Jena und Eisenberg Unabhängig bei der Energieversorgung: Wie zwei Kommunen die Zukunft des Heizens planen
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27. November 2024, 05:00 Uhr
Schwankende Energiepreise und der Klimawandel: Für Kommunen gibt es viele Gründe, energieautonom zu werden. Wärme und Strom sollen künftig aus der Sonne und aus Biogas gewonnen werden – und außerdem aus einem Fluss.
- Jena setzt bei der Energiegewinnung auch auf Saalewasser.
- Energie soll auch aus dem Klärwerk kommen.
- In Eisenberg sollen Stadtteilkonzepte als Blaupause dienen.
Müffelndes Abwasser blubbert im zentralen Klärwerk von Jena. Das Wasser hier hat ganzjährig eine Temperatur zwischen 7 und 21 Grad Celsius. Wärme, die die Stadtwerke nutzen wollen, um perspektivisch den Norden von Jena zu versorgen.
Die Klärbecken sollen dafür mit einer Großwärmepumpe kombiniert werden. Bestenfalls könnte hier ab 2026 umgebaut werden. "Und das ist eigentlich einer der Kernpunkte neben dem ganzen Thema Klimaschutz – dass es uns gelingt, hier unabhängiger zu sein durch Energiequellen wie Abwasser", sagt André Sack. Er ist Geschäftsführer der Stadtwerke Energie Jena-Pößneck. Man werde immer genau schauen müssen, welche Variante gerade sinnvoll sei, sagt Sack.
Jena setzt bei Energieversorgung auf die Saale
In Jena spielt Fernwärme eine große Rolle: 56 Prozent der Haushalte werden so mit Wärme versorgt. Derzeit wird die Wärme fast komplett mit Gas erzeugt, doch das soll sich ändern.
Neben der Abwasserwärme setzt Jena für die Energieversorgung ab 2040 unter anderem auch auf Biogas, Solarthermie, Wasserstoff und Flussthermie. Aus der Saale, die durch Jena fließt, soll voraussichtlich am Kraftwerk Winzerla Wasser entnommen und dessen Wärme über eine Großwärmepumpe im Kraftwerk dann nutzbar gemacht werden. Bis zu 50 Prozent des Wärmebedarfs in Jena sollen Schätzungen zufolge über den Fluss gedeckt werden.
Eine Idee, auf die man schon eher hätte kommen können, aber: "Es ist am Ende ein Kostenfaktor – und Erdgas und viele fossile Energieträger waren in den letzten Jahrzehnten einfach unglaublich günstig", sagt Stadtwerke-Geschäftsführer Sack. Bisher sei Versorgungssicherheit nie ein Thema gewesen, weil Energie immer verfügbar gewesen sei. Deshalb sei das nie in Frage gestellt worden.
Neben Flussthermie soll Wärme vor allem durch Wasserstoff erzeugt werden, ein Drittel der Energie soll dadurch geliefert werden. Ein ambitionierter Plan, denn noch ist aus erneuerbaren Energien erzeugter Wasserstoff kaum verfügbar.
Jena will weg von fossilen Energieträgern
Derzeit wird in Jena noch an der kommunalen Wärmeplanung gefeilt. Anfang kommenden Jahres soll sie auf dem Tisch liegen.
Weg von fossilen Energieträgern und geopolitischen Abhängigkeiten – so laute das Credo der Stadt, erklärt Klimaschutzkoordinator Kevin Muschalle-Momberg. "Wir müssen versuchen, unsere Energieversorgung selber auf die Beine zu stellen. Und genau das ist das Ziel der kommunalen Wärmeplanung." Es gelte, Energiequellen zu finden, die vor Ort verfügbar seien: "Flussthermie, Geothermie, Solarthermie, Abwasserwärmenutzung." An all diesen Themen sei man dran.
Energieexperte: Schuldenbremse aufheben für Ausbau regenerativer Energie
Ein Plan, den Fachleute für einigermaßen realistisch halten. Was das alles kosten soll, ist noch offen. Auch wie genau die Finanzierung aussehen wird. Klar ist: Jena wird Unterstützung brauchen von Land und Bund. Volker Quaschning, Experte für Regenerative Energiesysteme, plädiert dafür, die Schuldenbremse zu lockern.
"Der Vorteil ist, wenn wir jetzt Geld aufnehmen, auch durchaus als Schulden, dann haben wir sehr schnell eine klimaneutrale Energieversorgung – und vor allen Dingen eine unabhängige", sagt Quaschning. Wenn man auf heimische Energieträger, die Solar,- die Windenergie, die Wärmepumpe setze, dann sei man sowohl von den weltweiten Verwerfungen unabhängig als auch vom internationalen Gasmarkt und dem Wasserstoff, den Deutschland zum Großteil importieren müsse.
Eisenberg: Zwei Stadtteile als Blaupause für die Energieversorgung
Etwas weiter östlich, an der Grenze zu Sachsen-Anhalt liegt Eisenberg. Die Stadt mit rund 11.000 Einwohnern ist deutlich kleiner als Jena, muss ihre Energieversorgung mittelfristig aber ebenfalls umstellen. Der Plan der Eisenberger sieht folgendermaßen aus: Anhand der zwei Stadtteile Kursdorf und Eisenberg-West wurde exemplarisch untersucht, wie die künftige Energieversorgung aussehen könnte. Und wie sich die Quartiere angesichts des Klimawandels anpassen müssen.
Michael Kieslich ist Bürgermeister von Eisenberg. Er sagt, mit der Auswahl der unterschiedlichen Quartiere sei ein eher städtisch geprägtes Viertel und ein Viertel mit dörflichem Charakter dabei. "Wir habe diese Differenzierung vorgenommen, um am Ende die Blaupause für das gesamte Stadtgebiet zu haben." Untersucht wurde etwa, wie der Energieverbrauch aussieht und welche Gebäudearten es in den Vierteln gibt.
Aus den gesammelten Daten entstand dann ein "Integriertes Energetisches Quartierskonzept". Heißt konkret: Es gab Vorschläge zur Energieeinsparung, Gebäudeoptimierung und dazu, wie künftig erneuerbare Energien erzeugt werden können.
Weg vom Heizen mit Öl und Kohle
In Kursdorf etwa sei die künftige Energieversorgung eine große Herausforderung, sagt Bürgermeister Kieslich. Denn dort würde zum Teil noch mit Öl und Kohle geheizt. "Und hier ist es natürlich auch im Interesse der Bürgerschaft, frühzeitig zu wissen, welche Alternativen zur Verfügung stehen." Das sei auch in den Beteiligungsformaten für die Bevölkerung so gespiegelt worden. "Und deswegen ist dieser Weg aus meiner Sicht auch wichtig", sagte Bürgermeister Kieslich.
Eisenberg ist eine Kommune wie viele in Deutschland: Eine kleine Stadt mit teilweise ländlich geprägten Ortsteilen. Künftig soll die Gemeinde unabhängiger sein von schwankenden Energiekosten. Und es soll weniger klimaschädliches CO2 ausgestoßen werden.
Bei der "EnergieWerkStadt", dem beteiligen Planungsbüro, sieht man, dass sich bei dem Thema auch im ländlichen Raum etwas bewege. "Es ist tatsächlich so, dass ein Einstellungswechsel stattgefunden hat", sagt Geschäftsführer Kersten Roselt. "Wir bemerken das großflächig, auch gerade im ländlichen Raum, wo es oft eine neue Bürgermeistergeneration gibt. Wo also nicht mehr die Bürgermeister agieren, die noch aus der Zeit nach der Wende stammen, sondern wo junge Leute bereit sind, Verantwortung zu übernehmen." Die Dorfgemeinschaften merkten selbst eher als in der Stadt, dass es einen Klimawandel tatsächlich gebe, sagt Roselt.
Eisenberg will Bürger stark miteinbeziehen
Eisenberg setzt stark auf Bürgerbeteiligung. Es gab eine Reihe von Infoveranstaltungen. Allerdings: Der Umbau der Energieversorgung in der Stadt wird sich noch jahrelang hinziehen. Die Quartierskonzepte sollen nun als Grundlage für weitere Stadtteile dienen, nötig sind also weitere Untersuchungen und letztlich Entscheidungen des Stadtrats. Bürgermeister Kieslich wird den Umbau noch eine ganze Weile mitbegleiten. Gerade wurde er bis 2030 wiedergewählt.
Auch Jena hat bei der Umstellung der Energieversorgung noch einen langen Weg vor sich. Doch irgendwann müsse man eben mal anfangen, sagt André Sack von den Jenaer Stadtwerken. Damit die Moderne Einzug hält in der Energieversorgung der Stadt.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 27. November 2024 | 21:45 Uhr
Nudel81 vor 1 Wochen
ElBuffo: Wer schlägt bei seinen Nachbarn alles kurz und klein? Russland oder Israel? In der Wirtschaft ist ein großer Stellenabbau in Fahrt gekommen wegen zu hoher Energiekosten.
ABER natürlich wird die deutsche Wirtschaft ab Februar 2025 wieder boomen! (IRONIE off)
ElBuffo vor 1 Wochen
Tja, darum ging es nun im Artikel vorwiegend. Dafür braucht es also kein Backup, sondern nur noch für den Anteil, den man aus PV- und WKA bezieht. Der Fernwärmeerzeuger in Jena ist doch jetzt nicht zum Nichtstun verpflichtet, weil jetzt noch kein komplettes Backup für den aktuellen Energieverbrauch dasteht. Ganz im Gegentum trägt doch die Nutzung vorhandener Wärme dazu bei, dass das Backup kleiner ausfallen kann. Was man tut, wenn nicht mehr genug Wasser im Fluss ist, kann man sich ja mal in Frankreich bei den AKW-Betreibern schlau machen
ElBuffo vor 1 Wochen
So ein oller Backofen ist auch nur ein Wärmespeicher und geheizt und gekühlt wird auch schon länger. So grundsätzlich neu ist das nicht. Ein gut gedämmtes Haus speichert auch mehr als ein schlecht gedämmtes. Nur weil etwas bekannt ist, muss es ja nicht massenhaft vertreten sein. War eben bisher billiger zum Fenster raus zu heizen bzw. hat jemand anderes die volle Rechnung bezahlt.