Häftling flüchtete in Pappkiste Abschlussbericht zum Gefängnisausbruch in Suhl
Hauptinhalt
Ein Jahr lang prüften Experten die spektakuläre Flucht aus dem Gefängnis Suhl-Goldlauter. Ihr Bericht zeigt nun menschliches Versagen, organisatorische Mängel und das Problem einer JVA im Zustand der achtziger Jahre.

Der Herbst 2017 war für Thüringens grünen Justizminister Dieter Lauinger nicht leicht. Seit dem 17. Oktober jagte eine Sitzung des Justizausschusses die nächste. Die CDU-Opposition, schon vorher auf Lauinger nicht gut zu sprechen, hatte sich auf ihn eingeschossen. Lauinger und seine Beamten standen vor einem GAU. Was war passiert? Ein Häftling konnte aus der Haftanstalt Suhl-Goldlauter fliehen. Das hatte er in einer solchen Filmreife gemacht, dass halb Deutschland staunend und feixend auf das kleine Thüringen schaute. Er war in eine große Pappkiste gestiegen und hatte sich ungesehen aus einem Lagerraum abtransportieren lassen.
Nur wenige Tage nach dem Ausbruch rekonstruierte MDR THÜRINGEN in einer Recherche den Ablauf der Flucht, wie er sich nun fast exakt im Untersuchungsbericht der Experten-Kommission wiederfindet. Diese hatte Lauinger in den Wochen nach der Flucht als Befreiungsschlag ins Leben gerufen. Die drei Herren, alles Beamte aus dem Bereich Justizvollzug, prüften und untersuchten ein Jahr lang. Sie führten dutzende Gespräche mit Mitarbeitern in Suhl-Goldlauter. Sie befragten die betroffenen Beamten, die an dem Tag Dienst in der Haftanstalt hatten. Sie besichtigten das gesamte Gebäude, dabei besonders den Kellerraum, in dem alles passierte. Denn nach Informationen von MDR THÜRINGEN kommen sie in ihrem Bericht zu dem Schluss, dass für einen solchen Raum zu wenig Aufsichtspersonal da gewesen sei.
Unübersichtlicher Kellerraum
Die Haftanstalt Suhl-Goldlauter, Mitte der achtziger Jahre errichtet, ist ein DDR-Neubau. In den Untergeschossen gibt es lange und dunkle Kellerräume. In genau so einem hatten gut 15 Häftlinge an jenem 17. Oktober 2017 die Aufgabe, Kartons mit Plastikwaren zu befüllen. Diese werden für eine externe Firma in der JVA hergestellt. Doch die Häftlinge beaufsichtigte damals nur eine Justizvollzugsbeamtin - in einem langen und unübersichtlichen Kellerraum nicht ausreichend, so der Bericht. Offenbar in einer unbeaufsichtigten Minute kletterte der moldawische Häftling Vasili T. in einen der Kartons. Niemand bemerkt es. Die Beamtin schaute beim Abtransport der Kartons nicht richtig nach und schon war die Pappkiste samt Vasili T. auf einem Laster. Der fuhr los und in der Ausgangsschleuse fiel es wieder niemanden auf.
Hinzu komme, so der Bericht, dass die Beamtin die Häftlinge nach dem Ende der Arbeit nicht richtig durchgezählt habe. Erst später soll dann auf der Gefangenenstation aufgefallen sein, dass einer fehlte. Nun, so die Kommission, passierte ein weiterer schwerwiegender Fehler. Denn zuerst wurde mehr als drei Stunden in der JVA erfolglos nach Vasili T. gesucht. Erst dann schlug die Anstaltsleitung bei der Polizei Alarm. Viel zu spät, heißt es von der Kommission. Denn der Moldawier hatte dadurch wertvolle Zeit gewonnen, sich weiter abzusetzen. Die Polizei versuchte dann noch ihr Möglichstes, aber Vasili T. blieb verschwunden.
Ausbrecher nun nicht mehr in Suhl
Für die Anstaltsleitung und das zuständige Ministerium eine peinliche Sache. Zumal es nur wenige Monate später, im Januar 2018, drei Häftlingen gelang, aus der Jugendstrafanstalt Arnstadt zu entkommen. Allerdings wurden alle drei noch am selben Tag von der Polizei gefasst. Auch für Vasili T. endete die Flucht im März dieses Jahres. Die moldawische Polizei und Zielfahnder des Thüringer Landeskriminalamtes konnten ihn an der moldawisch-rumänischen Grenze festnehmen. Nun liegt der Bericht der Expertenkommission vor. Ein Sprecher des Justizministeriums bestätigte MDR THÜRINGEN, dass es eine intensive ministerielle Auswertung dazu gegeben habe. Zu Details wollte er sich nicht vor der Sitzung des Justizausschusses äußern. Dort soll der Bericht am Freitag vorgestellt werden. Aber, einige der im Bericht angesprochenen Mängel sind sehr schnell behoben worden, teilte er mit. Vasili T. ist seit Mai wieder in Thüringen. Vorsichtshalber wurde er nicht nach Suhl-Goldlauter, sondern in die JVA Tonna gebracht. Dort wartet der mutmaßliche Drogendealer nun auf den Start seines Verfahrens.
Quelle: MDR THÜRINGEN
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 07. Dezember 2018 | 05:00 Uhr