Romantischer Abendhimmel über einem qualmenden Schornstein, Landschaft , Silhouette
80 Prozent der beiden Ortsteile in Grabfeld heizen noch mit Öl - der Bürgermeister will das ändern. Bildrechte: imago/imagebroker/begsteiger

Energieversorgung Ökobilanz aufpolieren: Wie Grabfeld klimaneutral werden könnte

26. Juni 2022, 13:27 Uhr

Die Gemeinde Grabfeld hat vor knapp einem Jahr für zwei seiner Ortsteile Energie-Gutachten in Auftrag gegeben. Jetzt sind die Papiere da. Sie fassen die aktuelle Ökobilanz aller Gebäude zusammen und machen konstruktive Vorschläge, wie Energie gespart und mehr regenerative Quellen eingesetzt werden könnten. Die Reaktionen der Einwohner auf die Sanierungspläne sind aber verhalten.

Im vergangenen Jahr ließ die Gemeinde Grabfeld im Landkreis Schmalkalden-Meiningen für zwei seiner 13 Ortsteile, Bibra und Behrungen - mit jeweils unter 600 Einwohnern - Energie-Gutachten erstellen. Dafür hatte die Gemeinde an einer Ausschreibung der Thüringer Energie AG (TEAG) teilgenommen, sodass ihr für die umfangreichen Untersuchungen keine Kosten entstanden sind.

Datenerhebung: 80 Prozent heizt noch mit Öl

Ziel war es, den energetischen Istzustand zu definieren, um passgenaue Strategien zu entwickeln, wie vor Ort Klimaneutralität erreicht werden kann. Alle Einwohner der beiden Ortsteile wurden vorab angeschrieben und um Ausfüllung eines Fragebogens gebeten. Auf diese Weise wurden Verbrauchsdaten und die Häufigkeit von Heizformen erhoben.

Der Generationenvertrag für das Klima

2045 - das ist die magische Zahl. Bis dahin soll Deutschland klimaneutral sein. Der Bund hat das Ziel im Klimaschutzgesetz verankert. In diesem Zusammenhang ist auch von einem "Generationenvertrag für das Klima" die Rede.

Diese Formulierung geht auf das historische Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom April 2021 zurück, dass den Bund dazu verpflichtet hatte, "aktiv vorzubeugen, so dass es in Zukunft nicht zu unverhältnismäßigen Einschränkungen der Freiheitsgrundrechte der heute jüngeren Menschen kommt", wie es auf der Internetseite der Bundesregierung heißt. Kurzum: Die Älteren schulden es den Jüngeren, ihnen eine intakte und bewohnbare Welt zu hinterlassen. Bis 2045 Klimaneutralität zu erreichen, bedeutet, dass in den nächsten 23 Jahren viel Arbeit ansteht.

Laut Bürgermeister Christian Seeber (CDU) haben sich pro Ortsteil rund 40 Haushalte zurückgemeldet. Ein wenig mehr Rücklauf hätte er sich gewünscht, hat aber auch Verständnis: "Der Fragebogen war wirklich sehr ausführlich und detailliert, da musste man sich Zeit nehmen." Die Daten der restlichen Gebäude wurden durch Begehungen und Luftbilder gesammelt. Insgesamt wurden im Rahmen der Studie für gut 370 Gebäude energetische Berechnungen durchgeführt. Darüber hinaus wurden Entwicklungsszenarien simuliert und Nahwärmeoptionen geprüft.

Große Mehrheit heizt noch mit Öl

Heraus kam, dass in fast 80 Prozent der Häuser in Grabfeld noch mit Öl geheizt wird. Bürgermeister Seeber hat das überrascht. Dennoch sieht er einen günstigen Moment kommen: "Denn viele der Ölheizungen wurden ja nach der Wende im Tausch gegen alte Kohleheizungen eingebaut." Das sei jetzt 30 Jahre her, sodass viele Hausbesitzer früher oder später vor der Frage stünden: Wie geht es weiter?

Die Konzepte sollen verdeutlichen, "dass es heutzutage finanziell lohnend ist, sich von einer fossilen Ölheizung zu trennen und auf erneuerbare Heizungstypen umzustellen", wie es wörtlich in dem Studientext heißt. Als die zwei besten Varianten werden Holzheizungen (Pellet oder Hackschnitzel) und Wärmepumpen genannt.

In Kombination mit der Sanierung der Gebäudehüllen und dem Zubau von Photovoltaik könne mit realistischem Kostenaufwand Klimaneutralität erreicht werden. Die laufenden Kosten seien nach der Umrüstung um bis zu einem Drittel geringer.

Nahwärme-Netz als klimaverträgliche Lösung?

Grundsätzlich kommt die Studie allerdings auch zu dem Schluss, dass ein Nahwärmenetz unter Einsatz von Biomasse wirtschaftlicher als die kostenoptimierte Versorgung einzelner Gebäude ist. Vorausgesetzt alle Eigentümer ließen sich an das Netz anschließen.

In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass es in Grabfeld viele Fachwerkhäuser gibt. Alte Bausubstanz ist schwieriger zu dämmen, als Neubauten. Infolgedessen wird auch mehr Energie benötigt, um sie zu beheizen. Der größere Wurf wäre daher ein Nahwärmenetz, dass über eine Hackschnitzelanlage versorgt wird. Je mehr Haushalte angeschlossen wären, desto besser. In Behrungen, wo es eine Biogasanlage gibt, könnte die dort entstehende Wärme unter Umständen zusätzlich eingespeist werden.

Reaktionen in den Ortsteilen verhalten

Die Ergebnisse der Studien wurden den Bürgern auf einer Informationsveranstaltung vorgestellt. Gut 30 Menschen seien gekommen, so Bürgermeister Seeber. Auch hier habe er auf etwas mehr Interesse gehofft: "Gerade jetzt, wo das Thema durch den Ukrainekrieg dermaßen an Brisanz gewonnen hat."

Gerade vor dem Hintergrund des Ukrainekriegs hatte ich auf mehr Interesse gehofft.

Christian Seeber Bürgermeister von Grabfeld (CDU)

Unter den Neugierigen war auch Christian Schober aus Bibra. Er selbst hat sich vor sieben Jahren beim Hausbau für eine Gastherme entschieden. Bisher war er damit auch zufrieden. Ob er wieder auf Gas setzt, wenn die Therme ihren Geist aufgibt, weiß er noch nicht. Für ihn steht der Kostenfaktor im Mittelpunkt. Damals habe eine Wärmepumpe ungefähr das Dreifache einer Gastherme gekostet. "Das muss man sich erstmal leisten können."

Hausbauer: Solartechnik ja, aber kein Gras aufs Dach

Was den Zubau von Solartechnik angeht, sei die Entscheidung dagegen schon gefallen. Zehn Module sollen auf sein Dach. "Nur leider bekomme ich aktuelle keine." Wenig halte er allerdings von der Idee, die auf der Info-Veranstaltung diskutiert wurde, sein Dach zu begrünen. "Da bin ich weit mehr für die Aufforstung von Wäldern."

Wir reißen doch jetzt nicht wieder die neu gemachte Straße auf, um Leitungen zu verlegen.

Christian Schober Hausbesitzer aus Bibra

Auch der Nahwärmenetz-Variante mit Hackschnitzelanlage steht der 41-Jährige skeptisch gegenüber. Sie enthält für ihn zu viele ungeklärte Fragen: Wo soll man die Hackschnitzel lagern? Woher soll das ganze Holz kommen? Außerdem seien die Straßen im Ort neu gemacht. "Die reißen wir doch jetzt nicht wieder auf, um Leitungen zu verlegen."

Blick auf ein Dorf
Wie geht es weiter mit der Energieversorgung in Grabfeld in Schmalkalden-Meiningen? Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

"Sanierungsmanager" soll eingestellt werden

Bürgermeister Christian Seeber lässt sich durch die bisher noch verhaltenen Reaktionen der Bürger auf die Sanierungsvorschläge nicht entmutigen. Im Gegenteil. Gerade beantragt er Gelder für die Stelle eines "Sanierungsmanagers".

Seine Aufgabe wird es zum einen sein, die Gebäude der Gemeinde umzurüsten. Zum anderen wird er für Einzelberatungen zur Verfügung stehen. "Wir wollen die Menschen mit konkreten Ratschlägen unterstützen", so Seeber. "Und dabei helfen Fördermittel zu beantragen."

Mehr zum Thema, wie Thüringen mit dem Ausbau von Windkraft das Klimaneutralitätszeil erreichen kann, ist am Montag bei "Fakt ist!" zu sehen.

MDR FERNSEHEN Di, 28.06.2022 02:25 03:25
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Programmpunkt 28.06.2022

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Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 25. Juni 2022 | 18:42 Uhr

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