Ein Sportschütze zielt mit seiner Waffe
Extremisten dürfen in Thüringen keine Waffen besitzen oder erwerben. Bildrechte: Colourbox.de

Hintergrund Waffenentzug von AfD-Mitgliedern: Verfassungsrechtler sieht Vorstoß auf "juristisch sicheren Beinen"

07. Juli 2022, 11:40 Uhr

Der Jenaer Verfassungsrechtler Michael Brenner sieht keine juristischen Hindernisse mit Blick auf den Vorstoß des Thüringer Innenministeriums, Waffenbesitzkarten von AfD-Mitgliedern einzuziehen. Bedeutend in dem Fall ist auch eine Änderung des Waffengesetzes aus dem Jahr 2020.

Das Thüringer Innenministerium will den Waffenbesitz von AfD-Mitgliedern im Freistaat unterbinden. Der Jenaer Verfassungsrechtler Michael Brenner sieht diesen Vorstoß auf "juristisch sicheren Beinen".

Auf MDR-Anfrage sagte der Juraprofessor: "Aus juristischer Sicht begegnet dieser Vorstoß des Innenministeriums keinen Bedenken. Es ist mittlerweile möglich, dass Mitglieder von extremistischen oder gar verfassungsfeindlichen Parteien entwaffnet werden."

Prof. Dr. Michael Brenner, Rechtswissenschaftler an der Uni Jena
Prof. Dr. Michael Brenner arbeitet als Rechtswissenschaftler an der Uni Jena. Bildrechte: MDR/ Jens Borghardt

Wenn man sich vor Augen halte, so Brenner, dass die AfD vom Verfassungsschutz beobachtet werde, seien die Voraussetzungen, die das Gesetz an den Widerruf einer waffenrechtlichen Erlaubnis knüpft, erfüllt. Dabei müsse Brenner zufolge jeder Einzelfall geprüft werden.

Waffenentzug von AfD-Mitgliedern auch in der Praxis möglich?

Den Behörden in Deutschland liegen etwaige Parteimitgliedschaften der Bürger, die auch Waffenbesitzer sein können, üblicherweise nicht vor. Es fragt sich also, wie das Thüringer Innenministerium seinen Vorstoß praktisch umsetzen könnte, wie also die Waffenbehörden AfD-Mitgliedern Waffenbesitzkarten entziehen oder keine neuen mehr genehmigen könnten?

Bedeutend hierbei ist eine Änderung des Waffengesetzes im Jahr 2020. Seither dürfen Waffenbehörden keine Waffenbesitzkarten mehr vergeben, ohne sich zuvor beim Verfassungsschutz über den Antragsteller erkundigt zu haben. Bei diesen Regelanfragen gibt das Amt für Verfassungsschutz Auskunft darüber, ob der Antragsteller - aber auch bisherige Erlaubnisinhaber - als "extremistisch" eingestuft werden oder nicht. Auf dieser Grundlage prüfen die Waffenbehörden anschließend die Zuverlässigkeit der Antragsteller und entscheiden, ob sie Waffenbesitzkarten einziehen oder erst gar nicht vergeben.

Innenminister Maier: Vorgehen gegen alle Extremisten

Zudem geht aus dem Gesetz hervor, dass Extremisten grundsätzlich als nicht mehr zuverlässig anzusehen seien. Sie dürften keine Waffen besitzen oder erwerben. Hierbei ist wiederum bedeutend, dass der Thüringer AfD-Landesverband von den Sicherheitsbehörden seit dem vergangenen Jahr als "erwiesen rechtsextremistische Bestrebung" eingestuft wird. Seine Mitglieder gelten also als Extremisten, die laut Gesetz keine Waffen mehr besitzen dürften.

Auf MDR-Anfrage teilte dazu der Thüringer Innenminister Georg Maier mit: "Das Landesamt für Verfassungsschutz sammelt öffentlich zugängliche Informationen. AfD-Mitglieder kandidieren, sind politisch aktiv, machen daraus auch kein Geheimnis. Das alles erfasst der Verfassungsschutz. Wir werden ihn nicht darauf ansetzen, herauszufinden, wer alles AfD-Mitglied ist. Das ergibt sich oft von allein."

Mit einer "Lex AfD" habe dies nichts zu tun, ergänzte Maier, das Vorgehen richte sich vielmehr gegen alle Extremisten, egal, ob religiös- oder rechts- und linksmotiviert. "Ich bin Innenminister. Ich muss Recht und Gesetz durchsetzen, und das tue ich hiermit", sagte Maier.

Das Thüringer Amt für Verfassungsschutz teilte auf Anfrage mit, dass inzwischen sämtliche Thüringer Waffen-Erlaubnisinhaber mit Blick auf eine etwaige AfD-Zugehörigkeit überprüft worden seien. Die Betroffenen erhielten demnächst Post von den Waffenbehörden, hieß es aus dem Amt. Zur Frage, wie viele AfD-Mitglieder in Thüringen davon insgesamt betroffen sein könnten, sagte Innenminister Maier: "Das können wir noch nicht genau abschätzen. Wir gehen von über 1.000 AfD-Mitgliedern im Freistaat aus. Wie viele davon Jäger sind oder Sportschützen, wissen wir im Moment nicht."

AfD spricht von "politischem Nebenstrafrecht"

Die Thüringens AfD-Landessprecher Stefan Möller bezeichnete den Vorstoß des Ministers dagegen als "politisches Nebenstrafrecht". Maier nutze "das extra hierfür angepasste Waffenrecht, um es als Ersatzstrafrecht gegen gesetzestreue Jäger und Sportschützen in der AfD einzusetzen", so Möller. Maier wähle diese Methode, weil seine SPD in einer fairen politischen Auseinandersetzung gegen die AfD Thüringen keine Chance sehe.

Der Thüringer AfD-Landtagsabgeordnete und Polizeibeamte Ringo Mühlmann schloss sich Möllers Aussage auf MDR-Anfrage an. Zu deren Inhalt sei "momentan" nichts hinzuzufügen.

MDR (GH)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 06. Juli 2022 | 18:00 Uhr

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