Turm rechts schon eine einzige Staubwolke, davor katholische Pfarrkirche St. Jakobus in Röthlein.
Die Kühltürme des AKW im bayerischen Grafenrheinfeld sind am Freitagabend verspätet von einer Thüringer Expertin gesprengt worden. Bildrechte: IMAGO/Wolfgang Maria Weber

Rückbau Verspätet wegen Aktivist: Kühltürme des AKW Grafenrheinfeld gesprengt

17. August 2024, 11:41 Uhr

Die Kühltürme des Atomkraftwerks im bayerischen Grafenrheinfeld sind am Freitagabend verspätet von einer Thüringer Expertin gesprengt worden. Die Zündung hatte sich wegen eines Mannes im Sperrkreis um das AKW verzögert.

Die Kühltürme des stillgelegten Atomkraftwerks Grafenrheinfeld in Bayern sind am Freitagabend gesprengt worden. Gegen 20 Uhr zündete die Thüringer Sprengmeisterin Ulrike Matthes die Sprengladungen. Die beiden Bauwerke fielen in kurzem zeitlichen Abstand in sich zusammen.

Ulrike Matthes
Die Thüringerin Ulrike Matthes hat schon viele Bauwerke gesprengt. Bildrechte: picture alliance/dpa | Sebastian Willnow

Die Sprengung war für 18:30 Uhr geplant, wurde aber zunächst ausgesetzt. Grund dafür war ein Mann, der in den Sperrkreis eingedrungen war. Ein Polizeisprecher sagte, der Mann sei auf einen Strommasten geklettert und habe in zehn Metern Höhe ausgeharrt.

Gegen 19:30 Uhr berichtete der Polizeisprecher, dass der Mann von Höhenrettern heruntergeholt wurde. Der Mann rechne sich der Pro-Atomkraft-Bewegung zu.

Polizisten sammeln sich vor den Kühltürmen des stillgelegten Kernkraftwerkes, die gesprengt werden sollen.
Freitag: Polizisten sammeln sich vor den Kühltürmen des stillgelegten Kernkraftwerkes, die gesprengt werden sollen. Bildrechte: picture alliance/dpa | Karl-Josef Hildenbrand

Sprengmeisterin Matthes von der Thüringer Sprenggesellschaft in Kaulsdorf (Kreis Saalfeld-Rudolstadt) hatte vergangenes Jahr auch einen großen Schornstein mitten in Leipzig gesprengt:

Vorher-Nachher Wie ein 170-m-Schornstein in Leipzig in sich zusammensackt

Schornsteinsprengung am ehemaligen Heizkraftwerk Max Reimann in Leipzig Nach der Sprengung des Schornsteins des ehemaligen Heizkraftwerks Max Reimann ist eine große Staubwolke zu sehen.
Bildrechte: IMAGO/David Breidert
Schornsteinsprengung am ehemaligen Heizkraftwerk Max Reimann in Leipzig Nach der Sprengung des Schornsteins des ehemaligen Heizkraftwerks Max Reimann ist eine große Staubwolke zu sehen.
Bildrechte: IMAGO/David Breidert
Schornsteinsprengung am ehemaligen Heizkraftwerk Max Reimann in Leipzig Nach der Sprengung des Schornsteins des ehemaligen Heizkraftwerks Max Reimann ist eine große Staubwolke zu sehen.
Bildrechte: IMAGO/David Breidert
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Zwei Kolosse klappen in Sekunden zusammen

Die zwei 143 Meter hohen Türme des AKW Grafenrheinfeld hatten am Boden einen Durchmesser von 105 Meter, am oberen Ende etwa 64 Meter. "30 Sekunden - so lange dauert die Party", hatte vorab Bauingenieur Matthias Aron erklärt, der auf Seiten des AKW-Betreibers Preussenelektra die Sprengung verantwortet.

Schaulustige warten in Liegestühlen unter Sonnenschirmen auf die Sprengung der Kühltürme.
Schaulustige warten in Liegestühlen unter Sonnenschirmen auf die Sprengung der Kühltürme. Bildrechte: picture alliance/dpa | Karl-Josef Hildenbrand

34.000 Tonnen Stahlbeton und Kunststoffe

Ende 1981 wurde in Grafenrheinfeld die erste atomare Kettenreaktion angestoßen, bis 2015 war das Werk in Betrieb. Wie viel Sprengstoff für die insgesamt rund 34.000 Tonnen Stahlbeton, Metalle und Kunststoffe nötig waren, verriet die Sprenggesellschaft nicht. Auch Details, wie die Anzahl der Löcher, die mit Sprengladungen befüllt wurden, blieben geheim.

Mehr als zwei Drittel des Materials sollen Projektleiter Aron zufolge später weiter genutzt werden, etwa um eine Lagerfläche herzustellen. Da die Türme keine Verbindung zum nuklearen Teil der Anlage haben, waren sie auch nicht kontaminiert - radioaktive Strahlung wurde also nicht freigesetzt. Insgesamt kostet der Abbruch der Kühltürme gut drei Millionen Euro.

Grafenrheinfeld war 33 Jahre aktiv

Das AKW Grafenrheinfeld war bis zu seiner Abschaltung das älteste noch aktive Atomkraftwerk in Deutschland. Bis 2015 war es 33 Jahre im Dienst. Seit 2018 läuft dort der Rückbau - und der dauert laut Projektleiter Aron wahrscheinlich auch noch zehn Jahre. 

Es war die zweite bundesweite Sprengung von Kühltürmen eines stillgelegten Kernkraftwerkes. Im Mai 2020 waren in Deutschland erstmals zwei Kühltürme eines Atomkraftwerkes gesprengt worden - im baden-württembergischen Philippsburg. Das fand damals aber coronabedingt ohne Öffentlichkeit statt.

Letzte Atomkraftwerke wurden 2023 abgeschaltet

Nach der verheerenden Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima im März 2011 schwenkte Deutschland um auf einen Anti-Atom-Kurs. Acht vorwiegend ältere AKWs mussten noch im Sommer 2011 endgültig vom Netz. Nach gut sechs Jahrzehnten Atomenergie in Deutschland wurden im April 2023 die drei letzten Kernkraftwerke abgeschaltet.

Die Endlager-Frage ist weiter ungelöst. 27.000 Kubikmeter hoch radioaktiver Müll gehören zur Bilanz von mehr als 60 Jahren Atomkraft in Deutschland.

MDR (seg/uwk/dst)/dpa

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 16. August 2024 | 20:00 Uhr

199 Kommentare

Ralf G vor 7 Wochen

martin - Habe jetzt den alten Kommentarverlauf nicht nochmal gesucht, denke aber, ich habe zu der Argumentation, wie ich sie genauso auch schon von grüner Seite gelesen habe, geantwortet.

Zusammengefasst: Eine rein ideologischen Entscheidung der Anti-Atom-Grünen. Ein Verbrechen an der Energiewirtschaft und dem Klimaschutz.
Dafür müssten Handschellen klicken.

Ralf G vor 7 Wochen

Was wurde aus dem Aktivisten? Da geht man doch sicher mit der vollen Härte des Gesetzes vor. Politisch vermutlich Mitte oder Rechts, das gilt doch als demokratiefeindlich und faschistisch.
Ist ja nicht so gutmenschlich, wie ein Klimakleber.

maddin vor 7 Wochen

@astrodon
Das hört sich irgendwie - und ganz theoretisch - schon mal richtig gut an. Vielen Dank für Ihre vielfältigen Informationen. Wollen wir hoffen, dass das auch wirklich auch genauso umgesetzt wird und nicht am Ende - wegen fehlender Mittel, Fehlplanungen oder sonstwas einfach nur Gras darüber wächst.

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