Thomas Kemmerich beim MDR THÜRINGEN-Sommerinterview 2021
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Sommerinterview Thomas Kemmerich von der FDP im Portrait

Das Verhältnis von Thomas Kemmerich zur Bundes-FDP ist angespannt. Im Weg stand dem Thüringer Landeschef der Liberalen das aber selten. Zuletzt hatte die FDP den Fraktionsstatus im Landtag verloren - Kemmerich blieb. Mit vier verbliebenen Abgeordneten nach dem Parteiaustritt von Ute Bergner hat die FDP-Gruppe deutlich weniger Mittel zur Verfügung als vorher. Am 23. August um 11 Uhr steht Thomas Kemmerich Rede und Antwort.

Das letzte April-Wochenende dürfte für Thomas Kemmerich so etwas wie eine Nagelprobe gewesen sein. In Berlin fand der Bundesparteitag der FDP statt und es war das erste Treffen von Parteifreunden aus dem gesamten Bundesgebiet in Präsenz seit der Wahl Kemmerichs mit Unterstützung der AfD zum Thüringer Ministerpräsidenten im Frühjahr 2020. Die Frage war: Wird der Kurzzeit-MP aus dem Freistaat von den Parteikollegen isoliert, gemieden oder gar ausgegrenzt? Fazit im Anschluss: Kemmerich ist zwar nach wie vor kein innerparteilicher Liebling. Aber eine Persona non grata ist der 57-Jährige offenbar auch nicht.

Kemmerich trotz MP-Wahl mit AfD-Stimmen nicht isoliert

Thomas Kemmerich war sich schon vor dem Bundesparteitag seiner FDP vergleichsweise sicher: Die Zeit heilt auch politische Wunden und bei den Liberalen wächst das Gras über Skandale offenbar binnen Jahresfrist. Das Zerwürfnis zwischen ihm und seiner Partei sei immer schon übertrieben dargestellt worden, erklärte Kemmerich und fuhr mit überraschend viel Selbstvertrauen zum Bundesparteitag nach Berlin.

Fast vergessen schien da die anderthalb Jahre alte Drohung der FDP-Bundesspitze, ihm jegliche Unterstützung verweigern zu wollen, sollte er die Thüringer Liberalen abermals als Spitzenkandidat in einen Landtagswahlkampf führen. Was für manche Außenstehende möglicherweise nach Wortklauberei klingt, ist für Kemmerich jedoch mit Blick auf eine spätere, erneute Kandidatur abgemacht gewesen: Die Aussage von Parteichef Christian Lindner hätten allein im Zusammenhang mit einer möglichen Wahl im Jahr 2021 gestanden, so Kemmerich. Er habe mit Lindner lediglich besprochen gehabt, dass er sich in jenem Jahr zurückhalte. "Das Jahr ist rum und ich gehe davon aus, dass jetzt eine gewisse Normalität wieder Raum gewinnt", so Kemmerich.

Der Hierarchie in der Thüringer FDP und der sich daraus ergebenden Logik folgend bedeutet das: Kemmerich hat seine politische Laufbahn längst nicht abgeschlossen und dürfte mit einer weiteren Spitzenkandidatur im Jahr 2024, wenn in Thüringer gewählt werden soll, liebäugeln. Zur Wahrheit gehört aber auch: Dem Landesparteitag der Liberalen Anfang Juli in Bad Langensalza blieb die FDP-Bundesspitze geschlossen fern.

Pannen und Gegenwind prallen an Kemmerich ab

Fest steht: Kemmerich ist ein politisches Stehauf-Männchen. Kaum ein anderer Politiker im Land ist so oft gestürzt und wieder aufgestanden, wie der gebürtige Aachener. Erst: die umstrittene Ministerpräsidentenwahl. Dann: das Demonstrieren gegen Corona-Beschränkungen Seite an Seite mit Neonazis und unter Missachtung der damals geltenden Auflagen. Zudem: die Halbwahrheiten in Sachen Wohnsitz, die ihm seinen Sitz im Erfurter Stadtrat kosteten. Und nicht zuletzt: das gebrochene Versprechen, einer Neuwahl in Thüringen nicht im Weg stehen zu wollen.

Doch das alles hat ihm zumindest nicht nachhaltig geschadet. Auf Bundesebene hält ihm Freund und Bundes-Vize Wolfgang Kubicki den Rücken frei. Auf Landesebene ist Kemmerich sowohl von den verbliebenen FDP-Abgeordneten als Gruppensprecher, als auch von den Parteikollegen als Landeschef bestätigt worden. Und das, trotz aller Pannen, Parteiaustritte und interner Schiedsverfahren.

FDP hat unter Kemmerich Fraktionsstatus verloren

Das gebrochene Neuwahl-Versprechen hat die Thüringer FPD derweil teuer bezahlt. Im Herbst 2021 verließ mit Ute Bergner das zum Fraktionsstatus notwenige fünfte Mitglied die Fraktion der Liberalen. Seither muss sich die FDP mit dem Status einer Gruppe begnügen. Damit verbunden sind erhebliche Einschnitte bei der finanziellen Unterstützung und den parlamentarischen Rechten und Möglichkeiten.

Noch ist völlig offen, welche messbaren Auswirkungen dies auf die Wahrnehmung der Partei, speziell im nächsten Landtagswahlkampf, haben wird. Unbestritten ist aber, dass die FDP in der täglichen Arbeit seit dem Verlust des Fraktionsstatus kleinere Brötchen backen muss.

Fracking-Gas und Atomkraft: Kemmerich lehnt Windkraft im Wald ab

Vielleicht auch deshalb setzt Kemmerich auf Aufmerksamkeit generierende Schlagzeilen. So wie jüngst beim Landesparteitag der FDP in Bad Langensalza: "Wir wollen nicht, dass Habecks größter Traum aufgeht - die Deindustrialisierung unseres Landes.“ Kemmerich hat vor allem in Sachen Energiepolitik andere Vorstellungen, als die Bundesregierung, an der auch die FDP beteiligt ist. Der Thüringer Liberalen-Chef fordert, zum Absichern des Energiebedarfs die deutschen Atomkraftwerke weiter zu betreiben und Fracking zur Gasgewinnung zu nutzen. Mit Blick auf die Erneuerbaren Energie in Thüringen lehnt Kemmerich Windräder im Wald konsequent ab.

Quo vadis, Thomas Kemmerich? Kemmerich macht kein Geheimnis daraus, dass er die rot-rot-grüne Minderheitsregierung für gescheitert erachtet. Der FDP-Landeschef favorisiert eine Deutschland-Koalition aus CDU, SPD und den Liberalen. Ein solches Bündnis, meint er, "würde Thüringen nach vorn bringen." Mit ihm als Minister? "Ich werde, solange es meine Partei zulässt, eine führende Rolle spielen", sagt der Kurzzeit-MP nebulös und stellt zugleich klar: Ans Aufhören denkt Kemmerich noch lange nicht.

Quelle: MDR THÜRINGEN

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 29. Juli 2022 | 19:00 Uhr

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