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Zabel-Gymnasium GeraLehrermangel: Ein Drittel des Unterrichts fällt aus

03. November 2022, 08:59 Uhr

Zehn Stunden weniger Unterricht als geplant haben die Schüler am Zabel-Gymnasium in Gera. Bewerber für die freien Lehrerstellen gibt es nur wenige. Die Eltern wollen das jetzt nicht mehr hinnehmen und machen Druck.

von Andreas Dreißel, MDR THÜRINGEN

Gespannt schauen 25 Augenpaare auf die leuchtende Flamme auf dem Lehrertisch. Hier zeigt Chemielehrer Rainer Busch gerade zwei chemische Reaktionen. Die Schüler der 8d sind konzentriert, aufmerksam hören sie den Erklärungen des Lehrers zu.

Am Lehrertisch experimentieren die Schüler mit Magnesium. Bildrechte: MDR/Andreas Dreißel

Der Chemieunterricht hat am Zabel-Gymnasium in Gera Seltenheitswert. Nur eine Stunde pro Woche gibt es für die achten Klassen. Laut Thüringer Rahmenplan müssten es eigentlich zwei sein. Doch mehr ist nicht drin, sagt Schulleiterin Katrin Proschmann. "An unserer Schule fehlen viele Lehrer. In den letzten Jahren sind viele in den Ruhestand gegangen." Oder sie sind erkrankt. Und für die Ausfälle gab es viel zu wenig neue Lehrer an der Schule.

An unserer Schule fehlen viele Lehrer. In den letzten Jahren sind viele in den Ruhestand gegangen.

Schulleiterin Katrin Proschmann

In diesem Jahr durfte die Schulleiterin neun neue Stellen ausschreiben. Doch Bewerber gab es kaum. Und wenn, bewarben diese sich meist auch noch an anderen Schulen. Nicht alle sagten dann im Zabel-Gymnasium ab, wenn sie sich für die vermeintlich bessere Alternative entschieden. Dann blieb die freie Stelle geblockt. Ärgerlich, wenn die Schule dann anderen Bewerbern absagen musste.

Am Zabel-Gymnasium gingen schon kurz nach dem Schuljahresbeginn die Eltern auf die Barrikaden. Anfang September machten sie in einem offenen Brief ihrem Ärger über den Unterrichtsausfall Luft. Fast 250 Stunden sind das jede Woche, im Schnitt fallen pro Klasse zehn Stunden aus. In den naturwissenschaftlichen Fächern ist der Lehrermangel am größten, aber auch in Deutsch, Geschichte und Englisch fehlen Lehrer.

Problem besteht in ganz Thüringen

Das Zabel-Gymnasium ist kein Einzelfall. In ganz Thüringen werden händeringend Lehrer gesucht. Zwar spricht das Bildungsministerium von über 1.000 Neueinstellungen vor den Ferien. Trotzdem ist an Entspannung nicht zu denken.

Laut Schulamt Ostthüringen gibt es auf zehn freie Stellen oft nur eine Bewerbung. Und der Wettbewerb tobt nicht nur in Thüringen, sondern deutschlandweit. "Es gibt Bundesländer, da ist der Lehrermangel noch größer als in Thüringen", sagt Berthold Rader, Leiter des Schulamts Ostthüringen.

Mehr Geld und mehr Möglichkeiten

Deshalb will das Bildungsministerium in Erfurt die dringend benötigten Pädagogen jetzt mit finanziellen Anreizen locken. Wer in die sogenannten Bedarfsregionen wie Gera, Greiz oder Altenburg geht und in den Fächern mit dem größten Bedarf unterrichtet, bekommt zehn Prozent mehr Geld. Außerdem sollen Lehrkräfte aus dem Ruhestand das Problem entschärfen. Lehramtsanwärterinnen und -anwärter könnten in Zukunft mehr Stunden an den Schulen unterrichten.

Es gibt Bundesländer, da ist der Lehrermangel noch größer als in Thüringen.

Berthold Rader | Schulamt Ostthüringen

Für die Schüler am Zabel-Gymnasium ist das ein schwacher Trost. Ihre Eltern fordern deshalb auch, die Lehrer in Gera gerechter an den Schulen zu verteilen. Denn nicht an allen Gymnasien ist das Problem so akut. Auch die Zuweisung der Schüler sollte anders geregelt werden, damit nicht die Schule mit den wenigsten Lehrern die meisten neuen Schüler bekommt, so die Elternsprecher.

Mit Mangel ist schwer zu planen

Für Schulleiterin Katrin Proschmann ist die Planung des Unterrichts ein, wie sie sagt, fünfdimensionales Puzzle. Sie muss dafür sorgen, dass ihre Schüler wenigstens einen Mindestunterricht in jedem Fach erhalten. Außerdem achtet sie darauf, dass beim aktuellen Abiturjahrgang keine Stunden ausfallen.

Die anderen Schüler behelfen sich mit Selbststudium. Die Lehrer geben mehr Hausaufgaben oder stellen Unterrichtsteile in der Thüringer Schulcloud online. Das bedeutet für alle mehr Aufwand. Und nicht jeder tut sich mit dem eigenständigen Lernen leicht. Die Lehrer befürchten auch, dass vor allem schwächere Schüler nicht mehr mitkommen und vor dem Abitur aufgeben müssen.

Protest-Demo abgesagt

Eine geplanter Protestzug vor dem Schulamt Gera am Mittwoch wurde durch die Elternsprecher wieder abgesagt. "Wir hatten Hinweise, dass die Demo zu politischen Zwecken missbraucht werden sollte", sagt Elternsprecher Martin Druse. Trotzdem wollen sie weiter Druck machen.

Für die Klasse 8d gibt es jetzt zumindest einen kleinen Lichtblick. Im Fach Deutsch soll es schon bald wieder normalen Unterricht geben.

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MDR (gh)

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 02. November 2022 | 19:00 Uhr

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