Vertrag nicht verlängert Gymnasium Rutheneum in Gera kämpft um Schulsozialarbeiterin
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Seit Februar 2020 war Melanie Gebhardt am ältesten Gymnasium in Gera, dem Rutheneum, als Schulsozialarbeiterin beschäftigt. Doch jetzt hat ihr Arbeitgeber, der Verein "Streetwork", den Vertrag mit ihr nicht verlängert. Über die Gründe schweigt sich der Verein aus. Schüler und Lehrer-Kollegium wollen die Entscheidung nicht akzeptieren.
Der Raum ist verwaist, der Schreibtisch schon leer geräumt. Melanie Gebhardt ist ratlos: Am 30. November hat sie erfahren, dass ihr Vertrag mit dem Verein "Streetwork" als Schulsozialarbeiterin am Rutheneum nicht verlängert wird. Eigentlich lief das Abkommen bis Ende des Jahres, doch der Verein hat seine Mitarbeiterin schon ab dem 1. Dezember freigestellt. Einen Grund dafür, dass ihr Vertrag nicht verlängert wurde, kennt sie nicht. "Das Geld für die Stelle ist da, und ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen", sagt Melanie Gebhardt. Sie verstehe das alles nicht.
Das Geld für die Stelle ist da, und ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen. Ich verstehe das alles nicht.
Silva Wallstabe ist die Schulleiterin am Rutheneum. Auch sie hat erst am 30. November erfahren, dass der Verein bald eine neue Mitarbeiterin an das Gymnasium schicken will. Und das auch erst auf Nachfrage, denn es habe nur Gerüchte gegeben. Bei einem Qualitätsgespräch zwischen Schule, Jugendamt und Verein im Sommer wurde die Arbeit von Frau Gebhardt noch gelobt, sie sollte im nächsten Jahr weitermachen, wie die Schulleiterin berichtet.
Warum sich die Meinung des Vereins später änderte? Dazu erhielt MDR THÜRINGEN trotz mehrfacher Nachfrage keine Auskunft - und stattdessen die Aussage, wenn man sich äußern würde, bekäme Frau Gebhardt nirgendwo wieder eine Anstellung. Die ist sich keiner Schuld bewusst, es habe keine Gespräche oder gar eine Abmahnung gegeben. Deshalb hat sie sich mittlerweile einen Anwalt genommen.
Sozialarbeiterin kümmerte sich während des Lockdowns um Schüler
Im Februar 2020 hatte Melanie Gebhardt als erste Schulsozialarbeiterin überhaupt am Gymnasium angefangen. Damals war das Kollegium skeptisch, ob man an der Schule Sozialarbeit brauche. Doch schon bald zeigte sich: Der Bedarf ist größer als angenommen.
Nach kurzer Zeit nutzten die Schüler das Angebot, im geschützten Rahmen mit einer Vertrauensperson zu sprechen. Im März, als der erste Lockdown von Schulschließungen begleitet wurde, nahm das Arbeitspensum zu. Laut Schulleiterin kümmerte sich Melanie Gebhardt gerade um die Schüler, die plötzlich nicht mehr erreichbar waren oder nicht am Distanzunterricht teilnahmen. Sie sei zu den Kindern und Jugendlichen nach Hause gefahren, habe auch mit den Eltern gesprochen, erzählt die Schulleiterin.
Sie fuhr zu den Schülern nach Hause, sprach mit ihnen und ihren Eltern. Ich denke, es war gerade in dieser Zeit, als Frau Gebhardt die Herzen der Schüler gewann.
Vertrauen muss langfristig aufgebaut werden
In Thüringen ist die Schulsozialarbeit eine Leistung der Kinder- und Jugendhilfe. Über 22 Millionen Euro stellt das Land jedes Jahr dafür bereit, aktuell gibt es an 484 Thüringer Schulen Sozialarbeiter. Oft sind sie bei freien Trägern angestellt, die Verträge sind befristet, weil auch die Finanzierung immer an Zeiträume gebunden ist.
In Gera ist der Streetwork e.V. Partner der Stadtverwaltung. Dort will man sich zum konkreten Fall nicht näher äußern. Die Entscheidung des Vereins, den Vertrag mit Melanie Gebhardt nicht zu verlängern, akzeptiert die Verwaltung als Entscheidung des Arbeitgebers. Außerdem sei eine Nachfolgerin ordnungsgemäß ausgeschrieben worden.
Doch im Rutheneum wollen sie davon nichts hören. Schulsozialarbeit erfordere Kontinuität. Vertrauen müsse langfristig aufgebaut werden. Die Schulleiterin fürchtet, dass schon im kommenden Jahr ein neuer Wechsel bevorstehen könnte. Auch Elternsprecherin Katharina Trautmann ist besorgt. "Man kann meiner Meinung nach die Leute nicht austauschen wie Wäsche", sagt sie.
Mir gefällt die Beliebigkeit nicht, mit der da vorgegangen wird. Man kann meiner Meinung nach die Leute nicht austauschen wie Wäsche.
Neue Kollegin ab Januar
Nicht nur bei schulischen Problemen können die Schülerinnen und Schüler zur Sozialarbeiterin kommen. Viele haben auch familiäre Sorgen, etwa, wenn gerade eine Scheidung der Eltern bevorsteht oder der Kontakt zu einem Elternteil schwierig ist. Aufgabe der Sozialarbeiterin ist es dann, Lösungswege aufzuzeigen oder auch Kontakt zu anderen Hilfsangeboten herzustellen.
Die Schüler finden auf verschiedenen Wegen zum Gespräch. Für manche dauert es länger, Vertrauen aufzubauen, andere sind froh darüber, ihr Herz ausschütten zu können.
Ich saß damals mit Frau Gebhardt am Tisch, habe geheult und meine Probleme erzählt. Sie weiß alles von mir.
Ab Januar soll eine neue Kollegin die Sozialarbeit am Rutheneum übernehmen. Doch viele Schüler fürchten den Weg zu ihr. Probleme nochmals vor einer Fremden ausbreiten zu müssen, könnte aus ihrer Sicht auch alte Wunden wieder aufreißen.
Deshalb kämpfen sie um Melanie Gebhardt und wollen sie unbedingt behalten, wenn nötig auch unter einem neuen Träger. Noch aber hoffen sie, dass der "Streetwork"-Verein einlenkt und den Vertrag mit Frau Gebhardt erneuert. Dafür haben sie eine Petition auf den Weg gebracht.
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 13. Dezember 2021 | 19:00 Uhr
thoralf1 vor 23 Wochen
Es ist schon erstaunlich wie meine Generation, die meiner Eltern oder ... ohne Schulsozialarbeitern oder Schulpsychologen groß geworden ist. Und auch diese gesamten Vereine, interkulturell, sozial, politisch gegen links, rechts ..., haben wir nicht vermisst.
Scott951 vor 23 Wochen
meine Güte...so ein Theater...wenn die Schüler Probleme haben die sie nicht alleine lösen können dann wird ihnen auch eine andere Sozialarbeiterin helfen können...ausserdem kann ich mir nicht vorstellen das alle Schüler nur mit dieser einen Sozialarbeiterin reden wollen...wie hier immer gleich für alle gesprochen wird...die meisten kennen sie wahrscheinlich nicht mal...viel Lärm um nichts
mattotaupa vor 23 Wochen
"Warum sollte das mit einer neuen Sozialarbeiterin nicht auch so sein?" sie haben den sinn der schulsozialarbeiterin nicht verstanden. es handelt sich um eine vertrauensperson. die bisherige hat bei null angefangen und sich offensichtlich vertrauen erarbeitet. wenn die nächste person wieder bei null anfangen muß, so geht die arbeit der vorherigen verloren und manch eine(r) hat vielleicht gar keine lust einer größeren anzahl von menschen diverse probleme darzulegen, weil es eben vertrauen erfordert. das ist nicht ein job an der werkbank oder am bankschalter, den morgen auch ein kollege übernehmen kann. "die Schüler gewöhnen sich auch schnell an jemand neuen" gewöhnen, vielleicht. vertrauen ist nicht garantiert. wer so nen batzen probleme mit sich herumträgt, daß er die hilfe dieser person nötig hat, möchte dort nicht ständig jemand neues sitzen sehen, da bunkert er/sie sich lieber ein und probleme werden verdrängt statt abgearbeitet.