Ein Kellner mit Maske trägt ein Tablett mit Getränke
Personal fehlt an allen Stellen in der Gastronomie. (Symbolbild) Bildrechte: imago images/Ralph Peters

Corona-Folgen "Es ist akut": Wie der Personalmangel Hotels und Gaststätten in Thüringen ausbremst

18. Juni 2022, 05:00 Uhr

Die Corona-Pandemie hat den Personalmangel in Hotels und Gaststätten enorm verstärkt, das sagen Kenner der Branche. Wie wirkt sich das in Thüringen aus, welches Personal fehlt und was können Arbeitgeber tun?

Das Schweizerhaus im Schwarzatal ist nach einem Besitzerwechsel endlich wieder geöffnet. Allerdings gibt es dort bislang nur Kaffee und Kuchen, keine Speisekarte - denn dafür fehlt das Personal. Kein Einzelfall, wie Peggy Lindner, Abteilungsleiterin für Unternehmensförderung bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Erfurt, berichtet. "Es ist akut. Wir sprechen von einem immensen Fachkräftemangel in der Gastgewerbe- und Gastronomiebranche."

Mir fällt spontan kein Hotel oder Restaurant ein, das keine Fachkräfte oder Auszubildenden sucht.

Peggy Lindner IHK

Manche Gaststätte und manches Hotel ist aufgrund des Personalmangels sogar ganz geschlossen. Zum Beispiel das Berghotel Ebertswiese in Floh-Seligental, auf dessen Website zu lesen ist: "Liebe Gäste, Hotel und Gaststätte sind bis auf Weiteres leider geschlossen, … Hotelbuchungen für 2022 sind zurzeit, wegen fehlender Planbarkeit, nicht möglich. Es fehlen einfach die Mitarbeiter! Um wieder öffnen zu können, suchen wir dringend Unterstützung in allen Bereichen (Koch/Köchin, Service)!"

In Thüringen werden knapp 600 Mitarbeiter im Gastgewerbe gesucht

Die Arbeitsagentur Sachsen-Anhalt-Thüringen antwortete auf Nachfrage von MDR THÜRINGEN, dass im Mai 2022 in Thüringen 185 offene Stellen in der Hotellerie und 400 offene Stellen in der Gastronomie gemeldet waren. Die meisten davon seien sogenannte Helferstellen. Damit ist Aushilfspersonal gemeint. "Der Mangel zeigt sich also besonders im Bereich der Gastronomie", heißt weiter.

Wie wirkt sich der Personalmangel im Gastgewerbe aus?

Auch wenn ein Betrieb nicht gleich schließen muss, hat der Personalmangel im Gastgewerbe Auswirkungen auf viele Gastwirtschaften. Peggy Lindner von der IHK: "Meistens ist das mit einer Einschränkung des Service verbunden." Zum Beispiel, wenn wie im Schweizerhaus nur Kaffee und Kuchen angeboten werden können. Oder wenn sich die Öffnungszeiten verkürzen: Viele Restaurants seien inzwischen nur an bestimmten Wochentagen oder nur am Abend geöffnet, sagt Peggy Lindner. "Die Öffnungszeiten zu reduzieren, ist meist die erste Maßnahme, um das Geschäft mit weniger Personal aufrechtzuerhalten."

Öffnungszeiten reduziert

So haben in Erfurt einige Restaurants erst ab Wochenmitte überhaupt noch geöffnet, für Geschäftsreisende eher suboptimal. Die "Herrschaft's Gaststätte" etwa öffnet erst ab Donnerstag, 16 Uhr, das Restaurant "Il Cortile" hat nur noch am Abend auf und die Ruhetage erweitert.

Kellner serviert Wein
Ein spontaner Restaurantbesuch ist nicht mehr überall möglich - viele Gaststätten sind an weniger Wochentagen oder nur noch zu bestimmten Zeiten geöffnet. (Symbolbild) Bildrechte: Colourbox.de

Einige Gastwirte veränderten das Servicesystem, erzählt Peggy Lindner. Man stelle auf Selbstbedienung um, biete mehr Buffets an oder nutze Einsparpotenziale durch Digitalisierung. So hat beispielsweise die Pizzeria "Da Antonio" in Weimar auf Selbstbedienung umgestellt und im Felsenkeller in Weimar gibt es seit Januar zwei Service-Roboter. Zudem nehmen viele Gastwirte weniger Veranstaltungen wie Hochzeiten oder Geburtstage an.

Welches Personal fehlt?

"In erster Linie suchen wir Köche, aber wir brauchen auch Servicekräfte, die das mit Leidenschaft machen", sagt Dirk Ellinger, Geschäftsführer des deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) Thüringen.

Doch auch das Angebot an Aushilfskräften sei nicht mehr so hoch wie noch vor einigen Jahren, fügt Peggy Lindner hinzu. Selbst Studierende arbeiteten inzwischen deutlich seltener in der Gastronomie. "Studenten suchen sich heute oft Bürojobs, meistens auch Jobs, die zum Studium passen. Wir dürfen nicht vergessen, dass gerade alle Branchen Fachkräfte und Personal suchen. Da ist die Gastronomie mit ihren teilweise unfreundlichen Arbeitszeiten nicht so attraktiv."

Warum fehlt Personal im Gastgewerbe?

Die familienunfreundlichen Arbeitszeiten sind offenbar nur ein Faktor von mehreren, weshalb in der Gastronomiebranche Personal fehlt. "Das Image der Gastronomiebranche ist kein gutes: viel Arbeit und wenig Geld", sagt Peggy Lindner.

Ein Kellner serviert Speisen
"Das Image der Gastronomiebranche ist kein gutes: viel Arbeit und wenig Geld", sagt Peggy Lindner von der IHK. (Symbolbild) Bildrechte: Colourbox.de

Doch in den vergangenen beiden Jahren habe das Personalproblem besonders stark zugenommen. Schuld seien die Schließungen und Einschränkungen während der Corona-Pandemie. Peggy Lindner: "Durch die Zwangsschließungen im Rahmen der Maßnahmen zum Schutz vor Corona ist vieles kaputt gemacht worden. Die Sicherheit eines Jobs im Gastgewerbe wurde infrage gestellt."

Viele Mitarbeiter haben während der Corona-Pandemie die Branche gewechselt

Die Arbeitsagentur bestätigt dies: Der Personalmangel "war den mehreren Lockdowns in den zwei Pandemiejahren geschuldet. Viele Mitarbeiter haben beziehungsweise mussten sich umorientieren, um in Beschäftigung zu bleiben. Viele von ihnen sind nicht in die Gastronomiebranche zurückgekehrt."

Es ist augenscheinlich, dass wir viele Mitarbeiter während der Corona-Zeit verloren haben.

Dirk Ellinger Dehoga

Und auch Dirk Ellinger sagt: "Es ist augenscheinlich, dass wir viele Mitarbeiter während der Corona-Zeit verloren haben", Fachkräfte und Aushilfskräfte. "Manche waren in dieser Zeit vollständig in Kurzarbeit und haben weniger als Netto verdient. Dazu fehlte das Trinkgeld, das eine nicht unerhebliche Rolle spielt. Dann ist der Druck groß."

Die Beschäftigen, die in andere Branchen gewechselt sind, kommen nicht zurück.

Peggy Lindner IHK

Zahlreiche Mitarbeiter hätten die Branche gewechselt, erzählt Peggy Lindner, die jahrelang ein Hotel in Apolda geleitet hat. "Die Beschäftigen, die in andere Branchen gewechselt sind, kommen auch nicht zurück. Ich hatte auch das Problem, dass durch Corona viele Mitarbeiter gegangen sind, alle in andere Branchen. Das war sehr schmerzhaft." Das Vertrauen in die Branche müsse erst wieder aufgebaut werden.

Buchungen nur über den Sommer

Jetzt gebe es eine neue Dramatik, sagt Dirk Ellinger: "Im Moment sind die Buchungen zwar ganz gut, nehmen ab September jedoch relativ dramatisch ab und ab Oktober gibt es gar keine mehr. Das ist die Angst vor neuen Maßnahmen, die von der Politik geschürt wird." Die Mitarbeiter brauchten Sicherheit. "Die Politik ist aufgefordert, eine positive Perspektive zu geben." Und Peggy Lindner sagt: "Man weiß nicht, was im Herbst ist. Wir haben keine Zusage, dass dieses Jahr keine Schließung kommen wird."

Das Ziel ist, dass es keine Schließungen geben muss.

Thüringer Gesundheitsministerium

Tatsächlich sagt eine Sprecherin des Thüringer Gesundheitsministeriums auf Nachfrage von MDR THÜRINGEN: "Lockdowns wollen alle verhindern, doch wir können noch keine seriöse Aussage für den Herbst treffen." Das bestehende Infektionsschutzgesetz, das nur in wenigen Bereichen wie im ÖPNV oder in Pflegeeinrichtungen Maßnahmen wie das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes ermöglicht, läuft zum 23. September aus.

Wie es danach weitergeht und welche Maßnahmen die Länder nach dem 23. September ergreifen können, entscheidet zunächst der Bund. Erste Antworten erhoffe man sich auf der Gesundheitsministerkonferenz am 22. und 23. Juni, so die Sprecherin. "Das Ziel ist, dass es keine Schließungen geben muss."

Was tun Arbeitgeber, um Personal zu finden und zu halten?

Arbeitgeber in der Branche könnten einiges tun, um Köche, Service- und Empfangspersonal zu finden und zu halten, sagt Peggy Lindner: "Die Gehälter anpassen, die Garantie zumindest einiger freier Wochenenden, Prämien und Weiterbildungsmöglichkeiten" zum Beispiel. Oder sie böten ihren Mitarbeitern Teilzeit an, "damit Familie und Job vereinbar sind."

Gutes Geld für gute Leute

"Da gibt es viele Sachen, die Unternehmer machen, um Mitarbeiter zu finden. Denn sie wissen, dass sie guten Leuten etwas bieten und diese auch entsprechend bezahlen müssen." Für kleine Gasthöfe auf dem Land sei das meist schwieriger. "Da gibt es aber die Möglichkeit, beispielsweise bei großen Veranstaltungen mit Vereinen vor Ort zusammenarbeiten."

Azubis aus dem Ausland

Ein wichtiger Baustein, um Fachkräfte zu gewinnen, seien Azubis aus dem Ausland, erzählt Dirk Ellinger. "Wir sind seit zehn Jahren sehr stark dabei, Azubis aus dem Ausland anzuwerben, vor allem aus Vietnam." Inzwischen kämen erste chinesische Azubis nach Thüringen, seit einem Dreivierteljahr indische, aber auch junge Menschen aus Marokko, Tunesien, Afghanistan und der Ukraine werden im Thüringer Gastgewerbe ausgebildet.

Wir müssen noch mehr tun.

Dirk Ellinger Dehoga

Dirk Ellinger: "Unsere Branche ist ohnehin eine weltoffene Branche. Wir können von diesem Austausch unwahrscheinlich lernen." Nur ein Problem gebe es dabei: "Leider bleiben nicht alle in Thüringen." Deshalb sagt der Dehoga-Geschäftsführer: "Wir müssen noch mehr tun." Wünschenswert seien etwa angepasste Kindergarten- und Hortöffnungszeiten. Davon könne nicht nur das Gastgewerbe profitieren, sondern auch Pflegekräfte oder medizinisches Personal.

Kellnerin trägt ein Tablett mit Getränken
Gutes Gehalt, Weiterbildungsmöglichkeiten, bessere Arbeitszeiten - Arbeitgeber können einiges tun, um Personal zu gewinnen und zu halten. (Symbolbild) Bildrechte: imago/Ralph Peters

Im Übrigen, so Dirk Ellinger, regele vieles der Markt. "Wenn ich tatsächlich rund um die Uhr arbeiten muss und wenig Geld verdiene, kann ich wechseln", gerade jetzt, da Fachkräfte so dringend gesucht würden.

Personalbedarf in Thüringen nicht allein über Arbeitssuchende zu decken

Allein mit Arbeitssuchenden jedenfalls sei dem Personalmangel in der Branche nicht beizukommen, antwortete die Arbeitsagentur. "Rein rechnerisch kann in der Hotellerie der Bedarf auf Fachkraft- und Spezialistenniveau nicht gedeckt werden." Auch in der Gastronomie sei der rechnerische Bedarf bei den Fachkräften nicht zu decken. Außerdem sei zu bedenken, dass sich Stellen und Arbeitssuchende oft in unterschiedlichen Regionen befänden, "wenn beispielsweise die Stelle in Altenburg gemeldet ist und der Arbeitslose in Nordhausen wohnt".

Wertschätzung für das Gastgewerbe

Überdies sei Eines ganz wichtig, da sind sich Peggy Lindner und Dirk Ellinger einig: Die Wertschätzung für die Branche müsse wieder steigen. Dirk Ellinger: "Wir müssen einfach mehr begeistern, wir sind eine tolle Branche." Und Peggy Lindner, die schon während ihres Studiums in der Gastronomie arbeitete, sagt: "Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass die Arbeit richtig Spaß machen kann. Man bekommt viel Anerkennung und Wertschätzung durch die Gäste und hat schöne Erlebnisse."

Dirk Ellinger, 2020
"Der Gast muss bereit sein, für gute Leistung gut zu zahlen", sagt Dirk Ellinger vom Dehoga. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Michael Reichel

Und auch die Gäste seien gefragt. "Wir brauchen die gesellschaftliche Anerkennung dafür, dass das Schnitzel für fünf Euro nicht zu produzieren ist", sagt Dirk Ellinger. "Der Gast muss bereit sein, für gute Leistung gut zu zahlen." Immerhin: "Es macht auch Mut, dass die Gäste nach den Corona-Beschränkungen immer wieder zurückgekommen sind."

Hinweis der Redaktion: In einer älteren Version des Beitrags hieß es, dass das Restaurant "Kromer's" in Erfurt nur noch an vier Tagen in der Woche geöffnet hat. Das ist nicht der Fall. Das Kromer's hat gegenwärtig von Dienstag bis Sonntag geöffnet.

MDR (caf)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 18. Juni 2022 | 07:00 Uhr

32 Kommentare

Ludwig58 am 19.06.2022

Der Herr Ellinger von Dehoga versteht es, sich und seinen Verband gut in der Öffentlichkeit zur Schau zu stellen. Aber das ist nur die eine Seite. Die andere ist, dass man es sich tatsächlich erst mal leisten können muss, für gute Leistung gut zu zahlen. Vor allem für Familien gilt das. Der Herr Ellinger als Dehoga Geschäftsführer kann sich das mit seinem Gehalt sich leisten. Otto Normalverbraucher eher nicht. Der hat schon an den gestiegenen Energie- und Benzinkosten zu knabbern. Aber das interessiert einen Lobbyverband wie Dehoga nicht. Da geht es nur um die eigenen Interessen und um den eigenen Vorteil.
Ich habe das mal erlebt, als ich mich mit einer Beschwerde wegen Nichteinhaltung der Coronamaßnahmen in einem namhaften Lokal beschwert habe: es kam keine Antwort, selbst auf Nachfrage nicht. So macht man sich unglaubwürdig Herr Ellinger.

Sharis am 19.06.2022

3G/2G war zumindest ein Modus für die Gaststätten, um abseits von Abholung/ Lieferung überhaupt wieder Gäste bewirten zu können, denn vorher war Publikumsverkehr ja gar nicht mehr möglich.

Sharis am 19.06.2022

Das warten wir dann mal ab. Ich denke, es wird zumindest wieder eine Testpflicht für Innengastronomie geben (müssen).
Es nützt den Gastronomen nämlich auch nichts, wenn das Personal reihenweise durch Corona ausfällt.
Die Strafen für gefälschte Tests, Atteste und Impfausweise sollten auch deutlich höher ausfallen als bisher, damit dieser Betrug verhindert & damit das Infektionsrisiko gesenkt wird.
Wer keinen neuen Lockdown möchte, muss sich eben entsprechend verhalten- das gilt für Politiker genauso wie für die Bürger.

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