Vereine Thüringer Sportstätten in Not: "Wir haben eine Grenze erreicht"

04. Januar 2023, 18:36 Uhr

"Wir haben eine Grenze erreicht. Wir als kleiner Verein können das Geld nicht mehr aufbringen." Siegfried Weigelt ist seit mehr als 50 Jahren für den Nachwuchs-Biathlonsport in Scheibe-Alsbach verantwortlich. Der 83-Jährige hat unter anderem den jetztigen Biathlon-Bundestrainer Mark Kirchner trainiert. Jetzt ist er besorgt, wenn er auf das Dach der Sporthalle und in die Zukunft seines Vereins guckt.

Der Wintersportverein (WSV) Scheibe-Alsbach zählt etwa 200 Mitglieder. Der Verein hat das Gelände, auf dem die Sporthalle steht, gepachtet. Das Dach der Halle wurde bereits zweimal notdürftig repariert. Das reicht nun aber nicht mehr aus. Nach 40 Jahren muss es komplett neu gedeckt werden. Andernfalls könnte nach jedem Regenguss Wasser den Weg durch die Decke in die Sporthalle finden, in der aktuell rund 30 Kinder und Jugendliche trainieren.

Alles hat sich der Verein mit unzähligen Arbeitsstunden selbst erschaffen. Bereits vor einigen Jahren musste der Verein nach einem Wasserschaden den Boden in der Halle erneuern. Das neue Dach kostet laut Weigelt etwa 10.000 Euro. Dafür hat der "Vater des Biathlons", wie er genannt wird, Fördergelder beim Landessportbund (LSB) beantragt.

Sanierungsbedarf in Thüringen wächst

Der LSB unterstützt mit Mitteln des Landes Vereine, die ihre Sportanlagen sanieren oder umbauen wollen. Dafür sind dieses Jahr im Thüringer Haushalt 2,7 Millionen Euro vorgesehen. Das Geld ist für Sportvereine gedacht, die ihre Anlagen entweder selbst besitzen oder gepachtet haben.

Seit fünf Jahren gibt es dieses Programm. Im vergangenen Jahr standen 900.000 Euro Fördermittel und damit weniger als die Hälfte zur Verfügung. Zwischenzeitlich wurde in den Haushaltsverhandlungen über eine Kürzung der Mittel nachgedacht. Allerdings wächst der Sanierungsbedarf. Selbst die 2,7 Millionen Euro reichen nicht aus, sagt der Hauptgeschäftsführer des LSB Thomas Zirkel. Der 49-Jährige beziffert den Bedarf auf etwa 3,5 Millionen Euro.

Der Bedarf wächst - Vereine trauen sich größere Projekte zu.

LSB-Geschäftsführer Thomas Zirkel

Für dieses Jahr sind 75 Anträge für verschiedene Vorhaben beim Landessportbund ins Haus geflattert. Darunter große Projekte wie ein neuer Kunstrasenplatz oder eine Sanierung der Kegelbahn. Die Vereine trauen sich immer mehr zu, solche Projekte umsetzen zu können, auch wenn sie 40 Prozent der Summe selbst aufbringen müssen, so Zirkel.

Schützenverein in Witterda plant neue Schießanlage

Im vergangenen Jahr hatten sich weniger Vereine um Fördermittel bemüht. 2022 waren es laut LSB etwa 60 Projekte, nur knapp die Hälfte wurde davon gefördert. Danach waren die Mittel bereits aufgebraucht. Ein Verein, der profitierte, war der Schützenverein "Edelweiß" in Witterda im Landkreis Sömmerda. Er durfte sich über rund 40.000 Euro freuen.

Das Schützenhaus soll perspektivisch ein sozialer Mittelpunkt für Kinder, Jugendliche und alle Sportfreunde sein.

Gerhard Schade, Vereinsvorsitzender

Der Verein mit rund 50 Mitgliedern plant eine ober- und unterirdische Schießanlage. Mit den Fördermitteln wurden neue Brandschutztüren, Holz und andere Materialien gekauft. Im Herbst soll die oberirdische Schießanlage fertig sein. Mittelfristig wollen Gerhard Schade und die anderen Vereinsmitglieder auch unterirdisch Schießübungen machen können.

Eine ambitioniertes Vorhaben für Schade und seine Mitstreiter, die bereits unzählige Arbeitsstunden und Energie in die Anlage neben dem Fußballplatz gesteckt haben. Die Anlage ist das Lebenswerk von Schade, der das Gelände gekauft hat. In Thüringen sind Sportstätten, die den Vereinen gehören, eher die Seltenheit. Die meisten Anlagen gehören den Kommunen oder Landkreisen. Hier ist der Sanierungsstau immens.

In einigen Anlagen ist seit 30 Jahren nichts passiert.

LSB-Hauptgeschäftsführer Thomas Zirkel

Landessportbund: Sanierung kostet 1 Milliarde Euro

Im Haushalt stehen den Kommunen und Landkreisen rund zehn Millionen Euro zur Verfügung, die sie für die Sportanlagen beantragen können, die saniert werden müssen. Diese Summe soll bis 2026 gleich bleiben.

Regelmäßige Investitionen begrüßt auch Thomas Zirkel. Seiner Meinung braucht es aber deutlich mehr Geld. Mit den Mitteln sei nicht der Bedarf abgedeckt, den es bräuchte, sagt er. Es bräuchte deutlich mehr Geld, sagt Zirkel, ohne eine genaue Zahl zu nennen. Marode Schulsporthallen und bröckelnde Fassaden gehören jedoch zum Sportalltag in Thüringen.

Nach einer Schätzung des Deutschen Olympischen Sportbundes betrug der Sanierungsstau in Deutschland im Jahr 2018 etwa 31 Milliarden Euro. Für Thüringen schätzt der LSB den Bedarf auf etwa eine Milliarde Euro. Sorgen bereiten ihm Anlagen, denen sogar die Schließung droht. Solche Anlagen seien nur noch mit einem großen Aufwand modern zu gestalten.

MDR (dr)

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Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 04. Januar 2022 | 15:00 Uhr

3 Kommentare

wwdd am 05.01.2023

Bei einer immer älter werdenden Bevölkerung ist das Geld für die Sanierung dieser Sportanlagen rausgeschmissenes Geld. Wintersportanlagen gehen wegen den unsicheren Nutzungsbedingungen schon mal gar nicht. Und unsere Neubürger sind sicherlich auf anderen Gebieten sportbegeistert.

Ludwig58 am 04.01.2023

Es hat sich in den letzten Jahren ein Mentalität breit gemacht, die ich nicht gut heißen kann: Interessenvertreter vieler Richtungen fordern für ihr jeweiliges Klientel möglichst uneingeschränkte Unterstützung ein. Ich will gar keine Beispiele nennen, sonst würde der Platz niemals ausreichen.
Stellvertretend für alle Wahrer partikularer Interessen sei gesagt: der Staat verfügt nur über eine begrenzte Menge finanzieller Ressourcen. Die müssen im Sinne einer zukunftsorientierten und verantwortungsvollen Politik so verteilt werden, dass möglichst viele davon partizipieren. Das gilt auch für den Sport. Es ist üblich in öffentlichen Haushalten, dass es mehr oder weniger lange Warteschlangen gibt. Da muss vielleicht mal Geduld gezeigt werden. Das ist allemal glaubwürdiger, als Druck auf den Staat ausüben zu wollen.
Ich war in früher selbst kommunalpolitisch aktiv und sah mich stets wohlgemeinten Wünschen ausgesetzt. Das war manchmal nervig. Das sollten die Interessenvertreter beachten.

Wurzelsepp am 04.01.2023

Der Euro kann nur einmal ausgegeben werden. Wer nicht haushaltet, hat am Ende kein Geld mehr für den Bau für Schulen, Straße, Schiene, Vereine oder Gebäuden. Die Regierung hat zwar den höchsten Haushalt aller Zeiten. Aber für was gibt sie es aus? Thüringen lebt vom Speck der einst neuen Infrastruktur und der Gebäude, die inzwischen 32 Jahre alt sind. Jeder private Hausbesitzer weiß, dass er nach solch langer Zeit wieder Geld in die Hand nehmen muss!

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