70.000 Euro und ein Image-Schaden Gera: Was es bringt, Museen aus Spargründen zu schließen
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05. Januar 2024, 14:42 Uhr
Mit dem Beinamen Otto-Dix-Stadt stellt Gera stolz sein kulturelles Erbe aus. Das Geburtshaus des Malers, auch die Kunstsammlungen locken viele Touristen an. Nur standen sie wie Einheimische 2023 nicht selten vor verschlossenen Türen. Aus Spargründen waren die Museen der Stadt jeweils für zehn Wochen zusätzlich geschlossen. Das brachte gerade einmal 70.000 Euro ein - und einen Image-Schaden.
- 70.000 Euro hat die Stadt Gera gespart, indem sie ihre Museen 2023 über mehrere Wochen dicht machte.
- Der Thüringer Museumsverband warnt vor einer Wiederholung der Sparmaßnahme, da Museen unverzichtbare Orte der Bildung und Begegnung seien.
- Kulturamtsleiter Felix Eckerle sieht im "Masterplan Museen" eine hoffnungsvolle Perspektive.
Mit der zeitweisen Schließung von Museen hat die Stadt Gera im vergangenen Jahr 70.000 Euro eingespart. Das bestätigte der Leiter des Kulturamts, Felix Eckerle, im Gespräch mit MDR KULTUR. Zugleich hofft er, 2024 ohne diese drastische Maßnahme auszukommen, die in der deutschen Museumslandschaft ohne Beispiel ist. "Wir sind sehr aktiv im Einwerben von Drittmitteln für besondere Projekte", erklärt Eckerle mit Blick auf das anstehende 40. Jubiläum des Museums für Angewandte Kunst (MAK) und zwei Sonderausstellungen.
70.000 Euro und ein Image-Schaden für die Otto-Dix-Stadt
Das MAK ist nur eins von fünf Museen in Gera und bekannt für seine kunstgewerbliche Sammlung aus der Zeit der Moderne. Außerdem steht das Geburtshaus von Otto Dix in der Stadt, die sich mit seinem Namen schmückt und tatsächlich über eine der größten Dauerausstellungen mit Werken des bedeutenden expressionistischen Künstlers verfügt. Doch 2023 standen Besucherinnen und Besucher aus Spargründen hier wie dort nicht selten vor verschlossenen Türen.
"Das ist nicht schön", kommentiert der Leiter der Kunstsammlung, Holger Peter Saupe. Auch er hofft, dass kurzfristige Schließungen 2024 nicht wieder nötig sein werden. Denn damit würden außerdem Touristen verprellt, betont er. Vor allem das Otto-Dix-Haus frequentierten vorwiegend auswärtige Besucher, die vor der Anreise nicht unbedingt auf der Internetseite nachschauen würden: "Es klappt nicht immer gut, kurzfristige Schließungen nach außen zu transportieren." Entsprechend groß sei mitunter der Frust gewesen.
"Wir wollten kein Museum komplett schließen"
Insgesamt zehn Wochen musste jede städtische Kultureinrichtung im vergangenen Jahr in Gera zusätzlich zu regulären Schließzeiten dicht machen. Die Öffnungszeiten wurden eingeschränkt auf 11 bis 17 Uhr. In den Museen kam es vor allem vor Ausstellungswechseln zu längeren Auszeiten. "Die Wunschvorstellung war es sicherlich nicht", kommentiert Sandra Raatz von der Fraktion Bürgerschaft für Gera, die auch Vorsitzende des Kulturausschusses ist. Aber jeder Bereich habe sparen müssen und Kultur sei nun mal eine freiwillige Aufgabe: "Wir wollten kein Museum komplett schließen. Wir wollten nur den Umfang der Leistung reduzieren, wenn überhaupt. Und wenn, dann auch temporär. Es war in der Abwägung aller Dinge – zumindest für den Ausschuss, auch für die Verwaltung – am moderatesten."
Verband: Museen als Orte der Bildung und Inklusion unverzichtbar
Das sieht der Vorsitzende des Thüringer Museumsverbandes, Roland Krischke, ganz anders. Museen seien "primäre Bildungseinrichtungen" und es käme ja auch niemand auf die Idee, "Schulen zuzumachen und zu sagen: 'Och ja, es ist gerade ein bisschen knapp, wir machen jetzt zwei Wochen weniger Unterricht.'" Außerdem seien Museen als Raum für Begegnung und Inklusion unverzichtbar. So wirkten sie aktiv in die Stadtgesellschaft hinein: "Es kommen die unterschiedlichsten Gruppen, Menschen von zwei bis 102 Jahren, es kommen sozial Schwache, es werden aber auch ganz konkret Demenzkranke oder psychisch Kranke angesprochen." Umso wichtiger sei es, dass Museen zuverlässig geöffnet blieben. Noch habe man eine solche Maßnahme wie in Gera in anderen Städten nicht gesehen, betont Krischke. Ergriffen werden konnte sie überhaupt nur, weil Gera für die Aufsicht und den Service in den Museen eine externe Firma beauftragt hat.
"Masterplan Museen" eröffnet neue Perspektiven
Felix Eckerle ist erst seit Januar 2023 Leiter des Kulturamtes. Da war die Sparmaßnahme schon beschlossene Sache. Dafür konnte er im vergangenen Jahr den lange auf Eis liegenden "Masterplan Museen" auf den Weg bringen, der die Zukunft langfristig sichern soll. Im Herbst 2023 votierte der Stadtrat einstimmig dafür. Das hilft, Fördermittel bei Bund und Land für das Großprojekt einzuwerben. Kern ist ein Neubau vor dem Kultur- und Kongresszentrum (KuK) in der "Neuen Mitte" der Stadt bis zum Jahr 2037, um dort die drei wichtigsten Sammlungsbestände zusammenzuführen.
Die angestammten Häuser des MAK oder des Naturkundemuseums sind komplett marode und auch nicht barrierefrei. Zugleich wurde vom Stadtrat beschlossen, das 1981 eröffnete und denkmalgeschützte KuK selbst rundzuerneuern. Dort könnte Eckerle zufolge auch ein neues, dringend erforderliches Depot für alle Geraer Museen entstehen. Bis es so weit ist, geht es für Eckerle darum, die Häuser mit spannenden Ausstellungen offen zu halten: "Beim Einwerben von Drittmitteln sind wir wahrscheinlich aktiver denn je", versichert er.
Quelle: MDR KULTUR (Linda Schildbach)
Redaktionelle Bearbeitung: ks
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 05. Januar 2024 | 07:10 Uhr