Opfer rechter Gewalt? Der brutale Mord an Klaus-Peter Kühn

14. Juli 2022, 21:22 Uhr

Vor zehn Jahren wurde der 59-jährige Klaus-Peter Kühn in seiner Wohnung in Suhl ermordet. Das "Suhler Bündnis für Demokratie und Toleranz, gegen Rechtsextremismus" fordert nun die Aufarbeitung des Falls. Denn bis heute sei Klaus-Peter Kühn nicht als Opfer rechter Gewalt anerkannt.

In der Nacht zum 17. Juni 2012 wurde der alkoholkranke Klaus-Peter Kühn von drei jungen Männern ermordet. Laut Anklage wurde Kühn zu Tode gequält. Die damals 17- und 23-jährigen Brüder Manuel und Christopher K. und ein 19-Jähriger forderten von Kühn Geld und misshandelten den Frührentner anschließend in seiner Wohnung.

Sie ließen eine Tischplatte und einen Fernseher auf Kühn fallen, traten und schlugen auf ihn ein. Urinierten auf den am Boden liegenden und verletzten Mann. "Nach Aussage des jüngsten Angeklagten hat der 59-Jährige noch gelebt, als sie die Wohnung verließen", schrieb das Freie Wort in einem Artikel im Jahr 2013. Wenige Stunden nach dem Angriff starb er an den inneren und äußeren Blutungen, wie die Gerichtsmedizin feststellte.

Täter wegen Mordes verurteilt

Erst einige Tage nach der Tat wurde Kühn in seiner Wohnung tot aufgefunden, der gesetzliche Betreuer hatte ihn nicht erreicht und die Polizei informiert. Das Landgericht Meiningen verurteilte die Brüder ein Jahr später wegen Mordes. Der ältere erhielt eine Haftstrafe von elf Jahren, der jüngere eine Jugendstrafe von neun Jahren. Aufgrund einer schweren Knochenkrebserkrankung des dritten, 19-jährigen Täters wurde das Verfahren abgetrennt.

Die drei waren wegen gefährlicher Körperverletzung der Polizei bekannt und vorbestraft. Einer der Täter sei wegen Verwendung rechtsextremer Symbolik und als Veranstalter einer Party am 20. April, dem Geburtstag Adolf Hitlers, der Polizei aufgefallen. Während der polizeilichen Vernehmung bezeichneten die Täter Kühn als "Penner" und "Spinner".

In der damaligen Urteilsbegründung hieß es, die Täter hätten "ihr Opfer nicht mehr als Mensch wahrgenommen", berichtete die Zeit. In einem Interview erzählte die Richterin, dass die drei eine "sozialdarwinistische" Lebenseinstellung gezeigt hätten.

Vortrag zum Fall in der Stadtbibliothek

Anlässlich des zehnten Todestages von Klaus-Peter Kühn veranstaltete das Suhler "Bündnis für Demokratie und Toleranz, gegen Rechtsextremismus" nun einen Vortrag in der Stadtbibliothek. Zusammen mit der Opferberatungsstelle Ezra, die sich für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen einsetzt und sie berät, wollen sie den Fall Klaus-Peter Kühn in die Öffentlichkeit bringen und den Prozess zur Aufarbeitung voranbringen.

Menschenverachtende Einstellung offenbart

Sozialdarwinismus ist eine Gesellschaftstheorie, die auf dem Recht des Stärkeren basiert. Eine menschenverachtende Perspektive steckt hinter solch einem Denken, sagt David Rolfs, der für die Betroffenenberatungsstelle Ezra arbeitet.

Die drei jugendlichen Täter hätten eine sozialdarwinistische Perspektive offenbart, erzählt Rolfs, der am Dienstag den Vortrag in der Suhler Stadtbibliothek hielt. Sie sahen Kühn als Teil einer gesellschaftlichen Randgruppe an, als einen sozial Schwächeren und würdigten ihn als "Penner" herab, so Rolfs weiter.

Solch eine menschenfeindliche Einstellung gegenüber diesen Gruppen sei ein Merkmal und Tatmotiv rechter Gewalt. Davon betroffen seien vor allem Langzeitarbeitslose, Obdachlose oder Menschen mit einer Behinderung. Die Menschen werden nicht angriffen, weil sie von den Tätern gekannt werden, sondern weil sie aus Sicht der Täter einer bestimmten Gruppe angehören. Allerdings falle es den Ermittlungsbehörden schwer, solch eine Tat auch als rechte Gewalt einzuordnen.

Aufarbeitung hat bisher nicht begonnen

Warum im Urteil gegen die Angeklagten schwere Erpressung als tatbestimmendes Moment festgestellt wurde, ist für Rolfs mehr als unverständlich. Zudem sei der Fall Kühn auch vonseiten der Stadt Suhl, der Zivilgesellschaft und den Medien nicht aufgearbeitet worden. Gerade die Stadt Suhl müsse Verantwortung übernehmen, so Rolfs. Die ist nach Aussage einer Sprecherin grundsätzlich auch bereit dazu, die Frage nach konkreten Plänen blieb aber bisher unbeantwortet.

Das Suhler "Bündnis für Demokratie und Toleranz, gegen Rechtsextremismus" will im nächsten Schritt eine Bürgeranfrage an die Stadt stellen, in der ein Gedenken und eine Aufarbeitung gefordert werden.

Derzeit läuft auch eine wissenschaftliche Überprüfung zu Todesopfern rechter Gewalt in Thüringen an. Die Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin will in Zusammenarbeit mit dem Moses-Mendelssohn-Zentrum der Universität Potsdam diese Überprüfung vornehmen. Im November 2018 hatte die Landesregierung solch eine Überprüfung beschlossen.

Mehr zur politisch motivierten Gewalt

Collage - Vom Wort zur Tat 45 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

MDR (gh)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 13. Juli 2022 | 14:00 Uhr

Mehr aus der Region Suhl - Schmalkalden - Meiningen

Mehr aus Thüringen