Bengt Fuchs
Die Vorwürfe gegen den Geraer Richter Bengt Fuchs erhärten sich. Bildrechte: picture alliance/dpa/Martin Schutt

Justiz Nach Rassismus-Vorwürfen gegen Geraer Richter: Zwei Verfahren laufen zur Aufklärung

02. August 2024, 20:09 Uhr

Die Rassismus-Vorwürfe gegen den Vizepräsidenten und Richter am Verwaltungsgericht Gera, Bengt Fuchs, haben Konsequenzen. Aktuell laufen ein Disziplinarverfahren und ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt. Auch eine mögliche Verjährung spielt dabei eine Rolle. Der Richter bestreitet die Vorwürfe, die sich zuletzt erhärtet hatten.

In den vergangenen Wochen ging es Schlag auf Schlag: Erst veröffentlichten verschiedene Medien Vorwürfe gegen den Vizepräsidenten und Richter am Verwaltungsgericht Gera, Bengt Fuchs, wonach sich dieser in Studentenverbindungsforen über Jahre rassistisch und schwulenfeindlich geäußert haben soll.

Kurz darauf gab das Geraer Gericht bekannt, die Vorwürfe im Rahmen eines Disziplinarverfahrens zu prüfen - zudem wies das Präsidium des Verwaltungsgerichts Fuchs "als Akutmaßnahme" einer anderen Kammer zu, die nicht für Asylklagen zuständig ist. Interne Unterlagen erhärten den Verdacht, dass der Richter tatsächlich auch der Nutzer gewesen sein könnte und auch die Staatsanwaltschaft geht den Vorwürfen nach. Aber der Reihe nach:

User fällt auf mit rassistischen Kommentaren

Hintergrund sind Kommentare, die ein Nutzer mit dem Namen "Bengt-Christian Fuchs" auf dem Studentenverbindungsforum "Tradition mit Zukunft" (TraMiZu) und ab 2011 unter dem Namen "Fuchs Benedikt" auf Facebook geschrieben hat. Die Forenverläufe konnten von der Gruppe "Autonome Antifa Freiburg" (AAF) ausgewertet werden.

Hinweis: Wer ist die "Autonome Antifa Freiburg"?

Die "Autonome Antifa Freiburg" veröffentlicht seit Jahren umfangreiche und fundierte Recherchen zu Rechtsextremen und Studentenverbindungen. Der Verfassungsschutz Baden-Württemberg erwähnte die Gruppe in der Vergangenheit in Berichten regelmäßig in der Rubrik "Linksextremismus". Im Jahresbericht 2023 wurde die Gruppe nicht erwähnt.

Der betreffende Nutzer spricht in den Kommentaren von "Schwuchteln", das N-Wort fällt und zum Thema "Abschiebung krimineller Ausländer" heißt es: "Meine Idee, die Typen im Überflug mit ner Transall über ihrer Heimat mit nem Fallschirm abwerfen zu lassen, wird von Mitarbeitern in Ausländerbehörden zwar begrüßt, dürfte aber an Voßkuhle und Consorten scheitern... ;-D". Außerdem werden Sinti und Roma auf Facebook 2019 als "Rotationseuropäer mit Eigentumszuordnungsschwäche" bezeichnet.

Der mit der Recherche konfrontierte Richter äußerte sich selbst nicht zu den neuen Vorwürfen. Bislang hatte er alles abgestritten und weilt bis Mitte August außer Dienst. Im Gespräch mit der "Taz" hatte er die Vorwürfe als "Manipulation" bezeichnet.

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Ein Auszug aus einer der TraMiZu-Facebook-Gruppen. Bildrechte: Privat

Äußerungen rufen Staatsanwaltschaft auf den Plan

Die Vorwürfe gegen den Richter riefen zuletzt die Staatsanwaltschaft Gera auf den Plan. Sie geht ihnen auf strafrechtlicher Ebene wegen des Verdachts der Volksverhetzung nach. Offiziell momentan gegen Unbekannt. Gerade der Post zu "Rotationseuropäer mit Eigentumszuordnungsschwäche" könnte dabei als Beweis fungieren. Da der Post jedoch am 7. August 2019 abgesetzt wurde und bei Volksverhetzung eine Verjährungsfrist von fünf Jahren gilt, stellt sich die Frage, ob die Staatsanwaltschaft noch vor Beginn der kommenden Woche eine Verjährung verhindert.

Sofern der Post tatsächlich am betreffenden Datum hochgeladen wurde, so heißt es auf MDR-Anfrage, "können Sie davon ausgehen, dass eine etwaige Strafverfolgung wegen Volksverhetzung nicht am Eintritt der Verjährung scheitern wird." Verhindert werden könnte die Verjährung "durch bestimmte Ermittlungshandlungen wie z.B. den Erlass eines Haftbefehls, die erste Vernehmung des Beschuldigten oder die Beauftragung eines Sachverständigen".

Die Zeichnung von einem Richter an einem Tisch.
Als Richter in Gera war Bengt Fuchs bis zuletzt für Asylverfahren zuständig. (Nachgestellte Szene) Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Disziplinarverfahren: Ministerin will Verfahren noch nicht an sich ziehen

Parallel zum strafrechtlichen Verfahren (gegen Unbekannt) läuft momentan auch noch ein Disziplinarverfahren gegen Richter Fuchs. Es wird von einem externen Richter im Auftrag des Verwaltungsgerichts Gera selbst geführt. Mögliche Konsequenzen nach Abschluss eines Disziplinarverfahrens reichen von einem Verweis bis zur Versetzung oder gar der Entfernung aus dem Dienst. Konsequenzen könnten ein Verweis oder Geldstrafen sein, aber theoretisch auch die Entfernung aus dem Dienst. Bei härteren Sanktionen müssten aber das übergeordnete Oberverwaltungsgericht oder das Justizministerium tätig werden.

Justizministerin Doreen Denstädt (Grüne) hätte laut Thüringer Disziplinargesetz schon jetzt auch die Möglichkeit, das Verfahren an sich zu ziehen. Auf Nachfrage erklärte das Ministerium aber, dass dies zum momentanen Stand des Verfahrens "keine unmittelbaren Vorteile bietet", da momentan vom Gericht selbst noch die Stichhaltigkeit der Vorwürfe geprüft werde.

Verschiedene Hinweise erhärten Vorwürfe  

Noch einmal: Richter Bengt Fuchs bestritt bis zuletzt, dass er hinter den rassistischen oder schwulenfeindlichen Posts und Kommentaren steht. Verschiedene Hinweise deuten aber darauf hin, dass sie vom Richter selbst stammen:

Aus den geleakten Forenverläufen geht zum Beispiel hervor, dass das Profil mit der damaligen Dienst-Emailadresse des Richters verknüpft war. 2005 hatte sich der Nutzer mit der Dienstadresse von Richter Fuchs bei TraMiZu registriert. Dazu gibt es über 1.000 Treffer in den Foreneinträgen, die der Adresse und damit auch dem Profil zuzurechnen sind.

Zudem hatten andere Forenmitglieder dem MDR zuvor bereits erklärt, wie unwahrscheinlich es sei, dass jemand in Fuchs Namen ein Profil auf der Plattform erstellt haben könnte. "Ich gehe davon aus, dass das der Mensch ist", sagt einer von ihnen anonym. Denn im Forum habe Klarnamenpflicht geherrscht, auch Geburtsdatum, Adresse sowie Beruf seien angegeben und die User in einem Verifizierungsverfahren gecheckt worden.

Gericht bestätigt Mailadresse

Gerichtspräsident Michael Obhues hatte auf Anfrage mitgeteilt, Fuchs habe ihm gegenüber keine Erklärung dazu abgegeben, ob er tatsächlich hinter dem Nutzerprofil steht. Das Gericht bestätigte aber, dass die im Forum einzusehende Mailadresse die damalige des Richters gewesen sei. Zur logischen Schlussfolgerung - ob sich Richter Fuchs also tatsächlich selbst eingeloggt hatte - antwortete das Gericht: "Zu dieser Frage liegen uns bislang keine Erkenntnisse vor. Ihr wird ggf. im Rahmen des eingeleiteten Disziplinarverfahrens nachzugehen sein."

Ministerin "erschüttert" über Vorwürfe - Linke fordert Suspendierung

Solange nicht klar ist, ob sich die Vorwürfe in einer gerichtsverwertbaren Weise bestätigen, will sich auch Thüringens Justizministerium nicht final äußern. Das teilte das Haus dem MDR mit. Ministerin Doreen Denstädt (Grüne) hatte nach Bekanntwerden der ersten Hinweise erklärt, "die Vorwürfe betreffend des außerdienstlichen Verhaltens mit Irritation und Erschütterung zur Kenntnis genommen" zu haben.

Katharina König-Preuss, Sprecherin für Migrationspolitik der Linke im Thüringer Landtag hatte zuletzt die Suspendierung des Richters gefordert. Die Vorwürfe "führen zu einem weiteren Vertrauensverlust und lassen deutliche Zweifel an der Eignung für die richterliche Tätigkeit - nicht nur im Bereich von Asylverfahren - aufkommen."

Bereits im Winter hatte der MDR berichtet, dass Richter Fuchs auffallend selten Klagen gegen abgelehnte Asylbescheide afrikanischer Asylbewerber stattgibt. Seine Ablehnungsquote lag teils deutlich über den von Richterinnen und Richtern im Bundesschnitt.

MDR (dst)

Dieses Thema im Programm: ARD Audio | Deutschlandfunk - DLF Magazin | 01. August 2024 | 19:45 Uhr

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