Blick in eine Schulklasse über die Schultern einiger Kinder hinweg
Viele Schulen in Thüringen erhalten nun Fördergelder vom Bund. Bildrechte: Colourbox.de

Bildungspolitik 230 Millionen Euro für Thüringer Schulen: Startchancen-Programm startet

05. August 2024, 13:00 Uhr

93 Thüringer Schulen wurden für das Startchancen-Programm vom Bund ausgewählt. Daher erhalten Sie Fördermittel, um mehr jungen Menschen zu einem erfolgreichen Abschluss zu verhelfen. Ein Drittel des Budgets können Sie auch frei verwalten und beispielsweise in die Digitalisierung stecken. Wie ein Erfurter Schulleiter das neue Programm einschätzt.

Raja Kraus, Autorin, Reporterin
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"Wir befinden uns im Rieth, ein sehr sehr buntes Viertel. Wo günstige Wohnungen zu finden sind, wo quasi eine komplett bunte Mischung in der Schülerschaft vorhanden ist. Also quasi von einer bildungsnahen Schicht und einer bildungsfernen Schicht", stellt Schulleiter Alexander Dorst die Gemeinschaftsschule Otto-Lilienthal in Erfurt vor. Ab der fünften Klasse lernen hier die Kinder gemeinsam. Sie können den Haupt- oder Realschulabschluss oder das Abitur machen. Im nächsten Schuljahr werden hier 630 Kinder aus 21 Nationen unterrichtet.

Schulkinder auf der Weitsprunganlage, ein Mädchen beim Absprung 9 min
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Immer wieder werde die Schule als "Brennpunktschule" bezeichnet. "Ich finde ja den Begriff ganz, ganz schlimm. Ich finde, er trifft es auch nicht, was die Schüler hier angeht, weil Brennpunkt ist für mich etwas ganz Negatives", kritisiert Dorst.

460 Millionen Euro für Thüringer Schulen

Dorst spricht deshalb lieber von Chancen-Schule. Oder - mit Blick auf das neue Förderprogramm - von Startchancen-Schule. Nach den Kriterien Migrationsanteil, Armutsquote und Förderbedarf wurden insgesamt 93 Schulen in Thüringen ausgewählt. Seit Montag (5. August) läuft das Programm nun. Über zehn Jahre stellt der Bund 230 Millionen Euro zur Verfügung, das Land legt noch einmal dieselbe Summe obendrauf. Das große Ziel: mehr erfolgreiche Abschlüsse. Thüringens Bildungsminister Helmut Holter sagt: "Wir unterstützen die Schulen mit mehr Personal, ganz konkret mit Chancen-Assistenzen. Und auch Assistenzen, die bei der Verwaltung unterstützen."

Schulleiter: Startchancen-Programm ist "echter Turbo"

Ein Drittel des Budgets erhalten die Schulen außerdem direkt und dürfen es selbst einsetzen - ganz egal, ob für eine neue Leseecke, Schulhofausstattung oder Tablets. Wie viel Geld jede einzelne Schule bekommt, steht laut Helmut Holter noch nicht fest - wird sich aber an der Anzahl der Schülerinnen und Schüler orientieren.

Alexander Dorst von der Otto-Lilienthal-Schule bezeichnet das Startchancenprogramm schon jetzt als einen "echten Turbo". Er verspricht sich ein besseres Coaching von außen für das Kollegium, will die Schule und zum Beispiel Kunstprojekte im Viertel enger miteinander verbinden. Und: "Wir brauchen auch ganz, ganz dringend eine digitale Ausstattung, damit auch Kinder, die benachteiligt sind, mit den Geräten hier arbeiten können. Wir brauchen aber auch Spielgeräte für den Hort. Wir brauchen für Aufenthaltsräume Ausstattung."

Erste Gelder für Grund- und Berufsschulen

Für seine Gemeinschaftsschule startet das Förderprogramm im Februar. Im August geht es erstmal mit den Grund- und Berufsschulen los. Telefonate mit einigen dieser Schulen zeigen: Anders als Alexander Dorst, wissen viele noch gar nicht, wie sie die Förderung an ihrer Schule umsetzen wollen. Kein Problem, sagt Bildungsminister Helmut Holter - das Geld werde schließlich über zehn Jahre ausgegeben und keiner müsse im ersten Jahr alles umsetzen. "Man hat Zeit, und das ist auch bewusst so angelegt, dass man dann vielleicht im ersten Jahr sich über die personelle Unterstützung freut und dann überlegt, was will ich mit meinem Chancen-Budget ganz konkret machen." Er glaube, die Ideen würden auch im Zuge dieses Prozesses kommen.

Auch an der Otto-Lilienthal-Schule soll das Kollegium mitentscheiden, welche Prioritäten gesetzt werden, sagt Schulleiter Dorst. Zum Schluss zeigt er aber noch die Aula. Welliges, rotes Linoleum, ein kleines Podest, das den Namen "Bühne" kaum verdient - kein Vorhang, keine Scheinwerfer, eine veraltete Anlage. Hier, sagt Dorst, müsse dringend etwas passieren, damit sich alle wohlfühlen - schließlich sei die Aula der Raum, in dem die Schulabschlüsse gefeiert werden.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 12. Juli 2024 | 06:00 Uhr

40 Kommentare

Matthi vor 8 Wochen

Natürlich wenn man als Schüler laufend gegen das System Rebelliert hat war ein Platz an der Erweiterten Oberschule heute Gymnasium genannt und Studium Schwierig, es spielte auch das Elternhaus eine Rolle. Aber die Schüler mussten auch gute Noten haben ansonsten hat auch B Vitamine selten was gebracht. Übrigens Frau Merkel kam aus einer Pastoren Familie und konnte Studieren sogar in Moskau. Heutzutage helfen Beziehungen und das € Sponsoring mehr. Das im Jugend-Werkhof sehr viel Mist auch Strafbares von Verantwortlichen gelaufen ist leugne ich nicht und ich verurteile es. Man kann auch sagen das Grundprinzip war gut die Umsetzung und Durchführung eher schlecht. Es war aber auch eine Abschreckung für Minderjährige Kinder nicht kriminell zu werden. Wie die Realität heutzutage gerade bei den kriminellen Minderjährigen aussieht, die machen was sie wollen wegen Strafunmündigkeit und Hilflosigkeit von Polizei und Jugendämtern ist ja durch viele Berichte in den Medien bekannt.

Anita L. vor 8 Wochen

@Matthi, in erster Linie war der Studienplatz in der DDR von der politischen Einstellung der Eltern und der zukünftigen Studierenden abhängig. Heute von den Leistungen.

Die wirklich verstörende Vorstellung mancher Foristen vom Jugendwerkhof (https://www.mdr.de/geschichte/ddr/alltag/erziehung-bildung/jugendwerkhof-gefaengnis-kinder-jugendknast-torgau-100.html) hatte ich schon einmal mitlesen müssen. Diese Form der "Erziehung" ist weder menschlich noch sonst irgendwie sinnvoll, sondern führt einfach nur zu verstörten und im schlimmsten Fall erst richtig verkrachten Existenzen. Was der Jugendwerkhof hier also zu suchen hat, weiß ich nicht.

Matthi vor 8 Wochen

Anita L.
Kleine Frage, wieviel Schüler deren Eltern aus der Arbeiterklasse zu DDR Zeiten kamen haben Studieren können und wieviel Schüler Studieren heutzutage wenn ihre Eltern aus der Arbeiterschicht ohne Finanziellen Hintergrund kommen.

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