Geschichtsprojekt und FotoausstellungNeubaugebiet Gera-Lusan: Ein DDR-Stadtteil aus dem Katalog
Ein DDR-Stadtteil aus dem Katalog: Ab 1972 wurde das Neubaugebiet Gera-Lusan aus dem Boden gestampft. Dort entstanden innerhalb von 18 Jahren Wohnungen, Schulen, Kaufhallen und Restaurants für 45.000 Menschen. Nach der Wende zogen schließlich viele weg, in ganz Lusan fielen Wohnblöcke der Abrissbirne zum Opfer. Die bewegte Geschichte des Wohngebietes ist jetzt Thema eines Projektes der Geschichtswerkstatt Lusan.
Ein Arbeitstreffen in der Geschichtswerkstatt. Hier mitten in Lusan stellt Irina Schultheiß die neue Ausstellung "Zeitenwende in Gera-Lusan" vor. Ein Projekt, das von Auszubildenden der TAG Wohnen und Schülern der Berufsschule für Wirtschaft und Verwaltung gemeinsam umgesetzt wurde. Die Fotografenklasse hatte sich im Herbst auf den Weg gemacht und in ganz Lusan fotografiert – nach historischen Motiven.
Ich mache hier in Lusan meine Ausbildung. Für mich war es sehr interessant, viel zur Entstehung des Wohngebietes zu erfahren.
Lilly Penzold, Auszubildende bei TAG Wohnen
Auch Laura Braune hat das Wohngebiet mit dem Fotoapparat erkundet. Sie stammt aus Dresden. Gera ist für sie eine Heimat auf Zeit.
Mich hat sehr überrascht, wie viel Grün es hier in Lusan gibt. Das kenne ich aus Dresden nicht. Ich finde auch spannend, wie sich Lusan seit 1990 verändert hat.
Laura Braune, Schülerin der Fotografenklasse an der Berufsschule
Mit der Wende begann in Lusan auch der Wegzug. Viele kehrten dem Stadtteil den Rücken, bauten auf der grünen Wiese oder zogen aus dem uniformierten Beton in gut sanierte Altbau-Wohnungen in anderen Stadtteilen. Das hatte auch Folgen für die Infrastruktur. Von ehemals elf Schulen sind jetzt nur noch vier in Betrieb. Auch der Einzelhandel wechselte an wenige zentrale Orte im Wohngebiet. Viele der kleinen Läden stehen seitdem leer oder erhielten neue Nutzungen wie die Geschichtswerkstatt oder das Jugendzentrum "Jumpers". Auch kleine Kneipen und Restaurants verschwanden, manche konnten sich auch unter neuen Bedingungen behaupten.
Stadtteil aus dem Katalog
Buchautor Christoph Liepach ist in Lusan aufgewachsen. Er hat viel zur Geschichte des Stadtteils geforscht.
Eigentlich ist das hier ein Stadtteil aus dem Katalog. Die meisten der Häuser wurden in der WBS70-Serie gebaut. Sie war DDR-weit im Einsatz. Das Interessante passierte drumherum. Hier entwickelten die Architekten und Planer die gesamte Gestaltung des Wohngebietes, Straßen, Wege, Infrastruktur.
Christoph Liepach, Buchautor
Auch eine neue Straßenbahnlinie entstand.
Nur noch die Hälfte der ehemaligen Bewohner wohnt in Lusan
Heute leben von ehemals 45.000 Einwohnern noch die Hälfte in Gera-Lusan. Viele von ihnen sind Einwohner der ersten Stunde. Seit 1990 wurden viele der Plattenbauten saniert. Auf Flächen von abgerissenen Wohnblocks entstanden zusätzliche Grünflächen. Und es wird auch neu gebaut. Eine Wohnungsgenossenschaft baut auf einer früheren "Plattenfläche" mehrere Häuser mit barrierefreien Wohnungen.
In der Geschichtswerkstatt soll aus dem Azubiprojekt eine Ausstellung entstehen. Dafür müssen jetzt noch die Texte, Fotos und Zeitungsausschnitte aus fast 50 Jahren Lusan auf die Schautafeln gedruckt werden. Wegen Corona lagen die Arbeiten fast neun Monate auf Eis. Projektleiterin Irina Schultheiß freut sich schon auf die ersten Besucher im September.
Die Lusaner werden sicher auf die Tafeln schauen und erst mal suchen: Wo ist mein Haus? Wo bin ich auch dabei gewesen? Sie werden die Bilder aufsaugen und sich an die ersten Jahre in Lusan erinnern.
Irina Schultheiß, Leiterin Geschichtswerkstatt
Ein Jahr vor dem 50. Geburtstag wird dem Stadtteil Lusan damit ein kleines Denkmal gesetzt. Eines, das auch von der TAG Wohnen, vom Projekt "Demokratie leben" und vom Stadtteilbüro Gera-Lusan unterstützt wurde, um das Zusammenleben in Geras größtem Wohngebiet zu fördern.
Quelle: MDR THÜRINGEN
Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 29. Juni 2021 | 19:00 Uhr
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