Möglicher Abrechnungsbetrug Enorme Datenmengen bei MVZ-Razzia sichergestellt: "Wie die Besteigung des Mount Everest"

04. Februar 2023, 05:00 Uhr

Bei der Razzia beim Arztpraxenbetreiber Kielstein sind rund sechs Terabyte Daten sichergestellt worden. Diese auszuwerten, wird lange dauern. Zwei Beschuldigte stehen im Fokus der Ermittler.

Bei der Razzia beim Arztpraxenbetreiber Kielstein vor gut zwei Wochen ist eine Datenmenge von etwa sechs Terabyte sichergestellt worden. Wie das Landeskriminalamt MDR THÜRINGEN mitteilte, wird es lange Zeit in Anspruch nehmen, die Daten auszuwerten.

"Es ist wie die Besteigung des Mount Everest", sagte Pressesprecherin Sandra Frankenhäuser. Zum Vergleich: Bei den Panama Papers handelte es sich um knapp drei Terabyte Datenmaterial. Mit den dort ausgewerteten 11,5 Millionen Dokumenten wurden weltweit viele Fälle von Steuerhinterziehung und Geldwäsche aufgedeckt.

Es ist wie die Besteigung des Mount Everest.

Pressesprecherin Sandra Frankenhäuser

"Polyklinik" steht an einem Gebäude
Neben dem Erfurter Standort (Foto) wurden auch Standorte Rudolstadt, Jena, Kahla und Suhl durchsucht. Bildrechte: picture alliance/dpa | Martin Schutt

Seit 2018 falsch abgerechnet?

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Meiningen geht es um den Verdacht, dass in Arztpraxen des Kielstein-Unternehmens seit 2018 Leistungen zu Unrecht abgerechnet wurden. Ermittelt werde derzeit gegen zwei Beschuldigte. Gerichtssprecher Jochen Grundler sagte MDR THÜRINGEN, das Verfahren sei aber sehr dynamisch und können sich auch noch ausweiten.

Zwei Mitarbeiter unter Verdacht

Die zwei Mitarbeiter, gegen die ermittelt wird, sind nach Angaben von Unternehmenssprecher Ingolf Gottstein weiter in der Dr. med. Kielstein Ambulante Medizinische Versorgung GmbH beschäftigt. Weitere Details wollte Gottstein unter Verweis auf das laufende Verfahren nicht nennen. Das Unternehmen arbeite jedoch in vollem Umfang mit den Behörden zusammen. Auch die Versorgung der Patienten sei in jeder Hinsicht gewährleistet.

Eine Ärztin ueberreicht in einer Arztpraxis in Hamburg dem Patienten ein Rezept (gestellte Szene)
Zwei Mitarbeiter stehen im Fokus der Ermittlungen hieß es. Bildrechte: picture alliance / dpa Themendienst | Christin Klose

Durchsuchung mit 90 LKA-Mitarbeitern

Am 20. Januar hatte das Landeskriminalamt sechs Standorte der Dr. med. Kielstein Ambulante Medizinische Versorgung GmbH in Erfurt, Rudolstadt, Jena, Kahla und Suhl durchsucht. Laut Landeskriminalamt waren 90 Mitarbeiter des LKA sowie eine Hundertschaft der Bereitschaftspolizei und IT-Spezialisten im Einsatz.

MDR (ifl)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 04. Februar 2023 | 06:00 Uhr

23 Kommentare

goffman am 05.02.2023

Ich denke nicht, dass wir uns einen Gefallen damit tun, alle unter Pauschalverdacht zu stellen und dafür mit enormer Bürokratie zu überziehen.
Letztendlich bleiben die dadurch entstehenden Mehrkosten auch bei den Krankenkassen hängen.

Ich halte die Förderung der Digitalisierung für sinnvoller. Wenn ich bei meiner Krankenkasse ein Kundenportal hätte, bei dem ich die bisherigen Behandlungen und Diagnosen einsehen könnte und bei Bedarf den weiterbehandelnden Ärzten zugängig machen könnte, könnte ich fehlerhafte Abrechnungen genauso kenntlich machen. Gleichzeitig würden unerwünschte Wechselwirkungen durch Medikamentencocktails unwahrscheinlicher und Diagnosen leichter. Bürokratie und Papierverschwendung könnten reduziert werden.

Datenschutz bliebe ein Problem.

Freies Moria am 05.02.2023

2 Dinge würden ausreichen, um das System vom Kopf auf die Füße zu stellen:
a) jeder, der eine Leistung in Anspruch nimmt bekommt eine Kopie der Rechnung und muss diese gegenzeichnen bevor bezahlt wird. Zumindest wird damit erreicht, dass der Arzt den Patienten anständig behandelt statt einfach nur zu kassieren. Und bei denen, die KKV-Beiträge zahlen, wird erstmal das Licht angehen warum die Beiträge ständig steigen.
b) Menschen, die kein Beiträge zahlen, bekommen Leistung nur gegen Vorkasse beim Arzt. Nur bei Lebensgefahr oder extremer gesundheitlicher Verschlechterung durch die Verzögerung darf davon abgewichen werden. Migranten ausserhalb des Dublin-Verfahrens, die keine sozialversicherungspflichtige Arbeit haben, bekommen nur eine Basisversorgung, die der Versorgung in ihrem Herkunftsland entspricht.
Damit dürften die 2 wesentlichen Verlockungen des Abrechnungsbetruges gestopft sein. Natürlich gibt es zahllose weitere Probleme (Medikamentenknappheit), es wäre aber in Anfang gemacht

Quentin aus Mondragies am 05.02.2023

Warum soll man bei einem Vollservicevertrag Rechnungen kontrollieren? Das ist ja der Vorteil dran, dass man transparent jeden Monat den selben Betrag bezahlt, ob jetzt kerngesund oder in Krebstherapie. Hilft mir der Arzt, ist mir egal was er abrechnet.

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