Arbeitsmarkt DGB-Vize fordert Änderungen am Rentensystem zugunsten von Geringverdienern
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In Thüringen leben 70.000 Menschen mit Armutsrenten, die für den Lebensunterhalt nicht reichen. Diese Zahl nannte die Vizevorsitzende des DGB-Bezirks Hessen-Thüringen, Sternatz, am Montag in der MDR-Sendung "Fakt ist!".

Die Vizevorsitzende des DGB-Bezirks Hessen-Thüringen, Renate Sternatz, hat Nachbesserungen im Rentensystem zugunsten geringverdienender Arbeitnehmer gefordert. Derzeit lebten in Thüringen 70.000 Menschen mit Armutsrenten, die nicht zum Leben reichten, sagte die Gewerkschafterin am Montagabend in der MDR-Sendung "Fakt ist!".
In verschiedenen Berufsfeldern erreichten die Beschäftigten aufgrund zunehmender körperlicher und psychischer Belastungen heute gar nicht mehr das gesetzliche Renteneintrittsalter und müssten deshalb Abstriche bei der Rente hinnehmen. Zudem seien prekäre Arbeitsbedingungen mit geringer Entlohnung und fehlender Tarifbindung weit verbreitet.
"Armutsgefährdung im Alter in diesem Sozialstaat nicht hinnehmbar"
Vor allem alleinlebende Rentnerinnen und Rentner machten sich zunehmend Sorgen, ihr Leben noch mit ihrer Rente finanzieren zu können, sagte Sternatz weiter. Gründe seien steigende Lebenshaltungskosten, Mieten, Energiepreise. "Die Frage der Armutsgefährdung im Alter ist schon sehr extrem und in diesem Sozialstaat nicht länger hinnehmbar", so Sternatz. Sie verwies auf Vorschläge, die Basis der Einzahler in die Rentenversicherung zu verbreitern, in dem etwa Selbständige und Beamte hinzugezogen würden, und auf die Idee einer Bürgerversicherung.
"Klassenspezifische Lebenserwartungen"
Die Soziologin Silke van Dyk von der Universität Jena sagte in der Sendung, etwa 20 Prozent der Arbeitnehmer seien derzeit im Niedriglohnsektor tätig. Auch würden Frauen immer noch unterdurchschnittlich entlohnt, und etwa die Hälfte von ihnen sei in Teilzeit tätig. "Für diese Leute ist das Rentensystem gar nicht gemacht, und das halte ich für hochgradig problematisch."
Zudem gebe es "klassenspezifische Lebenserwartungen": Ein Fließbandarbeiter lebe durchschnittlich neun Jahre kürzer als ein gut verdienender Akademiker. Mehr als ein Viertel der Schichtarbeiter erlebe nicht einmal das 65. Lebensjahr. "Die früh versterbenden Armen finanzieren die Renten der länger lebenden Privilegierten - das ist die krasseste Form von Unten-nach-oben-Verteilung, die wir haben", so die Professorin.
Auch sie sprach sich für Änderungen am Rentensystem aus. Deutschland sei das Land innerhalb der OECD, in dem das Rentenniveau am weitesten auseinanderklaffe. Dies könne man beispielsweise durch eine steuerfinanzierte Grundrente ändern.
Unternehmen brauchen ältere Arbeitnehmer
Oliver Stettes vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln verwies auf die Eigenverantwortung eines jeden Menschen in Bezug auf seine Altersvorsorge. "Wenn wir einen bestimmten Beruf ergreifen, müssen wir überlegen, ist das ein Beruf, den ich auch mit 67 noch ausüben kann", sagte er.
Nach den Worten des Wirtschaftswissenschaftlers werden viele Unternehmen künftig noch stärker von Arbeitskräften abhängig sein, die über das gesetzliche Renteneintrittsalter hinaus arbeiten wollen. Dies sei angesichts von Fachkräftemangel notwendig. Wichtig sei aber erst einmal, mehr Arbeitnehmer überhaupt an das gesetzliche Renteneintrittsalter heranzuführen.
Unternehmen sollten sich, so Stettes, frühzeitig mit älteren Arbeitnehmern darüber verständigen, wie diese länger im Unternehmen bleiben könnten - etwa in anderen Tätigkeiten oder unter anderen Arbeitsbedingungen. "Das ist auch ein Zeichen von Wertschätzung für das Wissen, die Kompetenzen und Fertigkeiten älterer Arbeitskräfte."
MDR (dr)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Fakt ist! | 14. Februar 2022 | 22:05 Uhr
Ralf G vor 19 Wochen
In Deutschland gibt es neben der gesetzlichen Rente eine Unmenge privilegierter Altersversorgungssysteme. Das reicht von Beamten über Mediziner bis hin zum ÖRR. Würden alle dieser meist Besserverdiener in ein gemeinsames System einzahlen, hätten zwar einige Luxusrentner weniger, das Rentenniveau aber würde steigen. Leider bleibt das bei diesem Beamtenparlament ein Wunschtraum. Da ist dann plötzlich Solidarität und Gerechtigkeit kein Thema mehr.
Professor Hans vor 19 Wochen
MvdW
Glauben Sie an Koalitionsverträge dann glauben Sie auch an den Weihnachtsmann.
Diese Laientruppe kriegt nicht einmal ein Gesetz zur allgemeinen Impfpflicht hin.
Karl Schmidt vor 19 Wochen
@Atheist:
Sie beweisen es wieder: Nachbarschaftsneid ist ein stückweit "traditionelle, deutsche Kultur".
Übrigens: Was haben Sie unter dem Kommentar von "Audifan" mit Ihrer Hochstelltaste und Sternchen????