Rodachaue Förderregelung bedroht einzigartige Weidelandschaft in Südthüringen

Neue Richtlinien im "Kulturlandschaftförderprogramm" des Thüringer Agrarministeriums sorgen in Streufdorf für Ärger. Ein Agrarunternehmen lässt Rinder und Wildpferde auf Flächen weiden, die früher intensiv genutzt wurden. Ohne Förderung lässt sich die Bewirtschaftung der teils überfluteten Wiesen wirtschaftlich nicht betreiben. Und die Förderung fällt nun für das Unternehmen - sehr zu seinem Ärger - geringer aus.

Rinderherde auf einer Weide
In der Rodachaue weiden Rinder ganzjährig auf Wiesen, die immer wieder teilweise überflutet werden. Bildrechte: MDR/Bettina Ehrlich

Gemächlich zieht die Rinderherde bei Streufdorf über die patschnasse Wiese. Eins der Tiere mit den stattlichen Hörnern säuft aus einem Teich. Ein wenig abseits necken sich zwei junge Stuten. Doch die Idylle, in der die robusten Heckrinder und Konikpferde das ganze Jahr über weiden, ist in Gefahr. Fest eingeplante Fördergelder für die "Hutelandschaft Rodachaue" aus dem Kulturlandschaftförderprogramm (KULAP) sind abgelehnt worden.

Für Landwirt Dietmar Koch ist das Kürzel KULAP fast schon ein Schimpfwort geworden. "Hier steckt so viel Unsinn dahinter", sagt er. "Was da entschieden wurde ist völlig widersinnig, gegen die Natur und gegen jeglichen Menschenverstand."

Landwirt Dietmar Koch
Landwirt Dietmar Koch: "Was da entschieden wurde, ist widersinnig." Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Programm gleicht Mehraufwand für Naturschutz aus

Das Thüringer Förderprogramm KULAP ist ein Programm, dass Landwirten ihren Mehraufwand für den Naturschutz zum Teil ausgleichen soll. In der Rodachaue gab es früher Entwässerungsgräben. Das Gras auf den Wiesen wurde maschinell gemäht ohne Rücksicht auf Verluste. 2009 sind die Rinder und Pferde in der Rodachaue eingezogen. Die Gräben setzten sich mit der Zeit zu und die nahegelegene Rodach hat die Wiese immer wieder überschwemmt. Entstanden sind so viele kleine Feucht-Biotope. 2012 ist das Projekt mit dem Thüringer Naturschutzpreis ausgezeichnet worden. Heute wird um 30.000 Euro Fördergeld gestritten.

Mindestgröße für Weiden geändert

Grund dafür ist, dass in dem Ganzjahresweideprogramm neuerdings nur Flächen ab einer Größe von fünf Hektar gefördert werden. Diese Änderung hat das Infrastrukturministerium in den Förderrichtlinien festgelegt. Die Hutelandschaft insgesamt umfasst rund 130 Hektar. Sie wird aber in viele einzelne sogenannte Feldblöcke eingeteilt. Die sind nur zu einem geringen Teil über fünf Hektar groß. "Wir konnten den Antrag deshalb nicht vollständig genehmigen", sagt Charlotte Marien vom Landesamt für Landwirtschaft.

Landwirt Dietmar Koch im Gespräch mit Vertretern von Agrarbehörden
Landwirt Dietmar Koch und Straufhains Bürgermeister Tino Kempf (links im Bild) im Gespräch mit Vertretern des Landesamtes für Landwirtschaft. Bildrechte: MDR/Bettina Ehrlich

"Ich sehe von Seiten der Landwirtschaft keine Möglichkeit, diese Finanzlücke für dieses vom Naturschutz her so wichtige Projekt zu füllen", sagt sie mit ehrlichem Bedauern in der Stimme. Aber sie sei, was den Förderantrag angeht, an Recht und Gesetz gebunden. Von insgesamt 40.000 Euro im Jahr, wurden dem Landwirt nur rund 10.000 Euro bewilligt.

Ohne Förderung funktioniert es finanziell nicht

"Damit kann ich nicht wirtschaftlich arbeiten", so Koch. Für die Flächen zahlt er rund 11.000 Euro. Hinzukommen die Lohnkosten für die Mitarbeiter, die täglich nach den Tieren sehen. Die Arbeit ist auch nich ganz ungefährlich. Neugeborenen Kälbern muss beispielsweise eine Ohrmarke eingesetzt werden. Weil die Tiere weitgehend wild leben und nicht an den Menschen gewöhnt sind, muss das Muttertier meist betäubt werden. Wird der Bestand zu groß, werden Tiere per Jagdgewehr erlegt. Das Fleisch wird in der eigenen Landmetzgerei verarbeitet und verkauft. Das ist laut Koch so ziemlich die einzige Einnahmequelle.

Außerdem müssen rund fünf Kilometer Weidezaun in Ordnung gehalten werden. Um bei plus minus Null zu landen, braucht die Hutelandschaft rund 30.000 Euro im Jahr. "Eigentlich müsste ich sofort mit der Liquidation beginnen", so Koch. Als Geschäftsführer der Agrar GmbH Streufdorf habe er eine Verantwortung den Gesellschaftern gegenüber und die Mitarbeiter bräuchten ihren Lohn. Liquidation bedeutet hier, dass 100 Rinder und Pferde zum Schlachter müssten. Die Entwässerungsgräben würden wieder ausgeschachtet und die Wiese wieder intensiv bewirtschaftet.

Bürgermeister ist sauer

"Das kann ich einfach nicht glauben", schüttelt Straufhains Bürgermeister Tino Kempf (pl) den Kopf. Er zeigt auf einen nagelneuen Aussichtsturm am Rand der Weide. "Den hat das Umweltministerium hier aufgestellt und eine sechsstellige Summe investiert. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen", so Kempf aufgebracht. Und wirklich, vom Turm aus hat man einen sensationellen Blick. "Hier wird einem erst mal so richtig bewusst, was da auf dem Spiel steht." Kempf will nicht akzeptieren, dass es keine Lösung gibt.

Aussichtssturm in der Rodachaue
Ausblick bald ohne Tiere? Der vom Umweltministerium geförderte Aussichtsturm. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Gegen den KULAP-Förderbescheid hat Dietmar Koch einen Widerspruch formuliert. Dass es zu einer Einigung kommt und er das volle Geld doch ausgezahlt bekommt, danach sieht es nicht aus. Das Landesamt für Landwirtschaft sowie das Infrastrukturministerium halten sich an Recht und Gesetz. Vom Umweltministerium kommt nicht viel Konkretes. Ein Sprecher teilte zumindest mit, dass die beiden Ministerien gemeinsam nach Lösungen suchen.

MDR (bee/dr)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 27. März 2023 | 19:00 Uhr

8 Kommentare

Heinrich R. vor 9 Wochen

"Das Landesamt für Landwirtschaft sowie das Infrastrukturministerium halten sich an Recht und Gesetz."

...aber wenn die diesen "Schildbürgerirrsinn" selbst erfunden haben, wer hindert sie, ihn einfach wieder zu löschen.

Irren ist menschlich - Fehler zu korrigieren für eine Behörde nicht möglich?

martinh vor 9 Wochen

Da sieht man wieder mal, dass der Fachkräftemangel in Politik und Verwaltung am größten ist...

Wie kann man den Landwirten das Leben nur so schwer machen? Auf der einen Seite will man richtigerweise solche Projekte fördern. Auf der anderen Seite schmeißt man denen, die es dann machen nur noch Knüppel zwischen die Beine. Einige vergrault man schon mit der neuen, komplizierten Antragsstellung und die, die sich damit noch auseinander setzen, bekommen wegen neu erfundenen Bestimmungen merklich weniger Geld.

Aber scheinbar will man erreichen, dass immer weniger Landwirte Gebrauch von den Fördermitteln machen - das spart natürlich Geld, was man an anderer Stelle wieder sinnlos aus dem Fenster werfen kann. Mit Naturschutz und Hilfe für Landwirte hat das jedenfalls nichts mehr zu tun!!

Feldmaus vor 9 Wochen

Da sieht man mal wieder, wo die verfluchte Bürokratie hinführt. Gute umweltfördende Projekte scheitern, wo bleibt denn da der Aufschrei unserer Klimaaktivisten? Die kleben sich lieber auf Straßen fest, na ja auf einer Wiese geht das schlecht. Wo bleibt eine auf Augenmaß gut durchdachte Politik. Ich dachte man wolle alles für das Tierwohl machen und umweltbewusst.

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