Blick auf den Anger samt Dorfteich in Paska
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Reportage Paska: AfD-Hochburg in Thüringen

29. Oktober 2019, 12:12 Uhr

62,7 Prozent - das ist das höchste Zweitstimmenergebnis in einem Ort für die AfD in Thüringen. Paska heißt die kleine Gemeinde im Saale-Orla-Kreis, die das Ergebnis hervorbrachte. Und wie schon häufig nach solch hohen Wahlergebnissen fragt man sich: Wer sind die Menschen, die in so großen Maß AfD gewählt haben? Ein Besuch in Paska.

Interview im MDR: Jasmin Rasche (Thügida) 2019 in Paska 3 min
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Im kleinen Ort Paska im Saale-Orla-Kreis fuhr die AfD ihr stärkstes Ergebnis zur Landtagswahl ein. Wir haben dort mit Einwohnern gesprochen.

Di 29.10.2019 15:30Uhr 02:41 min

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Mystisch liegt das Angerdorf Paska im Thüringer Schiefergebirge. Aus den umherliegenden Bäumen steigt Nebel, Fachwerkhäuser schmiegen sich aneinander, das Buswartehäuschen steht gleich neben dem Spielplatz. Normalerweise ist hier nicht viel los. Doch wer dieser Tage in Paska aussteigt, trifft Radioreporter und Fernsehteams.

Knapp 63 Prozent für die AfD

Gut hundert Leute wohnen in Paska, 86 von ihnen sind wahlberechtigt. Die Wahlbeteiligung war hier am vergangenen Sonntag noch höher als im Landesschnitt bei dieser Wahl: Fast 70 Prozent der Paskaer gingen zur Urne. 62,7 Prozent davon gaben der AfD ihre Zweitstimme - so viel wie in keiner anderen Gemeinde. Auch davor war das beschauliche Paska schon Rekordhalter: Bei der diesjährigen Europawahl machten mehr als 50 Prozent der Bewohner ihr Kreuz bei der Alternative für Deutschland.

"Warum kommt ihr erst jetzt?"

Gegenüber der Dorfkirche steht ein älterer Herr vor seiner Einfahrt. Er schneidet bedächtig die Ästchen von einem Baum. "Warum kommt ihr erst jetzt?", fragt er. Reden will er nicht, er habe gerade schon mit dem Fernsehen gesprochen. "Aber überrascht bin ich nicht vom Ergebnis." Und dann ist man doch mitten im Gespräch.

Der Konsum und der Arzt fehlten, sagt der Mann, und als alter Mensch würde man hier in Paska schlecht wegkommen. Und doch: Wenn man nachfragt, dann geht es hier allen gut, unterm Strich. "Und schön ist es auch.", sagt er. "Hier können die Kinder auch im Dunkeln draußen sein. Ich will, dass es so bleibt und nicht wird wie in den Städten. Man hört ja viel, was man gar nicht hören will."

"Im Internet, das ist zu viel"

Inzwischen haben sich noch zwei Paskaer dazugesellt: Eine Frau im grünen Pullover und ein Mann in Arbeiterkluft, mit Mistgabel in der Hand. "Hier kann ich besoffen unter die Hecke fallen, ohne dass was passiert. In Erfurt kann ich das nicht", sagt der Mann.

Der Herr mit der Gartenschere versucht es diplomatisch: "Links und rechts, darum geht es doch nicht." Er wünscht sich, dass gesellschaftliche Gräben überwunden werden, dass endlich wieder alle an einem Tisch sitzen und "vernünftige Lösungen" finden.

Er hält sich nicht für einen unmodernen Menschen, aber die digitale Informationsflut gefällt ihm nicht: "Im Internet, das ist zu viel." Gerade junge Leute sollten lieber ein Buch zur Hand nehmen, wenn sie etwas wissen wollen.

"Früher hat die Polizei noch alles niedergeknüppelt"

Niemand, mit dem wir in Paska reden, ist überrascht vom Wahlergebnis. Warum auch? Es habe sich seit Jahren so angebahnt. Die Städte, Erfurt oder gar Berlin, sie wirken weit weg.

Die Frau in Grün meint, Kinder und Jugendliche würden nur zu Friday for Future gehen, um Schule zu schwänzen. Und hätten von wirklicher Arbeit keine Ahnung, hätten sich noch nie selbst etwas aufgebaut. "Lass doch die Sprüche", beschwichtigt der Herr mit der Gartenschere.

Doch der Mann mit der Mistgabel pflichtet bei: "Früher hat die Polizei noch alles niedergeknüppelt." Diesen "Rechtsstaat" wünscht er sich zurück. Dass das genau das Gegenteil eines Rechtsstaats ist, scheint hier, an dieser Garageneinfahrt in Paska, aber niemandem aufzufallen.

Signal nach draußen

Hört man den Dreien zu, dann erscheint die Wahl der AfD als Signal nach da draußen: "Hallo, hier sind wir!" Ein Signal auch an Welten, mit denen sie eigentlich nichts zu tun haben wollen. Welten, die ihnen Angst machen, die sie aber ihrerseits vor allem aus den Medien kennen.

Am Montagnachmittag fahren die Reporter wieder weg aus Paska. Dann sind die Einwohner wieder allein unter sich. Wahrscheinlich für die nächsten fünf Jahre.

Quelle: MDR THÜRINGEN/nis

57 Kommentare

martin am 31.10.2019

P.S. Zu Ihrer Abschlussfrage: Natürlich gab es "Sylvester 2015 in Köln" erst im Jahr 2015. Die anderen Dinge gab es auch früher - wenn auch teilweise mit anderen Bezeichnungen (auch in Ost und West) und Dank noch nicht erfundener "sozialer Netzwerke" mit einer anderen Verbreitung / Wahrnehmung.

martin am 31.10.2019

Oha, sie wissen, dass der Mitkommentator "Eulenspiegel" "den Westen" nicht kenne. Anscheinend kennen Sie "Eulenspiegel".

Ihre These des "Besser-Kennens" hat bei mir zu Tränen des Lachens geführt. Ich habe mir gerade vorgestellt, welche Kenntnisse viele "Dörfler" meiner Region vom Westen haben, die sich schon für die Fahrt in die Kreisstadt "fein machen" und für die ein Reise in die Landeshauptstadt den Charakter einer Fernreise hat ....

Danke dafür!

martin am 31.10.2019

Möglicherweise wird Herr Höcke von einigen Foristen als Faschist bezeichnet, weil er einer ist. Das von Ihnen zitierte Gerichtsurteil befasst sich nicht mit dieser Frage des "Sein oder Nicht-Sein".

Im Übrigen hoffe ich doch sehr, dass die Wähler in Paska mit ihren Wahlzetteln einen Beitrag zum Thüringer Landtag leisten wollten und nicht dem MDR eins auswischen ....

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