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Viel Freude gibt es über die vielen glücklichen Kinder dank der Geschenke bei den Frauen des Greizer Vereins, den Betreuern und vor allem bei den Kindern. Bildrechte: MDR/Franziska Heymann

Hunderte Überraschungen"Hamsterrad durchbrechen": Greizer Verein bringt Farbe in Alltag kranker Kinder

04. Dezember 2022, 17:50 Uhr

Mit einer Familie hatte es angefangen, in diesem Jahr sorgte der Greizer Verein "Viel Farbe im Grau" bei mehr als 200 Kindern für strahlende Augen. Seit zehn Jahren ist der Vereinsname Programm: Die fünf Frauen aus Greiz und ihre fleißigen Helfer aus ganz Deutschland wollen den Alltag schwer kranker Kinder bunter machen.

von Franziska Heymann, MDR THÜRINGEN

Der Kofferraum von Tina Barth ist bis oben hin beladen mit liebevoll verpackten Geschenken. Hier lugt ein Stoffstiefelchen hervor, dort eine kleine Puppe. 40 Kinder werden vom Kinder-Intensivpflegedienst Sonnenblümchen aus Nöbdenitz (Altenburger Land) bis zu 24 Stunden am Tag betreut - und für alle Kinder haben Tina Barth und Ines Knoch vom Vereinsvorstand "Viel Farbe im Grau" etwas dabei.

Annabell und Jakob warten schon sehnsüchtig unterm Weihnachtsbaum in den Räumen des Pflegedienstes. Sie dürfen als erste auspacken. Der vierjährige Jakob wurde mit einem Gendefekt geboren - und schmust gleich mit seinem neuen Strickpüppchen. Seine Augen leuchten.

Das wird Annabells erste Klassenfahrt.

Kristin Schaller | Leiterin des Betreuerteams von Annabell

Ina Barth hilft Annabell beim Auspacken und überrascht dann noch mit einer Spende für Annabells erste Klassenfahrt. Bildrechte: MDR/Franziska Heymann

Annabell traut sich erst gar nicht, ihr Geschenk aufzureißen - und ist dann ganz aus dem Häuschen angesichts eines Disney-Prinzessinnen-Schlosses. "Meins, alles meins!" Annabell strahlt wie ein Honigkuchenpferd und kann es gar nicht fassen. Und Tina Barth hat noch eine Überraschung: "Wir möchten, dass du nächstes Jahr unbedingt mit auf Klassenfahrt fährst und deshalb bezahlen wir dir das."

Päckchen von Erfurt bis Westsachsen

Barth und ihre Mitstreiterinnen kennen die 13-Jährige schon lange. Das Mädchen leidet unter einer angeborenen Erkrankung des Nervensystems, benötigt einen Atemschrittmacher - und wie Jakob Rund-um-die-Uhr-Betreuung. Eine Klassenfahrt mit Betreuern ist teuer und eigentlich nicht drin im Budget. "Das wird Annabells erste Klassenfahrt. Nach Weimar geht es", erzählt Kristin Schaller, Leiterin des Betreuerteams Annabell, sichtlich gerührt.

Auch die Frauen vom Verein haben Gänsehaut. "Gerade an den persönlichen Übergaben, da hängen wir länger dran. Auf der Hinfahrt plappern wir häufig noch, auf den Rückfahrten kommt es vor, dass keiner was sagt und nach zwei, drei Tagen kommt ein Anruf: Wie geht es dir?", erzählt Ines Knoch. Den Vereinsmitgliedern sei klar, dass sie nicht heilen könnten. "Wir sind keine Ärzte und Therapeuten. Aber wenn unsere bunten Überraschungspakete zu den Kindern nach Hause oder in die Klinik kommen und ihnen den Alltag verschönern und sie sehen, da denkt jemand an mich, dann ist das eine lohnende Sache." Von Erfurt bis Westsachsen - bis zum Weihnachtsfest werden die Mitarbeiter des Pflegedienstes alle Päckchen unter ihren Schützlingen verteilen.

Im Doppelpack nähen Irene Schneider (links) und Michelle Thie (rechts). Bildrechte: MDR/Franziska Heymann

Überraschungspakete für über 200 schwerkranke Kinder

Drei Pflegedienste und mehrere Krankenhäuser in ganz Deutschland haben in diesem Jahr bunte Post aus Greiz erhalten. Das kleine Lager im Kulturhaus 10arium in Greiz ist vollgestopft mit meterlangen Regalen. Unzählige Kisten voller genähter Mützen und Schals, Osterkörbchen und Einkaufsbeuteln, Decken und Kuschelkissen, Püppchen und Kuschelfreunden, Spielkartenhaltern, aber auch bunten Kathederbeuteln stapeln sich dort bis unter die Decke. Davor steht der letzte Berg mit Spielzeug.

Rund 60 Geschenkpapierrollen wurden in den vergangenen Wochen verwickelt. Die Wichtelwerkstatt des Vereins "Viel Farbe im Grau" lässt wohl selbst den Weihnachtsmann neidisch werden. "Da gehen wir natürlich nach den eigenen Befindlichkeiten. Wo würde ich mich freuen oder was würde ich für meine Kinder auswählen? Damit die Kinder wirklich sehen, das ist mit Liebe gepackt. Wir wollen Freude machen", erzählt Ina Glagau.

Das ging weiter mit fünf, zehn, fünfzehn Kindern und dann konnten wir nicht aufhören.

Ines Koch über den Beginn der Arbeit im Verein "Viel Farbe im Grau"

Ina Barth zeigt eine Kiste mit Nikolausstiefeln für das Klinikum Greifswald. Bildrechte: MDR/Franziska Heymann

Entstanden war der Verein 2012 aus einer Hilfsaktion für eine befreundete Familie, erzählt Ines Knoch. Im vergangenen Jahr waren es schon mehr als 60, in diesem Jahr über 200 schwerkranke Kinder, die bunte Überraschungspakete bekamen und denen besondere Wünsche erfüllt wurden. Auf einen Hilferuf hin meldeten sich sogar fleißige Wichtel aus Stadtroda, die in Greiz Geschenke verpackten.

Neben dem Lager rattern die Nähmaschinen. Endlich finden wieder Nähcafés statt. Vier Frauen nähen sogenannte Fühldecken. Jedes der 16 Deckenquadrate besteht aus einem anderen Stoff oder einer anderen Form. Gut geeignet gerade für bettlägerige Kinder. "Wenn die Kinder sich in ihren weißen Krankenbetten freuen, ist das schön", sagt Ruth Loos und näht die nächsten Dreiecke an.

Irene Schneider und Michelle Thie sind froh, dass die eigenen Enkel und Kinder gesund sind und sie anderen mit ihrer ehrenamtlichen Näharbeit Freude bringen können. "Wenn Kinder Freude haben im monotonen Alltag und dass es jemand in der Hand hat, der es nicht in die Ecke wirft und das Geschenk schätzt, das ist schön", sagt die dreifache Mutter Michelle Thie.

Pflegedienstleiterin Madeleine Zeidler hat den kleinen Jakob auf dem Arm. "Schön, wenn auch jemand an diese Kinder denkt." Bildrechte: MDR/Franziska Heymann

Hunderte ehrenamtliche Näherinnen arbeiten für Verein

Über die sozialen Medien organisiert der Verein rund 450 ehrenamtliche Näherinnen in ganz Deutschland, die Kuschelhelden, Kissen und Decken, aber auch Klammersäcke, Mützen, Schals und Socken herstellen. Das meiste wird an Kinder verschenkt, manches wird auf Märkten verkauft. "Vorrangig finanzieren wir uns aber über Spenden", erzählt Tina Barth.

Viel Freizeit verbringen die fünf Frauen aus dem Vereinsvorstand im 10arium. Über jeden Wunsch wird beraten und abgestimmt. Denn nicht nur zu Weihnachten werden beim Greizer "Verein des Jahres" Wünsche wahr - das ganze Jahr über können sich Kinder oder deren Eltern an die Greizerinnen wenden. "Nur einen Wunsch konnten wir in den ganzen Jahren nicht erfüllen: ein Rollstuhl-Trampolin für den Garten. Das hat uns schon gewurmt", erzählt Ines Koch, während sie das nächste Bauset in Mickey-Maus-Papier einwickelt.

Doch in diesem Jahr, zum zehnjährigen Bestehen, ging auch dieser Wunsch leicht abgeändert in Erfüllung. "Für zwei Kinder ein Trampolin in den Garten zu bauen, ist natürlich viel zu teuer. Aber wir wollten auch unserer Stadt etwas Gutes tun und haben für einen Spielplatz ein solches Rollstuhl-Trampolin gesponsert", sagt Koch.

Wir helfen gern und wir wollen Freude machen - diese Aussage hört man immer wieder von den Greizerinnen. "Jeder weiß, wie lang Tage im Krankenhaus sein können oder mit einem kranken Kind zu Hause. Und dann platzt da unverhofft unser Paket rein und bringt ein kleines bisschen Freude, durchbricht das Hamsterrad. Das ist ein schöner Gedanke", sagt Ina Glagau, "und solange wir es schaffen können, machen wir weiter." Und sollten es im nächsten Jahr noch mehr Kinder werden? "Dann holen wir uns wieder Hilfe, da lassen wir uns was einfallen!"

Es war nicht leicht, um Hilfe zu bitten.

Sindy Langner | Mutter von Shania

Shania sitzt mit Ines Knoch unter ihrem neuen Hochbett. Dort ist nun endlich wieder Platz zum Spielen. Bildrechte: MDR/Franziska Heymann

Vor wenigen Wochen erst trudelte ein Brief eines Mädchens in Greiz ein. Shania war 2020 an Knochenkrebs erkrankt und musste sich von ihrem geliebten Hochbett trennen. Ihr sehnlichster Wunsch: Wieder Platz zum Spielen im Zimmer. Und so bat die Zehnjährige beim Verein um ein prothesengerechtes Hochbett mit Stufen.

Stolz zeigt Shania Ines Knoch und Tina Barth ihr neues Hochbett, klettert flink die Stufen hinauf und strahlt von oben herab, umgeben von Dutzenden Kuscheltieren. "Es war nicht leicht, um Hilfe zu bitten", gibt Shanias Mutter Sindy Langner zu, "aber ohne die Hilfe des Vereins wäre so ein Bett so schnell nicht drin gewesen". Rund 20 solcher besonderen Wünsche hat der Verein in diesem Jahr erfüllen können und so sicher schon zahlreiche Augen zum Leuchten gebracht.

MDR (rom)

Wie Vereine und Initiativen helfen

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 04. Dezember 2022 | 19:00 Uhr

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