Das südliche Ortseingangsschild von Paska
Paska hat 93 Einwohner und liegt im Saale-Orla-Kreis. Zur Thüringer Landtagswahl am 1. September 2024 wird es für das Dorf kein eigenes Ergebnis mehr geben. Bildrechte: MDR/Andreas Kehrer

Auch "AfD-Hochburg" betroffen Warum Paska und einige andere Dörfer keine Wahlzettel mehr auszählen

24. August 2024, 10:47 Uhr

Mindestens elf kleine Thüringer Gemeinden werden zur Landtagswahl am 1. September 2024 keine Wahlzettel selbst auszählen und folglich kein eigenes Wahlergebnis veröffentlichen. Betroffen ist auch das Dorf Paska, das 2019 als Thüringer "AfD-Hochburg" bekannt wurde. Der Grund dafür ist eine bisher kaum beachtete Änderung der Thüringer Kommunalwahlordnung, die die Stimmen kleiner Gemeinden zusammenfasst.


Die Landtagswahl 2024 ist noch nicht ausgezählt, da steht das erste Ergebnis schon fest: Paska ist nicht mehr Thüringens "AfD-Hochburg". Zumindest nicht, wenn man diese Zuschreibung am Wahlergebnis festmacht, wie es zur Landtagswahl 2019 passiert ist.

Damals reisten Pressevertreter aus ganz Deutschland in das kleine Dorf im Saale-Orla-Kreis, um herauszufinden, warum 62,7 Prozent der Wähler hier ihr Kreuz bei der AfD gesetzt hatten. Es war der landesweit höchste Wert für die damals noch häufig als rechtspopulistisch beschriebene Partei um Björn Höcke, die inzwischen als gesichert rechtsextrem gilt.

Im Herbst 2024 wird die Medienkarawane wohl durch ein anderes Dorf ziehen müssen, denn am 1. September wird es für Paska kein eigenes Wahlergebnis mehr geben. Und nicht nur in Paska; auch in der nicht mal drei Kilometer weit entfernten Nachbargemeinde Moxa, die 2023 einen AfD-Bürgermeister wählte, werden keine Stimmen ausgezählt. Mit Wahlbetrug oder einer parteipolitischen Schikane gegen die AfD hat das jedoch nichts zu tun.

Wahlgeheimnis muss gewahrt bleiben

Vielmehr geht es um eine bisher wenig beachtete Änderung der Thüringer Kommunalwahlordnung im Juli 2021. Die Landesregierung legte in Paragraf 63 fest, dass Wahlbezirke, in denen "weniger als 50 Wähler ihre Stimme abgegeben haben", das Wahlergebnis nicht mehr selbst auszählen dürfen. "Die Wahlbriefe werden dann in den nächstgrößeren Ort gebracht und dort mit den Ergebnissen des Ortes vermischt", erklärt Holger Poppenhäger, der Thüringer Landeswahlleiter. "Das hat den Hintergrund, dass natürlich auch das Wahlgeheimnis gewahrt bleiben soll."

Das hat den Hintergrund, dass natürlich auch das Wahlgeheimnis gewahrt bleiben soll.

Landeswahlleiter Holger Poppenhäger zur neuen Regelung

Bei kleinen Gemeinden, in denen sich die Einwohner häufig gut kennen - so die Sorge der Landesregierung - sei es denkbar, dass aufmerksame Wahlhelfer das Votum einzelner Stimmzettel ihren Nachbarn zuordnen könnten und das Wahlgeheimnis nicht gewahrt bliebe.

Poppenhäger verweist darauf, dass Wahlbezirke normalerweise nach der Thüringer Landeswahlordnung bis zu 1.500 Einwohner haben. "Das ist sozusagen die Regel für die Größe eines Wahlbezirks. Und da sind eben unter 100 Wähler schon sehr geringe Zahlen."

Mindestens elf Dörfer ohne Wahlergebnis bei Thüringer Landtagswahl

Von der neuen Regelung - die eigentlich schon drei Jahre alt ist - sind bei der Landtagswahl 2024 elf Dörfer betroffen, die sich bereits in Absprache mit dem jeweiligen Kreiswahlleiter und ihren Nachbargemeinden geeinigt haben, die Stimmen gemeinsam auszuzählen. Das sind die Gemeinden:

  • Dieterode (Eichsfeld)
  • Hallungen (Unstrut-Hainich-Kreis)
  • Hirschfeld (Greiz)
  • Keila (Saale-Orla-Kreis)
  • Kleinbockedra (Saale-Holzland-Kreis)
  • Moxa (Saale-Orla-Kreis)
  • Rattelsdorf (Saale-Holzland-Kreis)
  • Paska (Saale-Orla-Kreis)
  • Schmorda (Saale-Orla-Kreis)
  • Schwaara (Greiz)
  • Seisla (Saale-Orla-Kreis)

"Es kann aber sein, dass sich am Wahlabend herausstellt, dass es noch eine Reihe anderer Gemeinden betrifft", erklärt Poppenhäger. Laut dem Thüringer Landesamt für Statistik gibt es noch 13 weitere Orte mit weniger als 100 Wahlberechtigten, bei denen die Grenze von 50 abgegebenen Stimmen unterschritten werden könnte und die dann am Wahlabend in eine andere Gemeinde überführt werden müssten.

Bei der Briefwahl schon länger Praxis

Poppenhäger verweist darauf, dass die "neue" Verordnung schon bei der Bundestagswahl 2021 und bei der Europawahl 2024 zur Anwendung kam und "zu keinerlei Problemen" geführt habe. In der Wahlstatistik werden die Wahlgemeinschaften entsprechend kenntlich gemacht. Bei der Europawahl 2024 führte die Statistik etwa den Wahlbezirk 75127 als "Ziegenrück, Stadt / Keila / Paska". Sämtliche abgegebenen Stimmen aus Ziegenrück, Keila und Paska wurden hier also zusammengezählt.

 Stimmzettelumschläge für die Briefwahl zum zweiten Wahlgang für die Oberbürgermeisterwahl werden zur Prüfung der Gültigkeit im Briefwahlzentrum im Beruflichen Schulzentrum für Elektrotechnik aus einer Wahlurne geschüttet.
Gibt es in einem Wahlbezirk weniger als 50 abgegebene Stimmzettel, müssen diese Stimmen zur Thüringer Landtagswahl in einem Wahlbezirk mit ausgezählt werden. Bildrechte: picture alliance/dpa | Robert Michael

Diese Form der kumulierten Auszählung ist in Thüringen übrigens nichts Neues. Bei der Briefwahl gibt es das schon länger. Das Thüringer Landeswahlgesetz besagt, dass der Kreiswahlleiter den Einsatz von Briefwahlvorständen im Wahlkreis selbst bestimmt und sie auch für mehrere Gemeinden einsetzen kann. Genau das passierte 2019 auch mit den Briefwahlstimmen der "AfD-Hochburg" Paska. Diese wurden nämlich schon damals in der Verwaltungsgemeinschaft Ziegenrück ausgezählt.

Das hätte das Stimmenverhältnis des Ergebnisses vor Ort zu Gunsten der AfD beinflusst, argumentierte Paskas Bürgermeister Tino Riemschneider 2020 in einem Interview mit MDR THÜRINGEN. "Wir hatten zehn oder zwölf Briefwahlstimmen, wenn ich mich recht erinnere", sagte Riemschneider damals. "Wären die hier vor Ort gezählt worden, wäre die Presse nach Kühndorf oder Grimmelshausen gefahren." 2019 waren in Paska 59 Stimmen ausgezählt worden. Jede einzelne Stimme schlug damals mit 1,7 Prozentpunkten zu Buche.

MDR (ask)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Johannes und der Morgenhahn | 28. August 2024 | 05:00 Uhr

103 Kommentare

Ilse vor 6 Wochen

"Also ich hätte da lieber eine Wirtschaft, in der nicht die Volksschulgenossen des Regierungschefs und seine Buddys über dem Recht stehen und sich maßlos bereichern. "

Und man hat Ihnen beigebracht, dass das in der BRD nicht so ist ?

emlo vor 6 Wochen

Nichts für ungut @Sascha. Auch wenn ich Ihren Namen da ran geschrieben habe, richtete sich mein kleiner Seitenhieb eher gegen die Wahlplakate einer gewissen Partei, die fordern, den Rundfunkbeitrag abzuschaffen.

Hebamme vor 6 Wochen

Obacht Ilse,
Vergleichen Sie bitte niemals die Bürgerrechtler in der DDR, die echten Repressalien ausgesetzt waren mit den heutigen blasenbewohnern aus dem rechten /rechtskonservativem oder reichsbürgerlichem Milieu

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