wollten anderen Eltern in ihrem Schmerz helfen. Sie wissen: Das gewohnte Leben gibt es nicht mehr. Die Familienstruktur gerät aus dem Gleichgewicht, alles muss sich neu finden.

Jeder trauert anders

Dabei trauern Männer anders als Frauen, Erwachsene anders als Kinder oder Jugendliche. Die Folgen sind Unverständnis und Enttäuschungen, nicht selten zerbrechen auch Partnerschaften. Der Kontakt in der Gruppe kann Halt geben, vor allem in Zeiten, wenn alles wieder hochkommt. Und der Schmerz ist tückisch: ein Lied, ein Duft, ein Wort - und die Erinnerung ist wieder da.

14 Gruppen gibt es aktuell in Thüringen. Sie bieten unterschiedliche Hilfe an. Vor allem in der ersten Zeit des Trauerns sind viele hilflos, dabei ist der Abschied wichtig für das Erinnern. Ob der Trauerprozess gesund und heilsam verläuft, hängt also auch von rechtzeitiger Hilfe ab. Wenn das Kind, der Bruder, die Schwester bestattet ist, helfen Gespräche in den Gruppen über das Erlebte. Oft geht dann für Verwandte, Freunde oder Arbeitskollegen das normale Leben weiter. Sie verstehen nicht, dass für die, die zurückbleiben, nichts mehr so sein wird wie zuvor. Das führt in manchen Fällen zu Unverständnis. "Das Leben muss doch weitergehen“, hören die Betroffenen oft. Dann kommt die Angst, dass ihr Kind, ihr Bruder oder ihre Schwester einfach so vergessen werden könnte.

Herzensbäume erinnern an die Kinder

In Gera erinnern seit 2018 Herzensbäume an verstorbene Kinder. Im Ortsteil Windischenbernsdorf stehen inzwischen 35 Bäume, darunter Ahorne, Buchen, Eichen und Linden. Initiiert wurde das Projekt von Kornelia Fernholtz. "Jeder Baum hat einen Bezug zu dem verstorbenen Kind", sagt sie.

Die Stadt Gera unterstützt die Eltern und pflanzt die Bäume, die von den Trauernden ausgesucht wurden. Oft treffen sich die Gruppen in dem Hain, wo an jedem Baum Namen, Herzen oder kleine Tonfiguren an die Verstorbenen erinnern. Auch eine Bank gibt es dort, mit den Namen der Kinder.

Am Abend liegt auch der Herzenswald im Dunkeln. Der Schnee glitzert leise, und die noch jungen Bäume verbreiten eine besondere Atmosphäre. In der Stadt brennen da noch die Kerzen in den Fenstern und sagen: "Wir haben Euch nicht vergessen."

Worldwide Candle Lighting DayDen Worldwide Candle Lighting Day gibt es seit 1996. Er soll Familien, die ein Kind verloren haben, die Möglichkeit des gemeinsamen Gedenkens geben. Am zweiten Sonntag im Dezember wird abends um 19 Uhr eine Kerze ins Fenster gestellt. Sie soll symbolisieren, dass auch das verstorbene Kind weiter in den Herzen der Menschen leuchtet. Durch die verschiedenen Zeitzonen entsteht so symbolisch eine Kette aus Kerzenlichtern über die ganze Welt.

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MDR (cfr)

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 11. Dezember 2022 | 19:00 Uhr

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