Berge, Beats und BratwurstWie die "jungen Wilden" vom Ruppbergverein Zella-Mehlis ihre Heimat sehen
Auf dem Ruppberg bei Zella-Mehlis betreibt ein Verein eine Hütte. Dort bieten junge Engagierte Gastronomie und Musikveranstaltungen an. Wir haben die "jungen Wilden", wie der Verein seinen Nachwuchs nennt, gefragt, was für sie Heimat bedeutet und was ihnen für die Zukunft wichtig ist – etwa in Hinblick auf die Abwanderung junger Menschen.
- Im Verein Ruppberg e.V. engagieren sich auch junge Menschen aus Zella-Mehlis, die mit dem Berg und dem Verein ein Heimatgefühl verbinden.
- Der Verein pflegt bereits eine lange Tradition seit 1898, braucht für seinen Erhalt aber weiterhin neue Vereinsmitglieder.
- Die sogenannten "jungen Wilden" des Vereins erzählen, wie sie in die Zukunft blicken.
Ein Ortsbesuch mit Wanderschuhen auf knapp 900 Metern Höhe – mit weitem Blick über den Schneekopf, den Großen Beerberg, den Hermannsberg bis in die Rhön und quer über den Rennsteig. Genauer gesagt, sind es knapp 866 Meter. So steht es auf dem Schild, an dem sich auch Philipp Kleylein gerne fotografieren lässt.
Er ist 34 Jahre alt und kennt den Ruppberg seit seiner Kindheit. Heute hilft er im Ruppbergverein. und gehört zu den "jungen Wilden". So bezeichnen die älteren ihre jüngeren Mitglieder, erzählt Kerstin Blüm, die Vorsitzende. Ginge es nach ihr, dürften es noch mehr werden. Knapp 40 Mitglieder zählt der Verein aktuell.
Heimat bedeutet ein "wohliges Gefühl"
An diesem Wochenende haben Philipp und seine Kolleginnen Steffi und Chris Dienst. Immer freitags wird alles vorbereitet, eingekauft, sortiert, die Kisten beladen. Samstagfrüh geht es auf den Berg. Weil es keine Straße gibt, wird ein Lift genutzt – ein Zugseil, um alles, was man braucht, nach oben zu bringen, von der Bratwurst bis zum Trinkwasser.
"Ich find's bei uns schön!", sagt Philipp (auf dem Berg wird konsequent geduzt). Er sei auch noch nie woanders gewesen: "Ich habe hier gelernt, bin hier groß geworden, habe hier gearbeitet." Haus, Familie, Tochter, Wald und Berge. Geht noch mehr Heimatgefühl? Er überlegt kurz, schüttelt den Kopf.
Das, was Heimat ausmacht, sollte mit einem "wohligen Gefühl" verbunden sein, findet er. Und genau das scheint sich auf knapp 900 Metern Höhe einzustellen – bei den Gästen, seinen Mitstreitern vom Verein und bei ihm natürlich auch. Wenngleich sich genau diese Generation auch Fragen stellt zu Klimawandel, Waldsterben, Umweltschutz und Politik.
Wie umgehen mit Klimawandel und Waldsterben?
Wie blickt man von hier oben auf die Fragen der Zeit, auf Klimawandel und Waldsterben? Auch wenn aus Philipps Sicht der Wald und das Leben hier größtenteils noch in Ordnung sind, die Politik sei gefordert und etliches müsse anders werden: "Es muss ein Gesamtpaket her. Wir können nicht blinden Aktionismus im Umweltschutz betreiben, sondern wir brauchen wirklich konkrete Pläne. Es darf nicht zu Lasten der Mittelschicht gehen", sagt Philipp.
Er sei eher konservativ orientiert und spricht vielleicht für viele hier, die unzufrieden sind mit manch einer Idee der Berliner Ampelregierung: "Eine gewisse Bevormundung bringt eine automatische Abwehrhaltung mit sich." Die hohen Zuspruchszahlen für die AfD könne man nur so erklären. Es seien, so Philipp, "viele Leute dabei, die sagen: Wen soll ich sonst wählen? Trotzdem muss es eine offene Diskussionskultur geben." Und die vermisse er oft.
Philipp arbeitet im Handwerk und kennt die Region und damit ihre Probleme. Nicht alle jungen Menschen sind geblieben. Er weiß: Nur wenn alles intakt und attraktiv bleibt, dann geht es den Menschen auch gut – und damit dem Verein.
Tradition wird seit 1898 gepflegt
Zwei Tage wird hier durchgearbeitet und auch auf dem Berg übernachtet. Wie viele Wanderer an den Wochenenden hinauf kämen und wann der erste, das sei immer eine Überraschung. Manch einer würde schon zum Sonnenaufgang dankbar nach einem Kaffee fragen.
Der Verein blickt auf eine lange Tradition zurück. Etliche Berghütten standen hier seit 1898. Das Team ist klein: Eine Person ist immer in der Küche, eine am Grill (die frische Thüringer Bratwurst ist ein Muss) – ansonsten gilt es für zwei andere: Gäste betreuen, Tische abräumen, schauen, dass alle zufrieden sind. An jedem Wochenende kommen etliche Besucher hierher, mal mehr, mal weniger. Es ist wetterabhängig und nur vom Frühjahr bis zum Herbst geöffnet.
Vor ein paar Wochen war ein DJ hier. "Warum nicht?", sagt Philipp. Andere Musik, andere Beats – nur die Bratwurst, die wird es wohl immer genau so geben: nämlich frisch gegrillt und derzeit für 2,80 Euro, also fast zum Freundschaftspreis.
Wollen "erhalten, was gut ist"
Und wie blicken die "jungen Wilden" in die Zukunft? Sie wollen gar nicht so viel verändern, sagen sie. "Warum auch?" Ihnen gehe es um das Erhalten dessen, was da und was gut sei. Und vielleicht komme dann eben einfach das Neue hinzu, meint Philipp – so wie der DJ eben. "Das kann man ja verknüpfen zu einer neuen interessanten Sache, für die Generation, die da mitziehen möchte und nicht hier sitzen will, um die alten Kamellen hoch und runter zu hören."
Ein Blick zum Grill: Dort steht heute Chris und dreht die Bratwürste um. Auch sie lebt im Ort am Fuße des Berges. Am Wochenende ist sie manchmal mit Freund und Tochter hier und hilft, wie andere auch, zwei Tage am Stück im Verein. Das Feedback der Gäste, sagt sie, sei immer gut und solche Sonnenauf- und -untergänge gebe es sowieso nur hier. Sie lacht und reicht die Bratwürste weiter.
"Wir haben schon echt eine schöne Umgebung: viel Grün, viele Berge", sagt Chris. "Das fällt dir erst auf, wenn du angesprochen wirst. Für uns ist das normal, wir kennen es nicht anders." Die Leute kommen von überall her und lieben es hier, erzählt sie. "Und gerade, wenn du dann frühs oder abends zusammen sitzt, sagst du dir schon: Boah, wir wohnen schon cool!"
Hoffnung auf viele Besucher und mehr Vereinsmitglieder
Künftig hoffe man hier auf mehr Vereinsmitglieder und Philipp wünscht sich, dass sein positives Heimatgefühl auch an die nächste Generation übergeht und dass es ihnen gelingt, ein breites Publikum anzusprechen: "Ohne Besucher würde es hier oben ja auch nicht weitergehen. Wenn nur wir hier stehen, das macht ja auch keinen Sinn."
Im Herbst sei es eigentlich am schönsten, erzählt er. "Fast magisch", der Blick auf die Farben, die Ferne und den Wald. Vielleicht ist man hier dem Himmel, den Wolken und dem, was man nicht mehr beschreiben kann, doch ein Stück näher – und dem Zustand, der Kraft gibt, auftanken läßt, das vermittelt, was Heimat ausmacht.
Philipp erzählt, dass er einmal am Grillrost gestanden habe, da sei er ins Gespräch mit einem Mann gekommen, der bereits über 80 Jahre alt war. "Als er gehen wollte, haben wir uns verabschiedet. Wir sagen hier oben ja immer: 'Komm gut runter'. Da kam dann doch die ein oder andere Träne, und er hat sich bei uns bedankt, dafür, dass es junge Leute gibt, die in ihrer Freizeit hier oben einen gewissen Beitrag leisten für die Region, für ein kulturelles Portfolio, was wir hier haben."
redaktionelle Bearbeitung: sg, hki, hro
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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 23. August 2024 | 08:40 Uhr