Verein Auenland Jäger eröffnen erste mobile Wildkammer Thüringens

09. März 2023, 13:48 Uhr

Vom Lebewesen zum Lebensmittel. Mit einer mobilen Wildkammer können Jäger und Direktvermarkter diese Idee praktisch umsetzen. Das erlegte Wild wird dort fachgerecht gekühlt und kann dann direkt weiterverarbeitet werden. Hauptsächlich aber sollen mit der Wildkammer Verbraucher über Wild aus der Region informiert werden.

Auf den ersten Blick sieht die Wildkammer aus wie ein Bäcker- oder Fleischerwagen auf dem Markt - mit Verkaufsluke und auffälliger Werbung. Doch das Besondere steckt innen. Im hinteren Wagenteil ist eine kleine Kühlkammer eingebaut. Dort hängt das bei der Jagd erlegte Wild. Über eine Rohrbahn kann es einfach nach vorn gezogen und dann verarbeitet werden.

Vom Lebewesen zum Lebensmittel

So wie das Wildschwein, das "entschwartet", also ohne Fell, seit Sonntag in der Wildkammer hängt. Mit geübtem Griff schneidet Karsten Schmidt ein Stück Lende aus dem Frischling. Er schwärmt von der Qualität des Fleisches. Aber eben nicht nur von der Lende. "Klar ist die eines der besten Teile des Tiers. Aber wir versuchen, so gut wie alles zu verarbeiten." Von "nose to tail" - wie der aktuelle Küchentrend heißt, also von der Schnauze bis zum Schwanz. "Das sind wir den Tieren schuldig. So erweisen wir unseren Respekt", sagt Schmidt.

Fleisch aus der Region kaufen

Der erfahrene Jäger wünscht sich, dass sich mehr Thüringer für Wild aus der Region entscheiden. Gerade zu den Feiertagen würden die Läden mit Hirsch-Fleisch aus Neuseeland überschwemmt. Oder mit Bio-Steaks aus Argentinien. "Das ist doch nicht vernünftig. Nur mit Direktvermarktung von Fleisch können wir etwas reißen in Sachen Klimaschutz! Solange wir hier Wild, also einen nachwachsenden Rohstoff in unserer Kulturlandschaft haben, hat das die beste Ökobilanz."

Dazu kommt, so Schmidt, dass das Verladen und der Transport zum Schlachthof bei den Tieren Stress erzeuge. "Als Jäger ist es unsere Verpflichtung, das Tier ohne Vorahnung aus dem Leben zu reißen." Denn Stress führe dazu, dass später das Fleisch nicht ausreichend reifen kann. "Der Geschmack leidet, wie zuvor das Tier", so Schmidt. Einfach "nur schießen", das ist nicht das Ansinnen der Jäger. "Wir sind per Gesetz Lebensmittelerzeuger."

Thüringer isst im Schnitt nur 600 Gramm Wild im Jahr

Währenddessen dampft es draußen aus dem Smoker. Es gibt Pulled Pork vom Wildschwein. Auf dem Rost liegen dunkelbraune Chorizo vom Reh, daneben Wildschweinschinken. Wildfleisch sei reich an Spurenelementen und Omega-3-Fettsäuren, hat einen geringen Fettanteil. Doch noch immer scheuen sich laut Schmidt viele davor, es zuzubereiten.

Durchschnittlich isst jeder Mensch in Thüringen laut Thüringer Wirtschaftsministerium jährlich über 50 Kilogramm Fleisch. Davon seien aber nur etwa 600 Gramm Wildfleisch. Mancher erinnert sich an den dumpfen, herben Geschmack des Wildfleisches. Das aber habe sich geändert. "Allein durch das richtige Lagern von Wild direkt nach dem Erlegen können die Jäger den Geschmack beeinflussen," so Schmidt.

Mit der mobilen Wildkammer wollen Jäger auf Veranstaltungen und Messen für das Wild-Fleisch aus der region werben. Zum ersten Mal zur Messe "Reiten-Jagen-Fischen" Ende März in Erfurt.

Es gibt neue jagdpraktische Erfahrungen und hygienische Erkenntnisse. Das wollen wir den anderen Jägern nahebringen.

Karsten Schmidt, Förderverein Auenland

Erfahrungsaustausch für Jäger

Die Wildkammer ist aber auch ein Erfahrungsort für Jäger. "In der Jagd ist derzeit vieles im Umbruch. Es gibt neue jagdpraktische Erfahrungen und hygienische Erkenntnisse. Das wollen wir den anderen Jägern nahebringen. Es gibt heute Kühltechniken und Verpackungstechnik - das alles haben wir hier vor Ort, in dieser Wildkammer. Rehrücken sind die Goldbarren unserer Kulturlandschaft. Das sollten die Jäger nutzen."

Akademie Auenland für die Region

Die Idee zur mobilen Wildkammer kam aus der Akademie Auenland in Niederkrossen (Uhlstädt-Kirchhasel). Die Akademie, das sind Jäger, Angler, Wissenschaftler, Naturfreunde, Förster und nicht zuletzt Landwirte. Menschen, denen die Region am Herzen liegt, genauso wie der Arten- und Tierschutz. Der respektvolle Umgang mit der Natur und eine umsichtige Nutzung von Wald und Feld - das lässt sich vereinbaren, sind sich die Auenländer sicher.

Aus Jagdabgabe finanziert

Finanziert wurde die Wildkammer fast ausschließlich von den Jägern selbst, über die Jagdabgabe. Diese zahlt jeder Jäger an das Land Thüringen, wenn er seinen Jagdschein bekommt. Also mindestens alle drei Jahre. "Aus den Mitteln der Jagdabgabe unterstützen wir Projekte, die mit der Jagdförderung, Jagdausbildung und eben auch mit der Wildverarbeitung zusammenhängen", sagt Staatssekretär Torsten Weil aus dem Landwirtschaftsministerium.

58.000 Euro kostet die Wildkammer. Auch die Sparkasse Jena-Saale-Holzland hat das Projekt mit unterstützt. Wild sei für die Jäger ein gutes Lebensmittel. In der mobilen Wildkammer können sie zeigen, wie einfach es verarbeitet wird. Und sie können für ihre Berufung werben, sagt Jäger Karsten Schmidt. "Jeder, der Wild aus der Region genießt, wird nie ein Jagdgegner sein." Denn von diesem Fleisch wollen die Leute dann immer mehr, ist Schmidt überzeugt.

MDR (gh)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 08. März 2023 | 19:00 Uhr

1 Kommentar

Graf von Henneberg am 09.03.2023

Das ist das Beste - ein Stück Wild! Da gehe ich zu einem meiner Jagdpächter und hole mir halt so einen Überläufer und / oder ein Schmalreh (immer in der Decke).
Den Rest mache ich selber. Vom Kopf des Überläufers gibts dann 1a Wildschweinsülze.
Dieser Wagen auf dem Bild ist wohl mehr was für den Stadtmenschen. Gell.

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