Menschen laufen bei einer Demonstration gegen ein geplantes Flüchtlingsheim an dem einstigen Krankenhaus vorbei. In dem seit kurzem leer stehenden Gebäude sollen 80 bis 100 Flüchtlinge untergebracht werden. Hintergrund der Demonstration sind Pläne des Landkreises Hildburghausen, ein ehemaliges Krankenhaus zu einer Unterkunft für Flüchtlinge zu ertüchtigen.
Für die Proteste gegen die Unterbringung von Geflüchteten in einem leerstehenden Krankenhaus in Schleusingen hat der thüringische Ministerpräsident kein Verständnis. Bildrechte: picture alliance/dpa | Michael Reichel

Interview Ramelow: Asyl-Proteste in Schleusingen richten sich gegen eigene Bevölkerung

28. April 2023, 05:00 Uhr

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow hat mit Unverständnis auf die Proteste gegen eine geplante Flüchtlingsunterkunft in Schleusingen reagiert. Thüringen brauche Zuwanderung, vor allem von potenziellen Fachkräften, sagte er MDR AKTUELL.

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow hat irritiert auf die Proteste gegen eine geplante Flüchtlingsunterkunft in Schleusingen reagiert. In einem leerstehenden, aber räumlich voll ausgestatteten Krankenhaus sollen unter anderem ukrainische Familien untergebracht werden. Dagegen hatten am Mittwochabend rund 700 Menschen demonstriert.

Ramelow sagte dazu MDR AKTUELL: "Die Stimmung, die sich jetzt gegen ukrainische Familien richtet, richtet sich am Ende gegen die eigene Bevölkerung. Das Krankenhaus in Schleusingen steht leer, alle Zimmer sind vorhanden."

Thüringen ist auf Fachkräfte angewiesen

Die Proteste führten möglicherweise dazu, dass potenzielle Fachkräfte nicht in den Freistaat kämen. Genau auf diese Fachkräfte sei Thüringen aber dringend angewiesen.

Der Linke-Politiker bekräftigte in diesem Zusammenhang seinen Vorschlag, das Asylgesetz grundlegend zu ändern. Es gehe nicht darum, das Recht auf Asyl infrage zu stellen, "sondern die Möglichkeit einzuräumen, dass Asylbewerber ihren Antrag zurückziehen können". Im Gegenzug sollten sie eine Arbeitserlaubnis erhalten.

Erst Arbeitserlaubnis, dann Asylantrag

Ramelow erinnerte daran, dass es derzeit mehrere Jahre dauert, bis über einen Asylantrag entschieden wird. In dieser Zeit dürften die betroffenen Menschen nicht arbeiten und erhielten immer wieder zeitlich befristete Duldungen. "Wir haben junge Flüchtlinge, die 2015 zu uns gekommen sind. Die sind mittlerweile jahrelang hier, haben schulische Qualifikationen erworben und ihre Ausbildung gemacht. Die haben bis heute keine Bleibeperspektive. Das sind alles Dinge, die wir uns nicht erlauben können", sagte Ramelow.

Letztlich führe es bei allen Beteiligten nur zu Frust. Auch die Firmen, die auf junge und gut integrierte Mitarbeiter angewiesen seien, hätten bei der derzeitigen Rechtslage wenig Planungssicherheit, erklärte der Thüringer Ministerpräsident.

Ramelow verwies darauf, dass es in Thüringen derzeit 9.500 junge Asylbwerber im Alter von 18- bis 21 Jahren gebe. Auf der anderen Seite müsse die Wirtschaft pro Jahr 10.000 Fachkräfte von außerhalb anwerben, wenn sie ihren Ausbildungsbedarf decken wolle.

Am 10. Mai wollen die Regierungschefs von Bund und Ländern erneut über die Aufteilung der Kosten für die Aufnahme von Geflüchteten sprechen.

Nadine Wiedemann, Geschäftsführerin SIS 1 min
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Nadine Wiedemann ist Geschäftsführerin im Bitterfelder Unternehmen SIS. Dort arbeiten bereits Menschen mit einer Behinderung. Wie die Inklusion den Fachkräftemangel beheben kann, erklärt Nadine Wiedemann im Video.

MDR S-ANHALT Di 18.04.2023 16:00Uhr 00:23 min

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/dessau/bitterfeld/video-inklusion-fachkraefte-wiedemann-100.html

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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 28. April 2023 | 06:00 Uhr

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