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Gestüt MeuraWie die Haflinger-Pferde in den Thüringer Wald kamen

29. Januar 2023, 16:12 Uhr

Mitten im Thüringer Wald hat die Familie Sendig in den vergangenen Jahrzehnten ein Haflinger-Gestüt aufgebaut. Die Zahl der Pferde dürfte sich künftig allerdings weiter verringern.

von Stefanie Reinhardt, MDR THÜRINGEN

Auf der Fahrt nach Meura hängt der Nebel tief zwischen den Bäumen. Erst als es nach oben auf den Berg geht, wird die Sicht besser. Rund um Meura ist alles schneeweiß. Die Landschaft ist malerisch: Der kleine Ort mit den Hügeln, Feldern und Bergen ringsherum. Etwa 600 Menschen leben hier. Und: 200 Pferde, direkt am Ortsrand, auf dem Haflinger-Gestüt von Anke Sendig. "Ganz nah an der Natur und den Tieren ist man hier", sagt Anke Sendig. "Den Pferden auf der Weide kann man stundenlang zusehen."

Die Tage sind lang. Jeden Morgen gegen 7 Uhr geht es los. Die Krippen in den vier großen offenen Ställen werden ausgekehrt und die Pferde gefüttert. Danach geht es raus auf die Weide, bei fast jedem Wetter. "Die Tiere leben hier so artgerecht wie möglich", sagt Anke Sendig. Gemeinsam mit acht Mitarbeiterinnen betreibt sie das Gestüt. Sechs Lehrlinge werden zurzeit zu Pferdefachwirten ausgebildet.

Treuhand wollte Haflinger-Gestüt auflösen

Vor 30 Jahren, nach der Wende, gründete ihr Vater Siegfried Sendig den Familienbetrieb und baute ihn auf. "Das waren wirklich harte Zeiten", erinnert sich Anke Sendig. Die Treuhand wollte das Haflinger-Gestüt eigentlich auflösen. Die Mitarbeiter sollten entlassen, die Pferde verkauft werden. "Wir waren der Insolvenz näher als dem Überleben", sagt sie. Doch Siegfried Sendig gab nicht auf. Das Gestüt war sein Lebenswerk. Er wollte es unbedingt weiterführen.

Gestüt nach der Wende als Familienbetrieb geführt

Den Grundstein dafür hatte der Landwirt 1977 gelegt. Da wurde der Betrieb als Volkseigenes Gut gegründet, Siegfried Sendig als Leiter eingesetzt. Den Standort für ein Haflinger-Gestüt mitten im Thüringer Wald wählte er nicht zufällig aus. Die großen Weiden, die Bewegung bergauf und bergab - all das war für diese Pferderasse genau richtig. "Die Pferde so natürlich wie möglich halten - dem kann man hier sehr gerecht werden", sagt Anke Sendig.

Nach der Wende wollte Siegfried Sendig das Gestüt weiterführen. Er bat seine Tochter, ihm dabei zu helfen. Anke Sendig, damals Anfang 20, gab ihr Medizinstudium auf und studierte stattdessen Betriebswirtschaftslehre. 1998 übernahm sie die Geschäftsführung von ihrem Vater. 2010 erkrankte Siegfried Sendig schwer, starb ein Jahr später.

Bis dahin hatten sie als Vater-Tochter-Team Hand in Hand gearbeitet. Auch die Großeltern halfen mit, später die Kinder. Nach und nach bauten sie das Gestüt auf. Zu den Pferdeställen kamen eine Reithalle und ein Reitplatz mit Tribüne dazu. In der Halle werden die Pferde ausgebildet. Auf dem Reitplatz finden Schauveranstaltungen und Turniere statt. 2019 kam noch ein Longierzelt dazu. Weil es kleiner ist als die Halle, können darin gerade junge Pferde besser ausgebildet werden.

Pferde im Ausland erhielten Ausbildung in Meura

Im Mittelpunkt stand für die Sendigs außer der Pferdezucht immer die gute Ausbildung von Pferd und Reiter. 119 Lehrlinge wurden seit 1991 zu Pferdefachwirten ausgebildet. Rund 2.000 Pferde haben auf dem Gestüt die sogenannte Leistungsprüfung gemacht. Die fertig ausgebildeten Pferde werden von Meura aus nach ganz Deutschland und in andere europäische Länder verkauft. Außerdem gibt es Reitkurse, ein Café und einen Kinderspielplatz sowie mehrere Zimmer und drei Ferienwohnungen zum Übernachten.

"Wirtschaftlich kann der Betrieb nur mit diesen vielen Standbeinen sein", sagt Anke Sendig. "Wirtschaftlichkeit hat nichts mit Profit und Gewinnsucht zu tun. Es bedeutet, dass wir so viel Geld einnehmen, dass für die Pferde eine ausreichend gute Versorgung und für die Mitarbeiter ein ausreichend gutes Einkommen da ist."

Keine Plasma-Spende mehr bei Stuten in Meura

Zu diesen Standbeinen gehörte bis Ende 2022 auch die Plasma-Spende von Stuten. Ein Verfahren, bei dem trächtigen Stuten Blutplasma entnommen und daraus ein umstrittenes Hormonpräparat für die Schweinezucht gewonnen wird. Tierschützer kritisierten die Methode als Verstoß gegen das Tierwohl. Vergleiche von Tierschützern zu dem Verfahren, wie es in Südamerika und Island praktiziert wird, weist Anke Sendig bis heute zurück.

"Was in Südamerika und Island passiert, heiße ich nicht gut", sagt sie. "Wir wurden mit Dingen in Verbindung gebracht, mit denen wir nichts zu tun hatten. Das hat uns sehr getroffen und hat uns wirtschaftlichen Schaden zugefügt. Wir haben immer den höchsten Standard angesetzt, bei allem, was wir mit den Tieren machen, und wir sind den Tieren immer zugewandt."

Die Plasma-Spende sei in Meura mit dem höchstmöglichem Tierwohl-Standard erfolgt. "Wir sind immer von Behörden kontrolliert und überwacht worden." Nach den Medienberichten 2019 erlebte das Gestüt einen Shitstorm über das Internet. Die Plasma-Spende, sagt Anke Sendig, gibt es deshalb auf dem Gestüt in Meura nicht mehr. "Nicht, weil wir der Meinung sind, dass wir etwas falsch gemacht haben, sondern weil die Anschuldigungen nicht mehr auszuhalten waren."

Zahl der Pferde in Meura deutlich reduziert

Auch weil nun dieses Standbein fehle, werde sich die Zahl der Pferde auf dem Gestüt künftig verringern. Während es über die Jahre bis zu 350 Haflinger in Meura gab und das Gestüt damit zu den größten seiner Art in Europa gehörte, sind es heute noch 200 Tiere. Der Bestand wurde kleiner, weil die Preise für Futter, Mitarbeiter und Diesel steigen und der der Kostendruck laut Anke Sendig immer weiter zunimmt.

Doch sie und ihr Team lassen sich davon nicht entmutigen. Für sie stehen die Pferde im Mittelpunkt und ein positiver Blick in die Zukunft. "Das hier ist ein ganz besonderer Ort. Hier ist so viel entstanden!"

MDR (sre/mm)

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 28. Januar 2023 | 19:00 Uhr

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