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Negative Pauschalurteile"Nicht jeder AfD-Wähler ist ein Nazi": Ramelow kritisiert Umgang mit Ostdeutschen

20. Juli 2023, 09:53 Uhr

In Umfragen schneidet die AfD immer besser ab - insbesondere in Ostdeutschland. Thüringens Ministerpräsident beklagt, dass dieser Umstand zu negativen Pauschalurteilen führt. Was Bodo Ramelow sagt.

von MDR THÜRINGEN

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hat beklagt, dass parallel zum Erstarken der AfD die negativen Pauschalurteile über Thüringer und Ostdeutsche zunähmen. "Was wir gerade erleben, ist eine teilweise Verzerrung der Realität", sagte er der Thüringer Allgemeinen vom Mittwoch. Aus skandalisierender Berichterstattung und verkürzten Analysen entstehe die falsche Wahrnehmung, dass die 52 Prozent der Wähler, die im Kreis Sonneberg für einen AfD-Landrat gestimmt haben, "alles Nazis sein müssten."

Diese Sicht ist nach Ramelows Worten eine Fehlinterpretation, die völlig ausblende, welche sozialen und politischen Reibungen es gebe und was die AfD im Moment in ganz Deutschland hochtreibe. Die AfD hatte zuletzt in mehreren Umfragen ihre Führungsposition in Thüringen auf 32 bis 34 Prozent ausgebaut. Bundesweit liegen ihre Werte bei etwa 20 Prozent.

Die AfD bündelt Ängste, Vorurteile und Aggressionen, was vor allem in Ostdeutschland funktioniert.

Bodo Ramelow (Linke) | Thüringens Ministerpräsident

Ramelow kritisierte einen Teil der überregionalen Medien. "Wenn ich den ganzen Tag mit Kamerateams in Sonneberg und Umgebung unterwegs bin und nach Nazis suche, dann finde ich die auch", sagte er der Zeitung. "Und wenn dann jemand sagt, ich will Adolf Hitler wiederhaben: Solche Deppen gab es immer. Und es gibt sie auch in Westdeutschland."

Demokratie als die beste aller Staatsideen

Ramelow verwies darauf, dass jenseits der schwankenden Umfragen wissenschaftliche Studien wie der Thüringen-Monitor bei der großen Mehrheit der Menschen ein stabiles und zuverlässiges Demokratieverständnis gemessen hätten. Tatsächlich erklärten in der jüngsten Erhebung 84 Prozent der Befragten, dass die Demokratie die beste aller Staatsideen sei. Gleichzeitig sank die Zufriedenheit mit der Praxis der Demokratie so deutlich wie nie zuvor und lag nur noch bei 48 Prozent. Auch das Vertrauen in staatliche Institutionen ging stark zurück.

Pauschale Diffamierung als undankbare Ossis

Der Ministerpräsident erklärte die Entwicklung auch damit, dass die AfD allein auf negative Emotionen setze: "Sie bündelt Ängste, Vorurteile und Aggressionen, was vor allem in Ostdeutschland funktioniert." Im Ergebnis entstehe eine fatale Dynamik, daraus resultiere wiederum eine "laute, medial extrem verstärkte Ablehnung durch Westdeutschland, die pauschal 15 Millionen Menschen als undankbare Ossis diffamiert - was dann wiederum von der AfD emotional genutzt wird", so Ramelow. Diese Prozesse funktionierten wie eine selbsterfüllende Prophezeiung.

Der Linke rief er dazu auf, ihre Strategien und den Umgang miteinander zu überdenken. Die Parteien sollten auf das Erstarken der AfD nicht mit gegenseitigem "Draufklopfen" reagieren. Das gelte für die CDU, aber auch für seine Partei. So höre er in der Linken Forderungen, man sollte den Landkreis Sonneberg als Nicht-Deutscher möglichst schnell verlassen. "Da habe ich zurückgefragt: Habt ihr sie noch alle?"

"Psychologische Einheit hat Totalschaden erlitten"

In den ARD-"Tagesthemen" äußerte sich Ramelow am Mittwochabend ebenfalls. Er kritisierte unter anderem das Verhältnis zwischen West- und Ostdeutschland. "Die ökonomische Einheit ist gut gelungen, aber die psychologische Einheit hat Totalschaden erlitten", so Ramelow. Er nehme wahr, dass wieder mit Klischees gearbeitet werde und dass die AfD ausschließlich als ein ostdeutsches Thema dargestellt werde.

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MDR (kku/co)

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 19. Juli 2023 | 06:00 Uhr

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