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Fusions-DebatteDas gespaltene Dorf

01. Juli 2022, 18:15 Uhr

Die Gemeinde Sülzfeld im Landkreis Schmalkalden-Meiningen steht vor einer Fusion. Die Frage ist nur, mit wem. Zur Auswahl stehen Meiningen und Rhönblick. Unterschiedlicher könnten die potenziellen Partner kaum sein. Kreisstadt oder Landgemeinde? Entlang dieser Frage scheint ein Riss durch das Dorf zu gehen.

von Marlene Drexler, MDR THÜRINGEN

Es ist wahrscheinlich die geschichtsträchtigste Entscheidung, die Sülzfeld je treffen musste. Nach über 1.200-jähriger Geschichte wird die Gemeinde im Landkreis Schmalkalden-Meiningen ihre kommunale Eigenständigkeit aufgeben. Auch wenn eine Fusion rein rechtlich gesehen immer freiwillig geschieht, ist der Druck im Fall von Sülzfeld hoch.

Weil ihr Haushalt in den vergangenen Jahren ein Minus aufwies, musste die Gemeinde ein Haushaltssicherungskonzept aufstellen. Dazu kommen um die 1,9 Millionen Euro Schulden. Unter diesen Vorzeichen kann die Gemeinde kaum aus eigener Kraft investieren.

Ein Zustand, der die Sülzfelder Bürger in Verbindung mit dem neuen, finanziell lukrativen Angebot des Landes an fusionswillige Orte mehrheitlich von einer Fusion überzeugt hat. Bei einer inoffiziellen Bürgerbefragung stimmten rund zwei Drittel für die Aufgabe der Eigenständigkeit. Das Land zahlt Fusionspartnern pro Einwohner eine Prämie von 200 Euro. Die Maximalzahlung liegt bei zwei Millionen Euro.

Die Qual der Wahl für Sülzfelder

Seitdem wird diskutiert, ob sich Sülzfeld mit seinen gut 800 Einwohnern Meiningen oder Rhönblick anschließen soll. Zwei Alternativen, die sehr unterschiedlich sind: Meiningen ist die Kreisstadt und hat über 25.000 Einwohner. In den zehn Ortsteilen der Landgemeinde Rhönblick leben dagegen nur rund 2.600 Menschen. "Natürlich sind die Gesetze für alle gleich. Aber bestimmte Dinge werden unterschiedlich gehandhabt und es gibt natürlich auch verschiedene gewachsene Verflechtungen", erklärt die scheidende Bürgermeisterin Eva Seeberg.

Die 71-Jährige hatte das Amt die vergangenen 18 Jahre inne. Zur jüngsten Wahl im Juni war sie nicht noch einmal angetreten. Mit der bevorstehenden Fusion hatte das allerdings nichts zu tun: "Der Entschluss nach dieser Amtszeit aufzuhören, war schon lange vorher gefasst".

Eklat im Gemeinderat

Nach Seebergs Einschätzung hat die Fusionsfrage vor allem zwei Dimensionen: eine emotionale und eine finanzielle. Ein Teil fühlt sich zu Meiningen hingezogen, weil er dort einkaufen und zum Arzt geht. Der andere Teil hat eine Verbindung zu Rhönblick, weil sein Kind dort auf die Schule geht. Weil einige Bürger unaufgefordert bei der Befragung zur Fusion Meiningen als Präferenz angegeben hatten, besteht nun das Gerücht, die Mehrheit der Bürger wolle nach Meiningen.

Aus diesem Grund schien der Eklat fast schon programmiert, als die größte Fraktion im Gemeinderat, "Pro Sülzfeld", - die zudem mehr als 50 Prozent der Mandate besitzt - zur letzten Sitzung einen Fusionsbeschluss mit Rhönblick mitbrachte. Nach Protest und Besprechung wurde gar nicht erst über den Beschluss abgestimmt.

Für Eva Seeberg war es ein positives Zeichen, dass so viele Menschen zur Sitzung gekommen sind: "Es ist doch gut, dass sich die Menschen für ihren Ort interessieren und wissen wollen, wie es weitergeht".

Politisches vs. ökonomisches Argument

Aus ökonomischer Sicht wäre Meiningen auf den ersten Blick der bessere Fang, weil das Land Städten pro Kopf gerechnet mehr Schlüsselzuweisung gewährt. Hintergrund ist dabei die Annahme, dass eine Stadt im Gegensatz zu einer kleineren Gemeinde einen proportional größeren Anteil zur Unterhaltung verschiedenster regional genutzter Infrastruktur leistet.

Auf politischer Ebene gibt es das Argument, dass Sülzfeld mit Anschluss an Rhönblick mehr Mitbestimmungsrecht und damit Gestaltungsmacht behielte. Vor allem angesichts der Tatsache, dass Sülzfeld dann der größte Ortsteil der Gemeinde wäre. Wie sich diese Sichtweisen mit der Realität vertragen, darüber kann nur spekuliert werden. Vor allem kommt es natürlich auf den konkreten Fusionsvertrag an.

Bürgerbefragung soll bindend sein

Bis zum 19. September muss eine Entscheidung gefallen sein. Dann endet die Antragsfrist vom Land. Vorher soll es noch eine weitere Bürgerbefragung geben, bei der die Menschen ihre Präferenz äußern können. Das Ergebnis soll dann für den Gemeinderat bindend sein. Diesen basisdemokratischen Weg geht der Gemeinderat freiwillig. Als gewählte Vertreter könnten sie auch, sofern sich eine Mehrheit findet, aus eigener Kraft einen Beschluss fassen.

Für die neue Bürgermeisterin Andrea Krieg die erneute Befragung aber eben genau die Chance, wieder Frieden einkehren zu lassen. Für alles, was danach kommt, ist sie optimistisch: "Wir haben hier viele Vereine, die gut zusammenarbeiten. Und auch, wenn das Dorf momentan etwas gespalten ist, bin ich mir sicher, wir finden wieder zusammen".

Wirksam würde die Fusion dann frühestens zum 1. Januar 2024.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels haben wir berichtet, dass bei der inoffiziellen Bürgerbefragung für die Aufgabe der Eigenständigkeit rund ein Drittel dafür gestimmt hat. Dies haben wir korrigiert: Rund zwei Drittel stimmten dafür.

MDR (jn)

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Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Regionalnachrichten | 01. Juli 2022 | 17:30 Uhr

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