DDR-Feriengebiet an der Hallenburg Abrisspläne im Paradies von Steinbach-Hallenberg

09. Oktober 2021, 05:00 Uhr

Im Feriengebiet in Steinbach-Hallenberg sind 143 DDR-Bungalows vom (Teil-) Abriss bedroht. Hintergrund ist ein Streit um nicht genehmigte Bauarbeiten. Doch die Eigentümer wehren sich und sehen die Stadt in der Verantwortung. Die Schwarzbauten seien überhaupt nur entstanden, weil die Stadt jahrzehntelang untätig blieb.

Seit 2001 verbringt Gerhard Cattus seine Ferien im Paradies. Genau genommen im "staatlich anerkannten Erholungsort" Steinbach-Hallenberg, der "mitten im wunderschönen Naturpark Thüringer Wald, nahe des berühmten Höhenwanderweges Rennsteig" liegt. Ein Ort der Ruhe und Entschleunigung, der "zu jeder Jahreszeit ein beliebtes Urlaubsziel" ist. So heißt es auf der Website der Stadt und fürwahr: Steinbach-Hallenberg ist ein wunderschöner Flecken Erde. Deshalb kaufte sich Cattus im Jahr 2001 ein Doppelferienhaus mit Garten am Stadtrand. Hier wollte der 75-jährige Pensionär seinen Lebensabend verbringen, doch daraus wird womöglich nichts.

Denn vor ein paar Wochen standen zwei Frauen und ein Mann vor seiner Tür. Sie kamen im Auftrag der Bauaufsichtsbehörde, um gemäß dem "Handlungskonzept der unteren Bauaufsichtsbehörde des Landkreises Schmalkalden-Meiningen" einen Ortstermin im "Sektor 1" durchzuführen. Fünf Minuten lang gingen die Mitarbeiter der Behörde auf seinem Grundstück umher und fotografierten sein Haus.

Der Abrissplan fürs Paradies

Das Ferienhaus, von dessen Terrasse Gerhard Cattus gern seinen Blick über das Haseltal schweifen lässt, steht am Westhang des Arnsbergs – im 20 Hektar großen Feriengebiet an der Hallenburg. Schon in den 30-er Jahren entstanden hier die ersten Bungalows, aber einen regelrechten Boom gab es erst in der DDR. In den 70-er und 80-er Jahren warb Steinbach-Hallenberg bei DDR-Betrieben für das Feriengebiet. Die Gemeindeverwaltung erstellte dafür 1973 einen Bebauungsplan. Die VEB sollten hier Wochenendhäuser für ihre Mitarbeiter errichten können, im Gegenzug erhoffte sich die Stadt einen besseren Zugang zu Rohstoffen und Baumaschinen. Die Rechnung ging auf: Mehr als 100 Bungalows wurden zwischen 1970 und 1990 am Arnsberg gebaut. Nebenher revanchierten sich die Betriebe und halfen beim Bau der Kita, der Schule und verschiedener Infrastruktur.

Das ist lange Vergangenheit. Seit der Wiedervereinigung ist das Paradies Gegenstand baurechtlicher Streitereien, von denen die Bauaufsichtsbehörde nun wohl endgültig genug hat. Im April 2021 ist das Feriengebiet durch das oben erwähnte Handlungskonzept in zwölf Sektoren unterteilt worden. Cattus' Haus liegt demnach in "Sektor 1". Folgende fünf Schritte sollen die Sektoren auf Wunsch der Baubehörde nun durchlaufen:

  1. Die Gebietseigentümer werden angeschrieben und zur Vorlage einer Baugenehmigung aufgefordert
  2. Ortstermine zur Aufnahme der Gebäudebestände werden durchgeführt
  3. Das Landratsamt vergleicht die Baugenehmigungen mit dem jeweiligen Gebäudebestand
  4. Betroffene werden angehört, falls Abweichungen festgestellt werden
  5. Rückbauverfügungen werden erlassen

Um es deutlich zu machen: Das Wort "Rückbauverfügung" steht in der deutschen Behördensprache für "Abriss", beziehungsweise für einen "Teilabriss". Somit ist Gerhard Cattus – an dessen Ferienhaus wahrscheinlich eine "Abweichung" festgestellt werden wird - einer der "Betroffenen".  

143 Ferienhäuser betroffen

Gerhard Cattus ist aber nicht der Einzige. 143 Ferienhäuser werden von der Bauaufsichtsbehörde überprüft. Ein Mammutprojekt für die Behörde, die sich sicher gern darum gedrückt hätte. Denn der Prozess dürfte mehrere Jahre andauern. Zumal Rückbauverfügungen nicht selten in aufwendigen Gerichtsprozessen enden. Doch der Behörde bleibt laut eigenen Angaben keine andere Wahl mehr. Seit der Wiedervereinigung gibt es für das Feriengebiet keinen gültigen Bebauungsplan. Damit liegen alle 143 Objekte im sogenannten Außenbereich (§35 BauGB) und genießen lediglich einen Bestandsschutz aufgrund des Einigungsvertrages. Das heißt, das Haus darf stehen bleiben, solange keine Anbauten und Erneuerungen vorgenommen werden, die über eine Instandsetzung hinausgehen. Doch dieser Zustand ist für viele Eigentümer seit Jahrzehnten untragbar.

Was bedeutet Außenbereich und Bestandsschutz?

Im deutschen Baurecht werden Flächen, die außerhalb von Ortschaften sowie des Geltungsbereiches eines Bebauungsplanes liegen als "Außenbereich" bezeichnet. Flächen und Grundstücke können hier nur im Rahmen eines strengen Reglements bebaut werden, das im §35 BauGB aufgeführt wird. Die strengen Vorschriften dienen unter anderem dazu eine Landschaftszersiedlung zu verhindern.

"Bestandsschutz" bedeutet, dass eine einmal genehmigte Bebauung oder Nutzung auf einem Grundstück zeitlos erhalten bleibt. Er leitet sich aus Art. 14 Abs.1 GG ab. Im Einigungsvertrag ist festgehalten, dass alle DDR Baugenehmigungen bestand haben. Ferner bekamen Gebäude, die vor dem 01.08.1985 unrechtmäßig (Schwarzbau) errichtet wurden, einen Bestandsschutz. Dieser Bestandsschutz resultierte aus dem DDR Baurecht, das in §11 Abs. 3 des VO für Bevölkerungsbauwerke regelt, dass Gebäude nicht zurückgebaut werden müssen, wenn sie länger als 5 Jahre gestanden haben, ohne dass eine Rückbauverfügung ausgesprochen wurde.

Bauen und Wohnen wie im Wilden Westen

In einem Artikel der Südthüringer Zeitung von 1995 erklärt der damalige Bürgermeister Dieter Häfner, dass für das Feriengebiet an der Hallenburg "laufend Anträge für Erweiterungen oder Neubauten" eingehen würden. Schon damals wollte die Stadt "Ordnung ins Chaos" bringen und einen Bebauungsplan aufstellen. Doch der kam – die Quellen sind hier nicht eindeutig – aus heute unbekannten Gründen nicht zustande. So vergingen die Jahre und die Wut der Eigentümer darüber verwandelte sich in eine Wild-West-Attitüde. Frei nach dem Motto: Wenn die Stadt es nicht geregelt kriegt, machen wir unsere eigenen Regeln.

2021 gibt es hier Dutzende Ferienhäuser, die ohne Genehmigungen saniert und baulich verändert wurden. Manche wurden sogar zum Wohnhaus umfunktioniert. Wenn man sich mit Mitgliedern des Hallenburg e.V. – der die Interessen der Ferienhausbesitzer vertritt - unterhält, trifft man viele, die diese Schwarzbauten gutheißen. Heike Reum zum Beispiel, die hier selbst ein Haus geerbt hat. Es sei doch nur verständlich, dass man im 21. Jahrhundert versuche "von einem Plumpsklo-Niveau wegzukommen", sagt sie. Auch energetisch seien die 40 oder 50 Jahre alten Ferienhäuser eine Katastrophe.

Dass die Bauarbeiten ohne Genehmigung erfolgten, sei vielmehr die Schuld der Stadt, die seit Jahrzehnten keinen Finger rührt. Nicht mal nennenswerten Widerspruch hätte es seitens der Stadt gegeben, sagt auch Reinhard Jäger. "Dass da mal gesagt worden ist: Halt, Schluss, es gibt Baustrafe oder was', nix, null", erzählt Jäger, der schon seit 14 Jahren an der Hallenburg ein Haus besitzt. Die Stadt habe hier Wohnsitze anerkannt und auch die Erschließungsmaßnahmen Mitte der 2000er Jahre nicht beanstandet. Damals ließ der Hallenburg e.V. für rund 330.000 Euro neue Trinkwasser-, Abwasser- und Stromleitungen verlegen.

Auch für Gerhard Cattus wirkte das damals wie ein Freifahrtsschein: "Ich dachte, das geht schon klar", sagt Cattus heute, der erst die Seitenwände seiner Terrasse verlängern und schließlich eine Überdachung anbringen ließ. "Andere haben da auch gebaut, ich habe gehofft, ich brauche keine Baugenehmigung. Es wird in dem Gebiet ständig gebaut – überall", sagt er.

Ein Gerichtsurteil mit Folgen

Doch diese Ausflüchte will das Landratsamt nicht gelten lassen. Zwischen 2000 und 2020 habe die Bauaufsichtsbehörde 140 Verfahren angestrengt, wie das Landratsamt Schmalkalden-Meiningen auf Anfrage von MDR THÜRINGEN mitteilt. Auch die Stadt hätte wiederholt darauf hingewiesen, dass nicht gebaut werden darf. Trotzdem gebe es kein Unrechtsbewusstsein, "Baustopps und Nutzungsuntersagungen durch die untere Bauaufsichtsbehörde wurden ignoriert". Im Amtsblatt der Stadt erklärte das Landratsamt im November 2018, dass die untere Bauaufsichtsbehörde gegen die zunehmende illegale Bebauung vorgehen und dafür ein Konzept aufstellen werde. Eben jenes Handlungskonzept, dessen Umsetzung im April 2021 begonnen hat und dessen Folgen Gerhard Cattus jetzt zu spüren bekommt.

Gegen die Anbauten an seiner Terrasse verhängte die Bauaufsicht im Jahr 2003 einen Baustopp und ein Zwangsgeld. Cattus zahlte und baute einige Jahre später trotzdem. 2010 sprach die Bauaufsichtsbehörde deshalb eine Rückbauverfügung gegen ihn aus. Es war die erste im Feriengebiet. Cattus klagte dagegen und im Mai 2013 fällte das Verwaltungsgericht Meiningen ein Urteil, das für das gesamte Feriengebiet in zweifacher Hinsicht interessant ist.

Zum einen hob das Gericht die Beseitigungsanordnung gegen Cattus auf. Er musste seine Terrasse nicht zurückbauen. Die Anordnung der Behörde hätte gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz verstoßen, urteilte das Gericht. Wenn die Bauaufsichtsbehörde sich zum Einschreiten entscheide, dürfe das wegen der Vielzahl an Baurechtsverstößen in dem Gebiet nicht willkürlich und systemlos geschehen. Sie müsse dafür ein Konzept haben – das Handlungskonzept.

In allen anderen Punkten wies das Gericht die Klage ab. Cattus hatte versucht nachträglich eine Baugenehmigung einzuklagen. Er argumentierte, dass es in der DDR einen Bebauungsplan für ein Wochenendhausgebiet gegeben habe, der zu Dreiviertel umgesetzt wurde. Deshalb handele es sich um ein planmäßig bebautes Wochenendhaus- und eben kein Außenbereichsgebiet. Folglich würde ihm eine Baugenehmigung zustehen. Das Gericht widersprach:

Zwar streite einiges für die Auffassung des Klägers, das streitgegenständliche Gebiet sei ausweislich des Beschlusses des Rates des Kreises Schmalkalden Nr. 356-91/73 förmlich durch einen Bebauungsplan […] überplant worden, […] entscheidend ist aber, dass […] nichts dafür ersichtlich ist, dass dieser Bebauungsplan, […] in bundesdeutsches Recht übergleitet worden ist.

Urteil des Verwaltungsgericht Meiningen vom Mai 2013

Und das ist der zweite interessante Punkt an diesem Urteil: Das Gerichtsurteil impliziert, dass es in der DDR einen gültigen Bebauungsplan gab, der jedoch nie übergeleitet wurde und deshalb keine Gültigkeit in der BRD entfalten konnte. "Wohl kein Einzelfall", sagt Prof. Dr. Sven Müller-Grune von der Hochschule Schmalkalden, der die Recherche zu diesem Artikel als Experte für das Thüringer Baurecht begleitet hat. "Es ist davon auszugehen, dass viele kleinere Kommunen in der Wendezeit keinen Schimmer davon hatten, dass sie ihre Bebauungspläne per Beschluss bis zum 30. Juni 1991 überleiten mussten."

Wie DDR-Bebauungspläne in die BRD übergeleitet wurden

Kurz vor Ende der DDR wurde in § 64 BauZVO die Überleitung von DDR-Bebauungsplänen in bundesdeutsches Recht geregelt. Für den Fortbestand des Bebauungsplanes musste die Gemeinde bis Ende 1990 einen Beschluss fassen. Im Einigungsvertrag wurde diese Frist nochmal bis zum 30. Juni 1991 verlängert. Bebauungspläne die bis zu diesem Stichtag nicht übergeleitet wurden, verloren ihre Gültigkeit.

Der verschwundene Bebauungsplan

Mangels Überleitung verwandelte sich das Feriengebiet an der Hallenburg über Nacht in ein Außenbereichsgebiet nach bundesdeutschem Recht. Dass die Grundstücke dadurch nicht nur Rechte und Entwicklungsmöglichkeiten, sondern auch an Wert verloren, bemerkte damals scheinbar niemand.  

Dass es in der DDR tatsächlich einen Bebauungsplan gab, der hätte übergeleitet werden können, legen drei Dokumente nahe, die MDR THÜRINGEN vorliegen. Zum einen ein schriftlicher Zeitzeugenbericht der ehemaligen Sekretärin des Feriengebietes an der Hallenburg, der im März 1989 verfasst wurde (ihr Name ist der Redaktion bekannt). Darin heißt es:  

1973 wurde vom Büro für Städtebau in Suhl der Bebauungsplan erstellt. 1974 erfolgte die Bestätigung des Plans durch alle Institutionen.

Ehemalige Sekretärin des Feriengebietes an der Hallenburg

Darüber hinaus gibt es den vom Verwaltungsgericht erwähnten Beschluss Nr. 356-91/73, den MDR THÜRINGEN im Stadt- und Kreisarchiv Schmalkalden finden konnte. Darin bestätigt der Rat des Kreises am 5. Oktober 1973 den "Bebauungsplan und die Direktive zur Herbeiführung von Ordnung im Wochenendhausgebiet ,Hallenburg' in der Gemarkung Steinbach-Hallenburg". Der Beschluss regelt konkret, welche Bauvorhaben im Gebiet zulässig sind. Unter Punkt 2.2 heißt es: "Es sind solche Erholungsbauten zugelassen, die den Typen des Bebauungsplanes vom März 1973 und dem Erläuterungsbericht der städtebaulichen Studie entsprechen." Die Anlage mit dem konkreten Bebauungsplan fehlt jedoch in der Akte.

Allerdings gelang es MDR THÜRINGEN einen Entwurf der städtebaulichen Studie vom März 1973 zu finden, der die Annahme erhärtet, dass es einen DDR-Bebauungsplan gegeben hat. "Der Entwurf ähnelt einem heutigen Bebauungsplan", sagt Rechtsexperte Müller-Grune, "viele Zeichen sind zu den heute verwendeten identisch. Es fehlt zwar die Begründung, die den Bebauungsplan komplettieren würde, aber alles in allem, kann man mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass es einen Bebauungsplan gab."

Prof. Dr. Sven Müller-Grune

Sven Müller-Grune ist seit 2011 Professor für Öffentliches Wirtschaftsrecht an der Hochschule Schmalkalden. Er studierte Rechtswissenschaft in Jena, Granada und Erlangen-Nürnberg und promovierte 2005 in Bonn. Von 2001 bis 2014 arbeitete er als Anwalt, seither weiter als Gutachter und Sachverständiger mit dem Schwerpunkt Verwaltungsrecht. Er gibt die mit einer wissenschaftlichen Einführung versehene Sammlung "Baurecht in Thüringen" heraus, die 2019 in vierter Auflage erschien.

Foto zum Audiointerview: Susann Eberlein

Eine Stadt schweigt sich aus

Juristisch betrachtet – da pflichtet Müller-Grune dem Urteil aus Meiningen bei - spielt die Existenz eines DDR-Bebauungsplanes heute keine Rolle mehr. Die Frist ist verstrichen und alle baurechtlichen Messen sind somit gelesen. Auch Schadensersatzansprüche gegen die Gemeinde, die die Überleitung nicht vorgenommen hat, hält Müller-Grune für wenig aussichtsreich, da Gemeinden laut § 2.3 BauZVO schon 1990 nicht zur Aufstellung eines Bauleitplans verpflichtet waren. Das entspricht auch der heutigen Rechtslage.

Interessant ist in diesem Zusammenhang aber, dass das Landratsamt Schmalkalden-Meiningen bis heute einen Bebauungsplan leugnet. 1974 habe es lediglich eine "städtebauliche Studie ohne Bebauungsplancharakter gegeben", heißt es auf Anfrage von MDR THÜRINGEN und weiter: "Es existiert kein Bebauungsplan. Selbst wenn einer existiert hätte, wäre er mangels Überleitung ungültig." Vorlegen konnte das Landratsamt diese Studie von 1974 nicht, verweist aber auf das Stadtarchiv Steinbach-Hallenberg. Eine Anfrage von MDR THÜRINGEN im Stadtarchiv blockiert Markus Böttcher (pl), der Bürgermeister von Steinbach-Hallenberg, aus unbekannten Gründen bisher persönlich. Zudem verweigert er dem MDR bisher jedwedes Interview zum Thema.

Ob die Gemeinde 1990/91 wusste, dass das Gebiet übergeleitet werden muss, um im juristischen Sinne als Feriengebiet fortzubestehen oder ob es gar eine bewusste Entscheidung war, untätig zu bleiben? Weil die Stadt schweigt, kann darüber nur spekuliert werden.

Die Pistole auf der Brust

Nichtdestotrotz ist die Frage, warum die Überleitung von der Gemeinde nicht vorgenommen wurde, von moralischer Bedeutung. Gerade vor dem Hintergrund der 30 Jahre währenden Rechtsstreitigkeiten und des Handlungskonzeptes, das in einer Vielzahl von Abrissen gipfeln könnten, muss sich die Stadt fragen lassen, warum das Problem nicht längst gelöst wurde. Schließlich hat sich die Gemeinde damit nicht nur selbst, sondern auch dem Landratsamt und den Eigentümern im Feriengebiet einen Bärendienst erwiesen.

Doch Verantwortung zuzugeben, kostet im Zweifelsfall Geld. So gab es auch 2005/06 einen Versuch einen Bebauungsplan für das Gebiet aufzustellen. Die Stadt wollte dafür einen Vertrag mit dem Hallenburg e.V. schließen, der regelte, welche Partei sich wie zu beteiligen hat. Der Verein forderte die Stadt damals auf, die Bedeutung des Feriengebietes für die Stadtentwicklung anzuerkennen und sich finanziell stärker zu beteiligen. Die Verhandlungen platzten. 2018 erklärte die Stadt in einer Stellungnahme wiederum, dass sich die Bungalowbesitzer damals mehrheitlich gegen eine Finanzierung ausgesprochen hätten (Freies Wort, 11. Nov. 2018).

Am selben Punkt stehen Stadt und Verein jetzt wieder. Es gibt einen städtebaulichen Vertrag, der nur noch der Unterschrift des Vereins bedarf, dann würde ein einfacher Bebauungsplan auf den Weg gebracht werden. Doch der Vertrag sieht vor, dass die Vereinsmitglieder – mit Ausnahme von 70.000 Euro, die die Stadt zuschießen würde – sämtliche Kosten für die Planung und für die nötigen Erschließungsmaßnahmen übernehmen. Der erst kürzlich neu gewählte Vereinsvorsitzende des Hallenburg e.V., Thomas Keller, sieht darin eine unannehmbare Klausel: "Der Verein würde sich damit zu Kosten verpflichten, die schwer zu kalkulieren sind und die in die Millionen gehen könnten."

Verlässliche Kostenschätzungen gibt es nicht. Allein der Bebauungsplan lässt sich auf rund 100.000 Euro taxieren. Die Erschließungsmaßnahmen, die einem Bebauungsplan folgen könnten, dürften deutlich teurer werden. Im Freien Wort vom 7. November 2018 war zu lesen, "dass selbst ein einfacher Bebauungsplan […] mehrere Millionen kosten dürfte". Das Problem ist, dass dem Hallenburg e.V. die Zeit davonläuft. Das Handlungskonzept der Bauaufsichtsbehörde setzt ihnen eine Pistole auf die Brust: Entweder sie unterschreiben und tragen die Kosten oder es droht der Abriss. In beiden Fällen wäre die Stadt aus dem Schneider. In beiden Fällen müssten Gerhard Cattus und bis zu 140 weitere Vereinsmitglieder die Zeche zahlen.

Die bittere Ironie dabei ist, dass die Stadt, insbesondere Bürgermeister Markus Böttcher, am Knüllfeld – nur einen Steinwurf vom Feriengebiet an der Hallenburg entfernt – ein zweites Ferienhausgebiet auf den Weg bringen will - eines mit Bebauungsplan.

Quelle: MDR THÜRINGEN/ask

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | 09. Oktober 2021 | 18:00 Uhr

26 Kommentare

mensrea am 11.10.2021

Tschingis: Natürlich haben wir ein Baurecht um gewisse Ziele durchzusetzen. Das ziehe ich auch nicht in Zweifel. Was ich bezweifele, ob diese Ziele HIER wirklich so erreicht werden können, wie man es sich denkt. So wie ich den Bericht verstehe, soll ja nichts komplett abgerissen werden. In anderen Worten, das eigentliche Verhindern der Zersiedelung durch den Schutz des Außenbereichts wird nicht erreicht. Ob da nun die Häuser mit oder ohne Anbau stehen, macht keinen Unterschied. Und ja, sowas darf nicht dazu führen, dass jeder jetzt anbaut/umbaut und dann mit den Schultern zuckt. Sowas muss dann wirklich schnell u umfassend verhindert werden. Ich verstehe nämlich nicht so richtig, warum das nicht geschehen ist. Angeblich hat man ja mehrere Eigentümer im Laufer Jahre "verwarnt" aber das hatte dann keine Konsequenzen. Und das muss man jetzt berücksichtigen, finde ich.

pepe79 am 10.10.2021

Ein Tinyhouse wo man keinen Platz hat und dann bei Pandemien so ein hohes Infektionsrisiko hat das jeder Krank wird und das man dann bei Quarantäne nicht verlassen darf? Klar da ist ja dann der große grüne Garten drumherum! Die vielen Grundstücke die dann mit diesen Miniknastkontainern bebaut sind und das immer knappere Bauland vereinnahmen wo auf dem selben Grundstück auch ein 2-8 Familienhaus stehen könnte das auch eine moderne ökologische und effiziente Energieversorgung haben kann...EINE und keine 2-8 wie wenn jede der Parteien eine eigene Tinyhütte hätte!

Tinyhäuser sind was für Kleingartenanlagen, ökologischer und sinnvoller Wohnraum sind sie nicht!

rochus.z am 10.10.2021

Gerade Herr Cattus muss sich aufregen, wo seine Terrasse fast ein halbes Fußballfeld ausmacht. Fürs Wochenende ist die viel zu groß. Ich hab mich auch gewundert, als ich darunter die 3 Garagen sah. Für seinen Lebensabend würde die Hälfte des Baus und eine Garage ausreichen. Aber erst mal illegal bauen und wenn's auffliegt, meckern.

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