RückbauVerspätet wegen Aktivist: Kühltürme des AKW Grafenrheinfeld gesprengt
Die Kühltürme des Atomkraftwerks im bayerischen Grafenrheinfeld sind am Freitagabend verspätet von einer Thüringer Expertin gesprengt worden. Die Zündung hatte sich wegen eines Mannes im Sperrkreis um das AKW verzögert.
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Die Kühltürme des stillgelegten Atomkraftwerks Grafenrheinfeld in Bayern sind am Freitagabend gesprengt worden. Gegen 20 Uhr zündete die Thüringer Sprengmeisterin Ulrike Matthes die Sprengladungen. Die beiden Bauwerke fielen in kurzem zeitlichen Abstand in sich zusammen.
Die Sprengung war für 18:30 Uhr geplant, wurde aber zunächst ausgesetzt. Grund dafür war ein Mann, der in den Sperrkreis eingedrungen war. Ein Polizeisprecher sagte, der Mann sei auf einen Strommasten geklettert und habe in zehn Metern Höhe ausgeharrt.
Gegen 19:30 Uhr berichtete der Polizeisprecher, dass der Mann von Höhenrettern heruntergeholt wurde. Der Mann rechne sich der Pro-Atomkraft-Bewegung zu.
Sprengmeisterin Matthes von der Thüringer Sprenggesellschaft in Kaulsdorf (Kreis Saalfeld-Rudolstadt) hatte vergangenes Jahr auch einen großen Schornstein mitten in Leipzig gesprengt:
Zwei Kolosse klappen in Sekunden zusammen
Die zwei 143 Meter hohen Türme des AKW Grafenrheinfeld hatten am Boden einen Durchmesser von 105 Meter, am oberen Ende etwa 64 Meter. "30 Sekunden - so lange dauert die Party", hatte vorab Bauingenieur Matthias Aron erklärt, der auf Seiten des AKW-Betreibers Preussenelektra die Sprengung verantwortet.
34.000 Tonnen Stahlbeton und Kunststoffe
Ende 1981 wurde in Grafenrheinfeld die erste atomare Kettenreaktion angestoßen, bis 2015 war das Werk in Betrieb. Wie viel Sprengstoff für die insgesamt rund 34.000 Tonnen Stahlbeton, Metalle und Kunststoffe nötig waren, verriet die Sprenggesellschaft nicht. Auch Details, wie die Anzahl der Löcher, die mit Sprengladungen befüllt wurden, blieben geheim.
Mehr als zwei Drittel des Materials sollen Projektleiter Aron zufolge später weiter genutzt werden, etwa um eine Lagerfläche herzustellen. Da die Türme keine Verbindung zum nuklearen Teil der Anlage haben, waren sie auch nicht kontaminiert - radioaktive Strahlung wurde also nicht freigesetzt. Insgesamt kostet der Abbruch der Kühltürme gut drei Millionen Euro.
Grafenrheinfeld war 33 Jahre aktiv
Das AKW Grafenrheinfeld war bis zu seiner Abschaltung das älteste noch aktive Atomkraftwerk in Deutschland. Bis 2015 war es 33 Jahre im Dienst. Seit 2018 läuft dort der Rückbau - und der dauert laut Projektleiter Aron wahrscheinlich auch noch zehn Jahre.
Es war die zweite bundesweite Sprengung von Kühltürmen eines stillgelegten Kernkraftwerkes. Im Mai 2020 waren in Deutschland erstmals zwei Kühltürme eines Atomkraftwerkes gesprengt worden - im baden-württembergischen Philippsburg. Das fand damals aber coronabedingt ohne Öffentlichkeit statt.
Letzte Atomkraftwerke wurden 2023 abgeschaltet
Nach der verheerenden Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima im März 2011 schwenkte Deutschland um auf einen Anti-Atom-Kurs. Acht vorwiegend ältere AKWs mussten noch im Sommer 2011 endgültig vom Netz. Nach gut sechs Jahrzehnten Atomenergie in Deutschland wurden im April 2023 die drei letzten Kernkraftwerke abgeschaltet.
Die Endlager-Frage ist weiter ungelöst. 27.000 Kubikmeter hoch radioaktiver Müll gehören zur Bilanz von mehr als 60 Jahren Atomkraft in Deutschland.
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MDR (seg/uwk/dst)/dpa
Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 16. August 2024 | 20:00 Uhr
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