"Wie ein Märchen" 30 Jahre nach Produktionsende: Kaum gefahrene Wartburg aufgetaucht
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01. Juni 2024, 18:34 Uhr
Vor ein paar Wochen bekam Robert Redlich aus Oberböhmsdorf bei Schleiz einen seltsamen Anruf aus der Nähe von Flensburg. Das Angebot: drei Wartburg Tourist - mehr als 30 Jahre nach dem Produktionsende trotzdem noch fast jungfräulich.
Ein platter Reifen, Moos an den Fenstern und jede Menge Rost. Bei den meisten Autofans würde der Anblick der beiden Wartburg Tourist in der Nähe des Schleizer Dreiecks für wenig Begeisterung sorgen. Nicht so bei Robert Redlich. Er hat die drei Fahrzeuge erst vor Kurzem erworben.
"Eigentlich sind das ja Neufahrzeuge", sagt er. "Die drei überhaupt zusammen zu finden, ist wie ein Märchen." Einen hat er schon verkauft, die beiden anderen haben gerade mal 15 Kilometer auf dem Tacho.
Der Vorbesitzer wollte damit handeln. Allerdings wollte er sie nur mit nachgerüstetem Katalysator verkaufen. Das wollten aber seine Kunden nicht.
Erstbesitzer wollte Wartburgs weiterverkaufen
Sie sind vermutlich in der letzten Produktionsphase im Wartburg-Werk Eisenach gebaut worden. Im April 1991 endete die Produktion. Zum Stückpreis von 10.792,69 DM, so steht es im Kaufvertrag, bestellte der Vorbesitzer vier Exemplare. Sie wurden in die Nähe von Flensburg geliefert. Dort sollten sie weiterverkauft werden. Doch daraus wurde nichts, erzählt Robert Redlich. "Der Vorbesitzer wollte damit handeln. Allerdings wollte er sie nur mit nachgerüstetem Katalysator verkaufen. Das wollten aber seine Kunden nicht."
Fahrzeuge standen jahrelang im Freien
Drei Fahrzeuge blieben stehen. Zunächst in einer Halle, später standen sie im Freien und der Zustand verschlechterte sich immer mehr. Die Erben des Händlers wollten die Fahrzeuge endlich loswerden und boten sie Robert Redlich zum Kauf an.
Der Schleizer Oldtimer-Fan restauriert in seiner Werkstatt in Oberböhmsdorf alte Fahrzeuge und träumte schon immer von einem Wartburg Tourist. Dass er nun gleich drei "fabrikneue" Fahrzeuge kaufen konnte, kann er selbst noch nicht fassen.
Trotz der vielen Schäden sieht er für die Autos eine gute Zukunft. "Die Substanz ist gut", sagt er. "Der Motor ist dicht, die Kerzen sind in Ordnung, und der Vergaser ist noch neuwertig."
Teilweise noch Schutzfolie auf Sitzen
Im Inneren gibt es stellenweise sogar noch die Schutzfolie auf den Sitzen. Die Polster sind gut, haben aber durch die Feuchtigkeit gelitten. Eine Tür klemmt, und überall ist auch hier Rost zu finden. Robert Redlich mag die Patina der Zeit. Er würde so ein Fahrzeug erst einmal nur technisch wieder auf Vordermann bringen.
Mindestens Zahnriemen, Öl, Bremsen und Scheinwerfer müssen gewechselt werden. Heute tauscht Michael Rögner erst einmal den Vergaser und einige Schläuche. Robert baut inzwischen eine neue Batterie ein.
Auf der Hebebühne über dem Wartburg steht ein Kundenfahrzeug. Eine 353er Wartburg-Limousine. Gepflegt und wie neu. "Der hat zehn Jahre mehr auf dem Buckel“, sagt Robert. "Man sieht, wie sehr langer Stillstand und fehlende Pflege so einem Auto schadet."
Nach Anfangsschwierigkeiten läuft der Wartburg
Mit Bremsenreiniger startet Robert einen ersten Test am Wartburg. Nach mehreren Anläufen läuft der Motor. Jetzt kommt es darauf an, dass das auch mit Benzin aus dem Tank funktioniert. Die beiden Schrauber sind gespannt, ob der über 30 Jahre alte "Neuling" wirklich bereit ist für eine erste Runde auf dem Hof.
Fährt wie ein Neuwagen!
Doch nichts tut sich. Also: Kerzen raus, alle Schläuche noch einmal prüfen. Dann ein zweiter Versuch. Erst stockend, dann immer sicherer läuft der VW-Motor. Jetzt wollen es Robert und Michael wissen. Sie schieben den Wartburg aus der Halle. Diesmal startet der Motor ohne Probleme, aber die Kupplung ist fest. Erst nach mehreren Anschiebversuchen rollt der Wartburg im ersten Gang über den Hof. Dann löst sich auch die Kupplung. Robert ist glücklich. "Fährt wie ein Neuwagen!", ruft er im Vorbeifahren seinem Mitarbeiter lachend zu.
Neue Heimat in Polen gefunden
Während der erste der drei Wartburg seine neue Heimat in einem polnischen Automobilmuseum gefunden hat, gibt es auch für die beiden anderen Exemplare schon Interessenten. Um die Autos fahrtüchtig zu machen, müssten sie laut Robert Redlich zwischen 3.000 und 6.000 Euro investieren. Und viel Zeit mitbringen. Zum Glück waren die Autos schon einmal kurz zugelassen und haben einen bundesdeutschen Fahrzeugbrief. "Sonst hätten sie keine Chance, weil sie die heutigen Normen nicht erfüllen", sagt Robert. Wieder auf Vordermann gebracht, müssen sie nun nur einen kompletten Tüv-Test überstehen.
MDR (nis)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 30. Mai 2024 | 19:00 Uhr
THOMAS H vor 22 Wochen
Mira72:
Ich möchte Ihnen die Sendung "Schwaben und Altbayern des Bayrischen Rundfunk vom 26.05.2024" und dort den Beitrag "Flo und sein Käfer" empfehlen.
Aus der Sendungsbeschreibung:
"Schon als Kind hat Florian Rauscheder einen schrottreifen VW Käfer bei Kraiburg im Wald entdeckt. Jahrelang hat er ihn immer wieder besucht. Vor einiger Zeit hat er ihn zusammen mit einem Freund ausgegraben und versucht ihn seither zu restaurieren."
Mal sehen, was Sie dann zu Ihren Zeilen hinzufügen, wobei Sie beachten sollten, daß es sich bei dem PKW von "Flo" um ein Westauto handelt!
Wessi vor 22 Wochen
Und trotzdem @ Mira72...auch Autos sind ein bißchen Kultur.Mag sein, daß Sie das nicht verstehen, mag sein, daß es Ihnen nicht passt, daß andere Menschen auch eventuell an Dingen hängen, die die Umwelt schädigen können könnten.Ob es sich um "Neuwagen" oder mit orginalen,alten Teilen erneuerte Oldtimer handelt, haben Sie nicht zu entscheiden.Und: Alte Autos sind mindestens Industriekultur.Und die hat niemand zu bestimmen!
nilux vor 22 Wochen
Ich habe den Wartburg erst nach der Wende gekauft, als Student hatte ich nicht viel Geld. Da schien das Auto eine gute Wahl zu sein, zumal ich mir kleinere Reparaturen auch zutraute: Wechsel der Traggelenke, Ölwechsel etc.
Aber wie gesagt: Das Ding hatte so viele Macken, ein 353er oder gleich ein Westauto wäre wohl die bessere Lösung gewesen.