Schloss thront über Ortschaft.
In Hirschberg im Saale-Orla-Kreis wird ein neues Stadtoberhaupt gesucht. Doch auch bei der Neuwahl gibt es keine Kandidaten. (Archivbild) Bildrechte: MDR/Hendrik Sachs

Saale-Orla-Kreis Niemand will es machen: Hirschberg hält Bürgermeisterwahl ohne Kandidaten ab

13. Oktober 2024, 17:19 Uhr

Seit Juli hat Hirschberg keinen Bürgermeister mehr. Am Sonntag stehen nun Neuwahlen an. Doch die Geschichte von der Kommunalwahl im Mai scheint sich zu wiederholen. Denn auch jetzt gibt es keine Kandidaten. Das liegt vor allem an viel Arbeit - und wenig Geld.

Hirschberg liegt ganz im Süden des Saale-Orla-Kreises, zwischen Autobahn 9 und dem kleinen Dorf Mödlareuth, bekannt für sein Deutsch-Deutsches Grenzmuseum. Rund 2.100 Menschen leben in Hirschberg und den dazu gehörenden Ortsteilen. Von hier ist man schnell am Bleilochstausee oder auf Wanderwegen durch die Natur. Bekannt war Hirschberg bis Anfang der 1990er-Jahre vor allem für seine Lederfabrik.

Wie der erste Wahldurchgang in Hirschberg ausgegangen ist, erfahren Sie hier.

Heute gibt es in Hirschberg ein Museum für Stadt- und Gerbereigeschichte. Zur Stadt gehört ein Schloss, es gibt ein Kulturhaus und einen Park. Bis 1994 war der Bahnhof in Hirschberg in Betrieb. Seit 1990 hatte die Stadt einen Bürgermeister. Sein Name: Rüdiger Wohl (SPD). Er leitete die Geschicke der Stadt mehr als 30 Jahre lang - zuerst hauptberuflich, ab 2012 dann im Ehrenamt. Bis zum Sommer 2024, als er sich aus dem Rathaus in den Ruhestand verabschiedete.

Keine Kandidaten für die Wahl im Mai

Zur Bürgermeisterwahl am 26. Mai 2024 trat Rüdiger Wohl deshalb nicht wieder an. Doch nicht nur er stand nicht mehr zur Wahl. Es wurden auch keine anderen Wahlvorschläge eingereicht, und damit gab es keine Kandidaten. Stattdessen mussten die 1.743 wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger ihre Namensvorschläge auf die Stimmzettel schreiben.

Knapp 80 Namen schrieben die Wähler und Wählerinnen auf. Die meisten Stimmen gingen an Ronald Schricker und Benjamin Lill (bis zur Wahl stellvertretender Bürgermeister). Da keiner eine absolute Mehrheit hatte, folgte am 9. Juni die Stichwahl - und die konnte Schricker dann gewinnen.

Schricker aber nahm die Wahl nach einer Woche Bedenkzeit nicht an. Die erste Beigeordnete Patricia Duch leitet das Amt des Bürgermeisters seitdem in Vertretung. Am 13. Oktober sollen Neuwahlen stattfinden. Doch wie bei der ersten Wahl gibt es wieder keinen Kandidaten.

Woran aber liegt es, dass sich in Hirschberg niemand zur Bürgermeisterwahl aufstellen will?

Ronald Schricker jedenfalls lehnte die Wahl aus zwei Gründen ab. Zum einen weil er in der Stadtverwaltung im Bereich Kultur arbeitet. Für den ehrenamtlichen Bürgermeisterposten hätte er seinen bisherigen Job im Rathaus kündigen müssen - so gibt es das Thüringer Kommunalrecht vor. Diesen Schritt wollte Schricker aber nicht gehen, sagte er MDR THÜRINGEN. In der einwöchigen Bedenkzeit nach der Stichwahl habe er keine neue Stelle gefunden.

1.600 Euro Aufwandsentschädigung zum Leben zu wenig

Aber auch die monatliche Aufwandsentschädigung für das Bürgermeisteramt habe ihn zu seiner Entscheidung bewogen, so Schricker. Diese sei mit rund 1.600 Euro zu niedrig, um davon zu leben. Zumal das Amt des Bürgermeisters zwar ehrenamtlich sei, aber Hirschberg eine eigene Stadtverwaltung mit 30 Mitarbeitern habe. Damit ist der Arbeitsaufwand aus Sicht von Schricker genauso hoch wie bei einem hauptamtlichen Bürgermeister.

Die bei der Wahl im Mai gewählte erste Beigeordnete des Bürgermeisters, Patricia Duch (BBH), hat sich aus persönlichen Gründen nicht zur Neuwahl am 13. Oktober gestellt. Auch sie sagte, sie könne von der Aufwandsentschädigung allein nicht leben und möchte ihren festen Job dafür nicht aufgeben.

Andere Kandidaten gibt es auch diesmal wieder nicht. Somit müssten die Wähler am 13. Oktober erneut ihre Wunschkandidaten auf die Stimmzettel schreiben. Und es bleibt offen, ob sich dann jemand findet, der ehrenamtlich das Amt des Bürgermeisters übernimmt und Hirschberg aus der Führungskrise rettet.

Klar ist: Es ist keine leichte Aufgabe, die da zu meistern sein wird. Denn nicht nur die Verwaltung muss geführt werden, sondern auch die Stadtkassen sind leer. Hirschberg befindet sich in der Haushaltskonsolidierung. Gleichzeitig stehen wichtige Themen auf der Agenda. Zum Beispiel die Sanierung der maroden Saalebrücke zwischen Hirschberg und Berg in Bayern.

Wichtige Themen auf der Agenda

Die Brücke gilt in der Region als wichtige Verkehrsverbindung zwischen Thüringen und Bayern. Sie gehört zu zwei Dritteln der Gemeinde Hirschberg und zu einem Drittel der bayerischen Nachbargemeinde Berg. Nach einem Gutachten hatten beide Gemeinden die Holzbrücke wegen ihres schlechten baulichen Zustands Mitte August für Autofahrer gesperrt.

Saalebrücke in Sparnberg
Die Saalebrücke zwischen Hirschberg und der bayerischen Gemeinde Berg ist derzeit gesperrt. (Archivbild) Bildrechte: IMAGO / Dreamstime

Nach dem Brückeneinsturz in Dresden entschlossen sich Hirschberg und Berg, die Brücke auch für Fußgänger und Radfahrer zu schließen. Ob die Brücke repariert werden kann, ist wegen der schwierigen Haushaltslage von Hirschberg derzeit unklar. Wie Patricia Duch MDR THÜRINGEN sagte, können für einen Neubau zwar Fördermittel beantragt werden. Hirschberg habe aber nicht genug Geld, um den Eigenanteil zu stemmen. Eine neue Brücke würde rund 1,7 Millionen Euro kosten. Derzeit werde noch geprüft, ob eine Sanierung günstiger sei.

Eine dritte Wahl wird es nicht geben

Große Aufgaben also für einen künftigen Bürgermeister. Falls sich dieser nicht bei der Stichwahl findet, da der gewählte Kandidat das Amt erneut ablehnt, wird es laut dem Landratsamt des Saale-Orla-Kreises in diesem Jahr keine dritte Bürgermeisterwahl geben. Somit würde die Erste Beigeordnete Patricia Duch weiterhin kommissarisch übernehmen.

Sollte sie ihr Amt wiederum aufgeben oder abgewählt werden, gebe es noch einen weiteren Stellvertreter, der das Amt übernehmen könnte. Als letzte Möglichkeit kann die Kommunalaufsicht des Landratsamtes einen staatlichen Beauftragten bestellen, der das Amt ausübt.

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MDR (cfr)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 10. Oktober 2024 | 18:00 Uhr

60 Kommentare

Deutscher_Patriot vor 2 Wochen

(Keine Ironie)
@ T O: In dem Artikel heißt es ja, das Bürgermeisteramt in dieser Gemeinde sei praktisch ein Vollzeitberuf, den man nicht nebenbei zu seinem Erwerbsberuf schaffen könne.
Der vorherherige Bürgermeister hat es nur gemacht, weil er als Rentner sich das Ehrenamt finanziell leisten konnte.

Die 1. Beigeordnete, die es jetzt vorrübergehend macht, wird doch wohl auch noch einen Erwerbsberuf haben? Dann würde sie es ja vermutlich auch nicht auf Dauer schaffen, das Bürgermeisteramt mit ihrem Erwerbsberuf zeitlich zu vereinbaren.

Der MDR hat nun geschrieben, im "Notfall" würde von der Kommunalaufsicht jemand für das Bürgermeisteramt eingesetzt werden. Würde er aber auch nur die Ehrenamts-Aufwandsentschädigung erhalten?
Oder ein reguläres Gehalt?
Und aus welchem Topf (Gemeinde oder aber Kommunalaufsicht) würde das bezahlt werden?

Was passiert eigentlich, wenn in den Dörfern und Gemeinden die Leute nicht mehr für Ämter in der Kommunalpolitik kandidieren?

Thueringer Original vor 3 Wochen

Dann übernimmt, sofern es ihn gibt, der 2. Beigeordnete und es wird ein 1. Beigeordneter durch den Gemeinderat/Stadtrat aus seiner Mitte gewählt. Die Kommunalaufsicht wird sich schon was überlegen müssen, wenn die Wahl mehrfach erfolglos bleibt. Hierzu könnte ja der MDR mal seiner Informationspflicht nachkommen und dazu bei der Kommunalaufsicht anfragen.

Deutscher_Patriot vor 3 Wochen

Und was ist, wenn die auch keine Lust mehr hat und zurück tritt?
Wenn es auch sonst keiner machen will?
Vor allem, wenn das ehrenamtlich Bürgemeisteramt in dieser Gemeinde anscheinend so aufwändig ist, dass mam es kaum mal so nebenher neben dem Beruf machen kann?

Wird dann ein Bürgermeister von Amts wegen zwangsweise eingesetzt?

(Keine Ironie)

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