Flaggen vor der Thüringer Staatskanzlei
Die Thüringer Staatskanzlei - Hauptsitz der Landesregierung. Scharfe Kritik gibt es an der Einstellungspraxis. Bildrechte: IMAGO / Norbert Neetz

Sonderbericht "Schwerwiegende Verstöße": Rechnungshof bemängelt Einstellungspraxis der Landesregierung

15. März 2023, 07:21 Uhr

"Systematisch und schwerwiegend" seien die Verstöße der Thüringer Landesregierung bei der Einstellung von Staatssekretären und leitenden Mitarbeitern - heißt es im abschließenden Bericht des Landesrechnungshofs. Die Landesregierung kündigte Besserung an, weist einen entscheidenden Vorwurf aber nach wie vor zurück.

Der Thüringer Rechnungshof hat scharfe Kritik an der rot-rot-grünen Landesregierung geübt. Die Prüfbehörde sieht bei der Einstellungspraxis von leitenden Mitarbeitern und Staatssekretären in Thüringen schwerwiegende Fehler. Zu diesem Ergebnis kommt ein am Dienstag von den Rechnungsprüfern veröffentlichter Sonderbericht.

Rechnungshof: Bei Einstellungen nicht besten Bewerber ausgewählt

Wie Präsidentin Kirsten Butzke erklärte, sind die Verstöße "systematisch und schwerwiegend" gewesen. Es habe sich nicht nur um Einzelfälle gehandelt. Die Landesregierung habe bei der Einstellung von Staatssekretären trotz verfassungsrechtlicher Vorgaben die Bestenauswahl nicht durchgesetzt. 

Dazu komme, dass viele Posten auf der Leitungsebene der Ministerien nicht ausgeschrieben waren oder Bewerber ohne ausreichende Qualifizierung eingestellt worden seien. Die Landesregierung habe damit gegen den Leistungsgrundsatz bei der Bewerberauswahl verstoßen.

Vorwurf: Parteibuch statt Qualifikation

Hintergrund des Prüfberichts ist die Einstellungspraxis von Staatssekretären und Mitarbeitern auf der Leitungsebene von Ministerien in den Jahren 2014 bis 2020. Der Landesrechnungshof hatte zunächst in vorläufigen Prüfberichten der Landesregierung vorgeworfen, Staatssekretäre "rechtswidrig", "fehlerhaft" oder "nicht nachvollziehbar" und leitende Mitarbeiter nur nach Parteibuch und nicht nach Qualifikation eingestellt zu haben.

Diese vorläufigen Prüfberichte waren bereits im Dezember 2022 an die Öffentlichkeit gelangt und hatten für Aufsehen gesorgt. Die Opposition im Thüringer Landtag forderte Aufklärung, die Staatsanwaltschaft Erfurt leitete ein Untreue-Verfahren gegen Unbekannt ein.

Nach Auskunft des Rechnungshofs wurde der Prüfvorgang vergangene Woche abgeschlossen. Aufgrund des Ausmaßes habe sich der Rechnungshof zusätzlich dazu entschieden, einen Sonderbericht zu veröffentlichen, der öffentlich einsehbar ist.

Nach der Kritik in den vorläufigen Prüfberichten hatte die rot-rot-grüne Landesregierung angekündigt, Teile der Einstellungspraxis ändern zu wollen, sonst aber die Vorwürfe zurückgewiesen. Demnach erklärte die Landesregierung in ihrer Stellungnahme unter anderem, dass Minister auf Mitarbeiter mit bestimmten politischen Vorstellungen angewiesen seien. Dem Rechnungshof reichen die Schritte der Regierung nicht aus. Er betonte im Sonderbericht abermals, dass eine rechtmäßige Einstellungspraxis dringend erforderlich sei.

Defizite bei Eignung, Befähigung oder fachlicher Leistung könnten nicht durch das besondere politische Vertrauen ausgeglichen werden, hieß es. "Ungeachtet der verfassungsrechtlichen Vorgabe und der klaren gesetzlichen Ausformung hat die Landesregierung das Leistungsprinzip nicht durchgesetzt", sagte Butzke. Es dürfe bei den Bürgern keinesfalls der Eindruck entstehen, eine Bestenauslese sei entbehrlich oder durch politische Einstellungen ersetzbar.

Staatskanzlei weist Teil der Vorwürfe erneut zurück

Nach der Veröffentlichung des Sonderberichts am Dienstag kündigte die Landesregierung an, die Stellenbesetzung anzupassen. Staatskanzleichef Benjamin-Immanuel Hoff sagte, man werde den Bericht auswerten und dem Rechnungshof Vorschläge unterbreiten. So wolle man zeitnah einen Vorschlag zur Änderung des Laufbahnrechts vorlegen.

Bei der Bestenauslese weist die Regierung die Vorwürfe jedoch weiterhin zurück und beharrt darauf, dass bei der Einstellung der Staatssekretäre der Grundsatz der Bestenauslese beachtet wurde. Außerdem begrüßt Hoff die Klarstellung des Rechnungshofs, dass "ausdrücklich nicht Arbeitsweise- und ergebnisse der Staatssekretäre bewertet wurden".

Der Minister für Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei, Prof. Dr. Benjamin-Immanuel Hoff, DIE LINKE, in der 99. Plenarsitzung des Thüringer Landtags am 31. Januar 2023.
Staatskanzleichef Benjamin-Immanuel Hoff Bildrechte: IMAGO/Jacob Schröter

Erneut Kritik von der Opposition

Die CDU pocht nun auf eine Erklärung von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke). Mit der Vorlage des Prüfberichts müsse das Versteckspiel hinter Paragrafen enden, sagte der parlamentarische Geschäftsführer Andreas Bühl.

Ähnlich äußerte sich die FDP. Sie drängt zudem auf einen Untersuchungsausausschuss des Thüringer Landtages. Die Vetternwirtschaft von Rot-Rot-Grün müsse aufgearbeitet werden, sagte der parlamentarische Geschäftsführer Robert-Martin Montag.

Für Konsequenzen hat sich zudem die AfD ausgesprochen. Um das Vertrauen wieder herzustellen, müssten sich die Verantwortlichen den politischen und strafrechtlichen Konsequenzen stellen, sagte der parlamentarische Geschäftsführer Torben Braga.

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MDR/dpa (sar/jhi/kf)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 14. März 2023 | 16:00 Uhr

66 Kommentare

DER Beobachter am 15.03.2023

Machen Sie mal. Bitte die Männlichkeit unseres glorreichen Verkehrsministers beachten und zu jedem Bundesministerposten eine qualifiziertere Persönlichkeit des andren Geschlechts benennen....

Germinator aus dem schoenen Erzgebirge am 15.03.2023

"Dazu komme, dass viele Posten auf der Leitungsebene der Ministerien nicht ausgeschrieben waren oder Bewerber ohne ausreichende Qualifizierung eingestellt worden seien. "

Was heißt denn hier Qualifizierung?
Der MDR hatte doch erst einen Artikel veröffentlicht, wo klar gesagt wurde, dass Abschlüsse nicht wichtig sind.

☝️🍀

Ralf G am 15.03.2023

@Erstaunlich, dass Sie sich die Leistungsbewertung diverser Staatssekretäre zutrauen. Der Rechnungshof tut das nicht, was bei der Komplexität des Aufgabenbereiches nachvollziehbar ist.

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