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Kultur und PolitikWie das Rudolstadt-Festival mit der politischen Lage in Thüringen umgeht

06. Juli 2024, 17:11 Uhr

Das Thüringer Rudolstadt-Festival zeigt sich seit 32 Festivaljahren als internationales und weltoffenes Festival. Auch in diesem Jahr treten Künstlerinnen und Künstler aus mehr als 30 Ländern bei dem deutschlandweit größten Welt- und Folkmusikfestival auf. Wie gehen Festivalmacher, Bands und die Stadt mit der politischen Lage um – auch in Hinblick auf die Landtagswahl in Thüringen?

Die oft langjährigen Gäste des Rudolstadt-Festivals machen sich Gedanken um die Zukunft des Welt-, Roots- und Folk-Festivals. Gerade jetzt, wo die Landtagswahlen anstehen, und die AfD auch auf kommunaler Ebene immer mehr Einfluss gewinnt.

Bernhard Hanneken bekommt als künstlerischer Leiter des Rudolstadt-Festivals die Reaktionen des Publikums mit, er sagt: "Nach den Landkreisergebnissen hier in Thüringen haben wir durchaus Mails bekommen, wo gesagt wird: Jetzt könnt ihr hier doch gar kein Festival mehr machen."

Rudolstadt-Festival war schon immer politisch

Dabei begreift sich das Rudolstadt-Festival schon seit mehr als 30 Jahren als gesellschaftlich relevant, ohne aktiv politisch zu sein. Als Nachfolger-Veranstaltung des Tanzfestes der DDR kommen jedes Jahr internationale Musikerinnen und Musiker in die thüringische Kleinstadt. Bei der aktuellen Ausgabe sind Künstler aus mehr als 30 Ländern dabei.

Weltoffenheit, Toleranz, Mitmenschlichkeit – das sind die Werte, die von den Veranstaltenden hochgehalten werden und die sich auf und vor der Bühne wiederspiegeln. Und das inmitten einer AfD-Hochburg. Hanneken sagt: "Man muss sich immer daran erinnern, dass es zwischen ein Drittel und ein Viertel der Wähler sind, die rechts wählen. Das bedeutet aber auch, dass zwei Drittel bis drei Viertel das nicht tun!".

Die Auftritte beim Rudolstadt-Festival sind auch für viele Bands ein Höhepunkt ihres Konzerlebens. Bildrechte: MDR/Carolin Büscher

Gleichzeitig mache sich bei dem Festival auch eine "Jetzt erst recht"-Haltung breit: Die politische Stimmung werde das Festival nicht aufheben können. Dennoch sei es wichtig - gerade wenn es aneckt.

Man muss sich immer daran erinnern, dass es zwischen ein Drittel und ein Viertel der Wähler sind, die rechts wählen. Das bedeutet aber auch, dass zwei Drittel bis drei Viertel das nicht tun!

Bernhard Hanneken, Künstlerischer Leiter des Rudolstadt-Festivals

Musik für politischen Austausch und Empathie

Jamila von der Band "Jamila and the Other Heroes" ist zum dritten Mal beim Rudolstadt-Festival dabei. Sie macht sich vor dem Auftritt der Band eher Gedanken darüber, ob sie mit dem Publikum lieber Deutsch als Englisch sprechen soll, als Sorgen um das politische Umfeld des Veranstaltungsortes.

Jamila and the Other Heroes spielen auch in diesem Jahr wieder beim Rudolstadt-Festival. Bildrechte: Pierre Beecroft

Über Musik könnten Menschen niedrigschwellig zusammenkommen, sagt Jamila und erläutert, "das kann eine ganz andere Art des In-Kontakt-Kommens mit politischen Themen sein, als wenn man einen Zeitungsartikel liest oder ein analytisches Gespräch führt. Über die Musik ins Mitgefühl und Solidarität zu kommen – das ist für mich Musik. Und deswegen ist es so ein superwichtiges politisches Mittel."

Über die Musik ins Mitgefühl und Solidarität zu kommen - das ist für mich Musik.

Jamila von der Band Jamila and the Other Heroes

Länderschwerpunkt Deutschland

In der ganzen Auseinandersetzung um die politische Lage in Thüringen hat sich das Welt- und Folk-Festival in diesem Jahr für etwas Ungewöhnliches entschieden: Der Länderschwerpunkt im Programm liegt auf deutscher Musik. Der Festivalleitung zufolge war das eine ganz klar künstlerische Entscheidung, zumal der Länderschwerpunkt ursprünglich schon für 2020 geplant war.

Den Veranstaltenden geht es darum, die Vielfalt deutscher Musik zu zeigen: von traditionellem Folk, über Hip Hop bis zu experimenteller Musik, vom Männerchor bis zur ukrainischen Sängerin.

Festival als Chance für die Menschen

Von direkten Angriffen oder Hassnachrichten ist das Festival bisher nicht betroffen. Die politische Dimension zeigt sich eher auf kommunaler Ebene: Wenn es beispielsweise im Stadtrat um den Etat des Festivals geht – und es entsprechende Gegenstimmen gibt.

Bürgermeister Jörg Reichl, selbst parteilos, bekommt das seit vielen Jahren mit. Er begreift das Rudolstadt-Festival als Chance, Begegnungen zu schaffen. Die Heimatstadt werde so zum Schauplatz eines gegenseitigen Kennenlernens.

Jörg Reichl ist seit 2006 Bürgermeister in Rudolstadt und wurde auch bei den Wahlen in diesem Jahr wieder in seinem Amt bestätigt. Bildrechte: imago/photo2000

Reichl hebt hervor: "Wenn sowas in Berlin oder Leipzig oder Frankfurt wäre, würde sich das auf 'ner riesigen Fläche verteilen. Und hier hat man in drei großen Bereichen der Stadt über 30 große und kleine Bühnen und erlebt den Kosmos ganz kompakt. Was in der Großstadt einfach untergehen würde."

Laut Reichl kann es für die Einwohnerinnen und Einwohner sogar identitätsstiftend wirken, wenn ein interkulturelles Festival seit 32 Jahren zum Stadtprofil gehört. Die thüringische Kleinstadt und ihr weltoffenes Festival – in Rudolstadt wird nicht die Schwierigkeit, sondern das Potential in den Vordergrund gestellt.

Quelle: MDR KULTUR (Carolin Büscher)
Redaktionelle Bearbeitung: op

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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 06. Juli 2024 | 15:00 Uhr