Schmalkalden-Meiningen Aus für Automotive Lighting in Brotterode: Was passiert mit den 850 Beschäftigten?
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28. Dezember 2023, 20:00 Uhr
Südthüringen verliert mit dem Werk von Automotive Lighting einen Leuchtturm der Branche. Gleichzeitig suchen viele Unternehmen in der Region Mitarbeiter. Können die negativen Folgen der Werksschließung abgefedert und für die regionale Wirtschaft vielleicht sogar ins Positive gewandelt werden?
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Der Schock wirke immer noch nach, sagt Yvonne Krug. Die Betriebsratsvorsitzende bei Automotive Lighting in Brotterode im Landkreis Schmalkalden-Meiningen hat viel zu tun in diesen Tagen. Es geht um neue Perspektiven für hunderte Mitarbeiter. Das Werk in Brotterode war ein Leuchtturm in der Region. Der mit 850 Beschäftigten größte Arbeitgeber im Landkreis zahlte dank Flächentarifvertrag gute Löhne.
Die Nachricht über das Aus für den Standort kam für die Betroffenen im vergangenen Mai überraschend. Von Stellenabbau war bei dem Automobilzulieferer schon länger die Rede, nicht aber von einer Werksschließung. Stichtag ist der 31. März.
"Wir gehen hoch erhobenen Hauptes aus der Auseinandersetzung". Das zu sagen, ist Yvonne Krug wichtig. Die Betriebsratsvorsitzende spricht von einem starken Zusammenhalt in der Belegschaft in den vergangenen Monaten.
Überall in der Region werden Mitarbeiter gesucht
Trotzdem gibt es auch Positives zu erzählen. Die IG Metall hat einen bemerkenswerten Sozialvertrag erzielt: "Für die Branche und die Region ist er beispiellos", so Krug. Neben einem Budget für Umschulungen wurden Abfindungen für Stammbeschäftigte und Zeitarbeiter verhandelt. Außerdem gibt es ein Jahr eine sogenannte Transfergesellschaft - währenddessen gilt eine 85-prozentige Netto-Vergütung.
Positiv ist auch, dass überall - auch in der Region - Mitarbeiter gesucht werden. Zum Beispiel bei Wilhelm Plastic im benachbarten Floh-Seligenthal. Das Familienunternehmen stellt Spritzguss-Teile her. Schwerpunkt sind Lichtteile, die später in Autos verbaut werden.
Gelernte und ungelernte Mitarbeiter willkommen
Auch Kathleen Hellenbach, Junior-Chefin bei Wilhelm Plastic, hat in diesen Tagen viel zu tun. Ende des Jahres ist Inventurzeit. Beim Treffen berichtet sie außerdem von Geschäftsreisen bis nach Mexiko, um Kontakte zu knüpfen und neue Kunden zu akquirieren. Das Alleinstellungsmerkmal von Wilhelm Plastic, ein Betrieb mit etwa 80 Mitarbeitern, sei die hohe Qualität.
In dem von ihnen bedienten Segment sei das besonders wichtig, weil viele Teile sichtbar verbaut werden. Automotive Lighting ist ein langjähriger Kunde des Floh-Seligenthaler Familienunternehmens. Die Werkschließung in Brotterode wirke sich auf die Aufträge jedoch nicht aus, so Hellenbach. Die Produkte werden künftig lediglich an einen anderen Standort geliefert.
Für Menschen, die Ende März arbeitslos werden, stehen die Türen bei Wilhelm Plastic offen. Das Unternehmen suche praktisch jederzeit Mitarbeiter für den Schichtdienst: "Wir sind auch bereit, Menschen aller Altersgruppen einzustellen", so die Junior-Chefin. Gelernte wie Ungelernte seien willkommen.
Keine Masse an Bewerbungen eingegangen
Eine Jobmesse in Brotterode habe erste Kontakte gebracht, so Kathleen Hellenbach. Dort auf sich aufmerksam zu machen, sei wichtig gewesen. Die 28-jährige Juniorchefin erläutert: "Viele dachten, das Aus von Automotive Lighting wäre auch für uns das Aus". Dass das nicht der Fall ist, darüber hätten sich viele gefreut.
Auch wenn noch keine Masse an Bewerbungen eingegangen ist, ist Kathleen Hellenbach vorsichtig optimistisch, dass ehemalige Automotive Lighting-Beschäftigte den Weg in ihr Unternehmen finden. Als kleinerer Betrieb stünden sie zwar unter einem anderen Preisdruck und könnten möglicherweise nicht mit den Tarif-Löhnen von Automotive Lighting mithalten. Bei ihnen zu arbeiten, hätte aber auch Vorteile - zum Beispiel flache Hierarchien und kurze Kommunikationswege.
Ein Pluspunkt könnte ihrer Meinung nach auch sein, dass Wilhelm Plastic Teile herstellt, die die Beschäftigten von Automotive Lighting bisher immer weiter verbaut haben. "Es gibt also schon eine gewisse Identifikation".
Betriebsrätin: "Für viele wird es ein Abstieg sein"
Auch ein größerer Süßwarenhersteller mit einer Produktionsstätte im benachbarten Landkreis Gotha hat schon Werbebanner vor dem Werk in Brotterode aufgestellt. Bürgermeister Kay Goßmann berichtet, dass sich bei der Stadt Brotterode-Trusetal schon für die Bereiche Bauhof und Forstabteilung Interessenten gemeldet haben. Eine Person sei eingestellt worden.
Es sieht also so aus, als stünden die Chancen auf eine Weiterbeschäftigung für die 850 gekündigten Automotive Lighting-Mitarbeiter grundsätzlich gut. Regionale Unternehmen könnten sogar gestärkt werden. Betriebsratsvorsitzende Yvonne Krug findet trotzdem kritische Worte: "Für viele wird es ein Abstieg sein".
Erste Jobsuche nach vielen Jahren in einem Betrieb
Zudem hätten viele Stammbeschäftigte seit ihrer Ausbildung am Standort in Brotterode gearbeitet: "Nach 20 oder 30 Jahren in einem anderen Unternehmen noch mal bei Null anzufangen, löst Ängste aus". Sie hat die Sorge, dass einige beim Wechsel in einen neuen Job auf der Strecke bleiben könnten.
Die meisten Beschäftigten werden laut der Gewerkschafterin auf jeden Fall erst mal in die einjährige Transfergesellschaft gehen. Für endgültige Entscheidungen, wie es für sie beruflich weitergeht, ist damit noch etwas Zeit. Auf die Frage, welche Pläne sie selbst hat, sagt Krug: "Es gibt noch keine."
MDR (jn)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 28. Dezember 2023 | 09:00 Uhr
ElBuffo vor 49 Wochen
Auch Geringverdiener zahlen Grund- oder Mehrwertsteuer, vollkommen unabhängig von der Einkommensteuer. Der normale Mehrwertsteuersatz liegt in Norwegen übrigens bei 25%.
Peter Pan vor 49 Wochen
@Britta.Weber
was wäre denn ganz kongret anders zu machen, der höchste Posten sind meist die Lohnkosten, also für den Wirtschaftsstandort dann wohl 5€ die Stunde oder was wollen Sie? Die konzerne machen Milliarden schwere gewinne, zahlen am liebsten keine Steuern und sollen nach Ihrem Willen noch mehr Subventionen in den Allerwertesten geblasen bekommen.
Offiziell will CATL in Arnstadt seinen Betrieb nicht mehr erweitern wegen geringer Nachfrage, inoffiziell hört man überall, das die massive Ausländerfeindlichkeit gegen die chinesischen Arbeiter und andere ausländische Ak ein hauptgrund ist, denken Sie doch mal darrüber nach.
Peter Pan vor 49 Wochen
@Lieber Ossi
In Deutschland gibt es vor allem zwei probleme, zuviele Subventionen für Betriebe und zu viele Steuererleichterungen, es gibt keinerlei Anreize für betriebe, Energie zu sparen oder über vernünftiges Energiemanagment nachzudenken, bei 2 Millionen offenen Stellen in der bundesrepublik scheint die Ampel tatsächlich zu wirken, richten Sie Ihre kritik doch mal an die unternehmer, die für den betrieb verantwortlich sind.