KonjunkturumfrageDramatische Entwicklung in der Ostthüringer Wirtschaft
Im Frühjahr hofften viele Unternehmen noch auf einen wirtschaftlichen Aufschwung. Jetzt geht die Stimmung wieder runter. Die Herbstumfrage der IHK spricht gar von einer dramatischen Entwicklung.
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Viel Handarbeit gibt es in der Fertigung bei Schmeissner Sicherheitstechnik in Hermsdorf. Hier montieren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Beispiel Sensoren und Einbruchmelder für die Bauindustrie. Fensterhersteller sind wichtige Kunden. Doch in der letzten Zeit ist die Zahl der Aufträge spürbar zurückgegangen.
"Wir haben bisher nie Probleme gehabt", sagt Geschäftsführer Uwe Schmeißner. "Doch jetzt mussten wir auch reagieren und uns an das neue Umfeld anpassen." Nicht nur in Hermsdorf, sondern in ganz Ostthüringen läuft es schlecht in der Wirtschaft. Laut der aktuellen Herbst-Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer in Gera klagt fast die Hälfte der Unternehmen über weniger Aufträge. Nur neun Prozent melden ein gestiegenes Volumen. Die Situation in den Thüringer Betrieben sei dramatisch, heißt es in einem gemeinsamen Appell verschiedener Kammern und Verbände.
Industrie beklagt hohe Kosten
Damit verschlechtert sich die Geschäftslage zum fünften Mal in Folge. Besonders kritisch ist die Lage in der Industrie, etwa in Metallbetrieben und bei Automobilzulieferern. Als Risikofaktoren werden zum Beispiel die Arbeitskosten, Energiepreise und die Rohstoffpreise genannt. Über 70 Prozent der Unternehmen sehen allerdings die aktuelle Wirtschaftspolitik als größtes Risiko für die Konjunktur an.
In den fünf Landkreisen in Ostthüringen und den beiden kreisfreien Städten Gera und Jena wird die aktuelle Lage unterschiedlich bewertet. Während Gera und der Landkreis Greiz etwas positiver in die Zukunft schauen, tritt die Konjunktur im Altenburger Land auf der Stelle. In den Landkreisen Saale-Orla, Saale-Holzland und Saalfeld-Rudolstadt zeigt sich dagegen ein negatives Bild. Und auch in der Wachstumslokomotive Jena hat sich die Stimmung in der Wirtschaft merklich abgekühlt. Hier rechnen knapp 30 Prozent der Betriebe mit einer schlechteren Geschäftsentwicklung in den nächsten zwölf Monaten.
Umfrage: Unternehmen investieren weniger
Die negativen Aussichten haben auch Folgen für die Investitionsbereitschaft in den Unternehmen. Etwa die Hälfte der Firmen plant weniger oder keine Investitionen. Andere wollen nur Ersatzanschaffungen bei Maschinen und Technik tätigen.
Die IHK Ostthüringen hofft wegen der alarmierenden Zahlen auf eine Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik. "Das ist inzwischen ein strukturelles Problem", sagt Weinert. "Es müssen dringend wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen geschaffen werden." Die Kammer fordert Reformen und eine Entlastung bei Bürokratie, schnellere Genehmigungsverfahren, Investitionsanreize und niedrigere Energiepreise nicht nur für energieintensive Unternehmen.
Dabei steht Ostthüringen im Landesvergleich noch gut da. Nach MDR-Informationen erreicht der Osten des Freistaates beim IHK-Konjunkturklimaindikator 83,6 von 200 möglichen Punkten. Im Gebiet der IHK Mittel- und Nordthüringen liegt der Wert bei 73,6 Punkten, in Südthüringen nur bei 62,5 Punkten.
Rückgang des Bruttoinlandsprodukts
Im ersten Halbjahr 2024 verbuchte Thüringen mit minus 1,2 Prozent bundesweit den zweitstärksten Rückgang des Bruttoinlandsprodukts - nur wenig besser als Baden-Württemberg. Und hinter den Statistiken stehen die Schicksale vieler klein- und mittlerer Unternehmen.
Besser sieht es aktuell in der Nahrungsmittelindustrie und im Gastgewerbe aus. Hier wird zumindest die Geschäftslage positiv beurteilt. Allerdings seien in den Unternehmen die Erträge gesunken. Außerdem machen auch hier die gestiegenen Kosten für Lebensmittel, Energie und Löhne zu schaffen.
Die schlechte Gesamtentwicklung dürfte sich mittelfristig auch auf die Arbeitslosenstatistik auswirken. Denn gerade mal sechs Prozent der Unternehmen rechnen mit einer wachsenden Belegschaft. 25 Prozent gehen von einem Rückgang aus. Auch werden offene Stellen in vielen Fällen nicht mehr nachbesetzt.
Politik könnte Situation verschärfen
Die Situation könnte sich in der nächsten Zeit noch verschärfen, befürchtet die IHK Ostthüringen. Denn das Aus der Koalition in Berlin und die Hängepartie in Erfurt sind in der Herbstumfrage noch nicht berücksichtigt. Zumindest einer neuen Regierung könnte Thüringen am Dienstag ein ganzes Stück näher kommen. Bei einem Treffen in Erfurt wollen die Landesparteichefs von CDU, BSW und SPD, den Entwurf für einen Koalitionsvertrag abschließend prüfen.
Uwe Schmeißner in Hermsdorf ist mit seinem Unternehmen zum Glück breiter aufgestellt. Während klassische Produkte wegen der schlechten Baukonjunktur schwächeln, läuft es bei Spezialaufträgen besser. Zum Beispiel aus Museen. "Wir haben auch noch ein drittes Standbein", sagt Schmeißner. "Unsere Servicemonteure, die in der Region Anlagen bauen." Dort sucht das Unternehmen sogar noch neue Mitarbeiter. Außerdem will Uwe Schmeißner weiter selbst neue Sicherheitstechnik entwickeln. Für ihn ist das der größte Vorteil im aktuellen Konjunkturtief.
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MDR (adr/sar/dkn)
Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 11. November 2024 | 19:00 Uhr
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