KommunenAmtseid, Handschlag, Wahlanfechtung: Wie geht es nach der Wahl weiter für Bürgermeister und Gemeinderäte?
Bei den Kommunalwahlen hat es so viele Wahlen wie seit 30 Jahren nicht mehr in Thüringen gegeben. Wie aber funktioniert der Machtwechsel bei Bürgermeistern, Landräten oder Stadträten? Kann eine Wahl angefochten werden?
Inhalt des Artikels:
- Vorläufiges und amtliches Endergebnis: Ein feiner Unterschied
- Welche Bedeutung hat der Amtseid?
- Wann beginnen neue Gemeinderäte oder Kreistagsmitglieder ihre Tätigkeit?
- Müssen neue Stadträte in Thüringen zudem per Handschlag verpflichtet werden?
- "Scheinkandidatur": Was passiert, wenn ein neu gewählter Bürgermeister auch als Gemeinderat gewählt wird?
- Kann eine Wahl angefochten werden?
- Können gewählte Bürgermeister oder Gemeinderäte ihr Mandat wegen eines Parteiverbots verlieren?
Warum Gemeinderäte teils früher als Bürgermeister ihr Amt beginnen, warum es keinen Handschlag mehr gibt und ob eine Wahl auch angefochten werden kann. Wie es in Thüringen nach den Kommunalwahlen weitergeht. Die wichtigsten Fragen und Antworten nach den Kommunalwahlen in Thüringen:
Vorläufiges und amtliches Endergebnis: Ein feiner Unterschied
Nach einer Wahl wird, nachdem alle Stimmen ausgezählt sind, in der Regel noch am Wahlabend ein vorläufiges amtliches Endergebnis gegeben. In den Tagen danach prüfen die örtlichen Wahlvorstände noch einmal die Wahl auf Unregelmäßigkeiten, etwa ob Briefunterlagen rechtzeitig eingetroffen sind oder richtig ausgezählt worden ist. Danach geben sie das amtliche Endergebnis bekannt. Das kann in Einzelfällen auch zu Überraschungen führen, wie bei der Kreistagswahl in Schmalkalden-Meiningen. Das "Freie Wort" berichtet, dass die frühere Landtagsabgeordnete Christina Liebetrau (CDU) laut dem amtlichen Endergebnis doch nicht in den Kreistag einzieht, wie im vorläufigen Endergebnis zunächst bekannt gegeben. Hintergrund sei ein Eingabefehler gewesen, bei dem Stimmen einer anderen Bewerberin zunächst Liebetrau zugeordnet worden seien.
Wann beginnen neue Bürgermeister und Landräte ihre Tätigkeit?
Im Juli beginnt nach der Kommunalwahl in Thüringen die Amtszeit für viele neue gewählte Landräte, Oberbürgermeister und Bürgermeister. Dem Amtsantritt sind jedoch einige Dinge vorausgegangen.
Wenn das amtliche Endergebnis einige Tage nach der Wahl feststeht, benachrichtigt der jeweilige Wahlleiter die frisch gewählten Bürgermeister oder Landräte. Diese müssen innerhalb von einer Woche die Wahl annehmen.
Seine Tätigkeit beginnt der neu gewählte Bürgermeister oder Landrat dann einen Tag, nachdem er die Wahl angenommen hat. Allerdings muss zuvor noch die Amtszeit des Amtsvorgängers beendet sein. Und diese endet für viele Oberbürgermeister und Bürgermeister in Thüringen erst Ende Juni. Auf diese Weise ergibt sich der Dienstbeginn ab Juli. Eine formale Ernennung ist in Thüringen für die Beamten auf Zeit, wie es hauptamtliche Bürgermeister und Landräte sind, nicht nötig.
Gewählt sind Bürgermeister und Landräte für sechs Jahre. Ein neue Termin für die nächsten Wahlen steht jetzt noch nicht fest, muss aber in den letzten drei Monaten der Amtszeit des aktuellen Bürgermeisters oder Landrates liegen.
Welche Bedeutung hat der Amtseid?
Nach dem Amtsbeginn müssen Bürgermeister und Landräte einen Amtseid leisten. Diesen nimmt in der Regel das älteste anwesende Gemeinde- oder Stadtratsmitglied in der ersten Ratssitzung mit dem neuen Bürgermeister oder Landrat ab. Dieser spricht in Thüringen folgenden Eid, wobei der Zusatz "so wahr mir Gott helfe" weggelassen werden kann:
Ich schwöre, das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und die Verfassung des Freistaats Thüringen sowie alle in der Bundesrepublik geltenden Gesetze zu wahren und meine Amtspflichten gewissenhaft und unparteiisch zu erfüllen, so wahr mir Gott helfe.
Der Amtseid für Bürgermeister und Landräte in Thüringen
Hat der Amtseid nur symbolischen Charakter?
"Ja und nein", sagt Kommunalrechts-Experte Sven Müller-Grune. Zum einen ist ein Bürgermeister ab dann Beamter, wenn seine Amtszeit beginnt. Doch ein Amtseid ist laut dem Professor für Öffentliches Wirtschaftsrecht trotzdem in Thüringen vorgeschrieben. "Leiste ich ihn etwa als Bürgermeister nicht, verhalte ich mich nicht gesetzeskonform."
Was genau passiert, wenn der Amtseid nicht geleistet werde, würden Juristen noch diskutieren. Doch ist unbestritten, dass dies Folgen hätte. Es sei nur unklar, ob jemand ohne geleistetem Amtseid sofort wieder sein Amt verliert oder dies nur ein Grund für eine Entlassung sein könnte. Dass ein Amtseid einmal verweigert wurde, ist "aber bisher noch nicht vorgekommen", berichtet der Müller-Grune und verweist darauf, dass mit dem Amtseid ja auch ein Eid auf das Grundgesetz abgelegt werde.
Ob nun vor oder nach dem Amtseid: Wenn eine Aufsichtsbehörde ein mögliches Dienstvergehen feststellt, kann diese mit Beginn der Amtszeit eines Bürgermeisters oder Landrates ein Disziplinarverfahren einleiten.
Wann beginnen neue Gemeinderäte oder Kreistagsmitglieder ihre Tätigkeit?
Die Amtszeit der am 26. Mai neu gewählten Thüringer Gemeinde- und Stadträte ist bereits gestartet. Sie begann am 1. Juni um 0 Uhr. Davor ist die Amtszeit der bisherigen Räte zu Ende gegangen.
Natürlich ist auch der Starttermin gesetzlich präzise festgelegt. Ein neues Mitglied eines Gemeinderat oder eines Kreistages beginnt seine Tätigkeit am ersten Tag des Monats, der auf den Wahltag folgt. Die Amtszeit endet für die vorherigen Räte, bevor die neu gewählten Gemeinderatsmitglieder ihre Arbeit beginnen. Im Gegensatz zu Bürgermeistern oder Landräten müssen die neu gewählten Vertreter also nicht warten, bis die Amtsvorgänger ihre Amtszeit beendet haben.
Und es gibt noch einen Unterschied zu den Verwaltungschefs von Stadt oder Landkreis: Gewählt werden Stadt- und Gemeinderäte sowie Kreistagsmitglieder im Gegensatz zu Landräten oder Bürgermeistern in Thüringen nur für fünf Jahre.
Bis wann muss sich der neue Gemeinderat oder Kreistag sich zu seiner ersten Sitzung treffen?
Die neu gewählten Gemeinderäte oder Kreistagsmitglieder müssen sich spätestens zwei Wochen nach dem Beginn der Amtszeit erstmals treffen. Allerdings müssen alle Räte ihre Wahl zuvor angenommen haben.
Kann ein neuer Gemeinderat oder Kreistag schon tagen, wenn der neue Landrat oder Bürgermeister noch gar nicht amtiert?
Ja, das ist möglich. Die erste Sitzung eines Gemeinderats oder Kreistags kann auch dann stattfinden, wenn der neu gewählte Bürgermeister oder Landrat noch nicht feststeht. Das kann etwa aktuell bei den im Gegensatz zur Kreistags- oder Gemeinderatswahl ja später stattfindenden Thüringer Stichwahlen der Fall sein oder wenn die Amtszeit des bisherigen Amtsinhabers noch nicht abgelaufen ist.
Dann lädt der noch amtierende Bürgermeister oder Landrat zur Ratssitzung und legt mit dem Beigeordneten und den Mitgliedern des wichtigsten Ausschusses eines Gemeinde- oder Kreistages, dem Haupt- oder Kreisausschuss, die Tagesordnung fest.
Kann der neue gewählte Gemeinderat oder Kreistag schon tagen, wenn Ratsmitglieder ihre Wahl noch nicht angenommen haben?
Nein. Bevor die erste Ratssitzung beginnen kann, müssen alle gewählten Gemeinderats- oder Kreistagsmitglieder feststehen. Denn alle Räte müssen eingeladen werden. Ansonsten darf der Gemeinderat oder Kreistag keine Beschlüsse fassen. Ein Hintertürchen lässt die Thüringer Kommunalordnung jedoch zu. Die Sitzung kann doch stattfinden, falls ein Ratsmitglied nicht eingeladen wurde, aber dennoch zur Sitzung erscheint und die fehlende Einladung nicht anfechtet.
Müssen neue Stadträte einen Amtseid leisten?
Nein. Gemeinderäte oder Kreistagsmitglieder müssen keinen Amtseid leisten. Sie werden vom Bürgermeister oder Landrat in der ersten Sitzung auf eine "gewissenhafte Erfüllung" ihrer Aufgaben verpflichtet. Hier gilt: Wenn er dies verweigert, verliert das Ratsmitglied sein Amt.
Müssen neue Stadträte in Thüringen zudem per Handschlag verpflichtet werden?
Inzwischen nicht mehr. Diese Pflicht sah die Kommunalwahlordnung in Thüringen bei der Verpflichtung früher jedoch vor. Doch diese Vorgabe hat das Land 2020 abgeschafft. Hintergrund war, dass die Eisenacher Oberbürgermeisterin Katja Wolf (damals Linkspartei, jetzt BSW) 2014 und 2019 nach den Stadtratswahlen einem neu gewählten Mitglied der rechtsextremen NPD den damals noch vorgeschriebenen Handschlag verweigerte. Übrigens gab es auch in anderen Thüringer Städten 2014 bei neuen Stadträten keinen Handschlag.
Aber vor allem die Weigerung der Eisenacher Oberbürgermeisterin sorgte für Aufsehen und damals für juristische Auseinandersetzungen über mehrere Instanzen. Das war ein "spektakuläres Verfahren, das bis vor das Bundesverwaltungsgericht ging", sagt Müller-Grune. Das Verhalten von Wolf sei damals rechtswidrig gewesen, weil man gerade auch als gewählte Oberbürgermeisterin "streng an das Gesetz" verpflichtet sei.
In den Ausschüssen wird oft die eigentliche Arbeit eines Kreistages oder Gemeinderates geleistet. Wie werden diese gebildet?
Ein Ausschuss eines Kreistages, Stadtrates oder Gemeinderates besteht aus dem Landrat beziehungsweise Bürgermeister sowie Mitgliedern des Gemeinderates beziehungsweise Kreistages. In den Ausschuss werden Mitglieder entsprechend der politischen Kräfteverhältnisse im Gemeinderat oder Kreistag entsendet, wobei Landrat oder Bürgermeister unabhängig von der Auswahl der anderen Vertreter im Ausschuss sitzen. Einzelheiten werden jeweils in den örtlichen Hauptsatzungen geregelt.
Der wichtigste Ausschuss ist in Stadt- und Gemeinderäten der Hauptausschuss, in Kreistagen der Kreisausschuss. Dort wird vor allem die nächste Ratssitzung vorbereitet. Welche Ausschüsse (zum Beispiel zu Wirtschaft, Jugend, Sozialem) gebildet werden und ob diese nur Themen diskutieren oder auch beschließen können, wird in der jeweiligen Geschäftsordnung des Kreistages oder des Gemeinderates festgelegt.
"Scheinkandidatur": Was passiert, wenn ein neu gewählter Bürgermeister auch als Gemeinderat gewählt wird?
Gern lassen sich vor allem amtierende Bürgermeister oder Landräte für ihren Gemeinderat oder Kreistag aufstellen. Oft wir dies "Scheinkandidatur" genannt: Die Bürgermeister, Oberbürgermeister oder Landräte sammeln wegen ihrer Bekanntheit viele Stimmen ein, nehmen das Mandat im Rat dann aber nicht an, weil ein Amtsträger nicht gleichzeitig regulärer Gemeinde- oder Stadtrat oder Kreistagsmitglied sein darf. Kraft ihres Amtes gehören sie dem Rat oder Kreistag ohnehin an. Das freiwerdende Mandat geht an den Kandidaten mit den nächstmeisten Stimmen. Auch der unwahrscheinliche Fall eines Verzichts auf den Bürgermeisterposten zugunsten eines Mandats im Rat ist geregelt. Dann müsste die Bürgermeisterwahl wiederholt werden. Gleiches gilt für gewählte Landräte, die sich auch als Mitglied eines Kreistages haben aufstellen lassen.
Kann eine Wahl angefochten werden?
Ja. Jeder Wahlberechtigte kann eine Wahl anfechten, wenn dabei nach seiner Meinung gegen das Thüringer Kommunalwahlgesetz oder der Kommunalwahlordnung verstoßen wurde. Die Wahl muss schriftlich, mit Begründung und innerhalb von zwei Wochen angefochten werden, nachdem das Wahlergebnis veröffentlicht wurde. Bei der Wahl eines Bürgermeisters oder Landrats darf auch jeder zur Wahl aufgestellte Bewerber - ob er nun gewählt wurde oder nicht - die entsprechende Wahl anfechten. "Das sind Möglichkeiten, die etwa unterlegene Bewerber nutzen", sagt Müller-Grune.
Allerdings hätten diese Anfechtungen seines Wissens nach fast nie zum Erfolg geführt. Zumindest eine Ausnahme sei ihm aber bekannt: Eine Wahlanfechtung in Südthüringen war erfolgreich gegen einen Bürgermeister, der vor seiner Wahl Werbung für Gemeinderatsmitglieder gemacht hatte - in seiner Funktion als Bürgermeister. Als Beamter habe ein Bürgermeister politisch neutral zu sein. Als Privatperson könne er jedoch seine politische Meinung äußern könne. "Aber das muss er ganz klar deutlich machen", erläutert Müller-Grune. Die Wahl habe wiederholt werden müssen.
Aktuell sind dem Innenministerium noch keine Wahlanfechtungen nach der Kommunalwahl in Thüringen bekannt. Die AfD hatte zumindest angekündigt, gegen die Kreistagswahl in Saalfeld-Rudolstadt vorgehen zu wollen. Dort gab es nach einem parteiinternen Machtkampf zwei Listen von AfD-Politikern unter verschiedenen Namen.
Nach einer Wahlanfechtung muss die Rechtsaufsicht, also etwa die jeweilige Kommunalaufsicht oder das Landesverwaltungsamt, innerhalb von drei Monaten darüber entscheiden. Möglich ist eine Ablehnung, eine Korrektur des Wahlergebnisses, aber auch die Wahl einer einzelnen Person für ungültig zu erklären oder gar eine gesamte Wahl. Wenn nur die Wahl eines Gemeinderates oder Kreistagsmitgliedes ungültig wird, rückt laut Müller-Grune der Kandidat mit den nächstmeisten Stimmen nach.
Da Juristen Ausnahmen mögen, gibt es auch für die Drei-Monats-Frist eine: Diese Frist gilt nicht für eine gewählte Person, die gar nicht gewählt werden durfte. Beispielsweise, wenn gegen die Person ein entsprechendes Gerichtsurteil vorliegt oder diese im Gefängnis sitzt.
Kann eine Kandidatur vor der Wahl gerichtlich verhindert werden?
Nein. Es ist nicht möglich, vor der Wahl eine Kandidatur per Gericht anzufechten. Über die Zulassung der Kandidaten entscheidet ein Wahlausschuss. Dort sind der örtliche Wahlleiter sowie Vertreter der Parteien oder Wählerbündnisse des jeweiligen Rates vertreten. Sie entscheiden mit Mehrheit, welche Kandidaten zugelassen werden. Bei Bedarf gibt es eine zweite Sitzung des Ausschusses, wie es sich etwa in Gera zur Oberbürgermeister-Wahl ereignet hatte. Doch das war es dann. Diese Entscheidung bleibt bis zur Wahl endgültig.
Können gewählte Bürgermeister oder Gemeinderäte ihr Mandat wegen eines Parteiverbots verlieren?
Ihr Mandat können Ratsmitglieder, Bürgermeister oder Landräte einer Partei verlieren, wenn das Bundesverfassungsgericht diese Partei für verfassungswidrig erklärt. Dies gilt auch für Ersatzorganisationen einer verbotenen Partei oder für verbotene Vereine. In Thüringen kann dies das Innenministerium entscheiden, wenn es sich um Ersatzorganisationen von Parteien handelt oder um Vereine geht, die nur in Thüringen tätig sind. Nach Auskunft des Innenministeriums sei dies bisher aber noch nie der Fall gewesen.
Mehr zu Bürgermeistern, Landräten und Gemeinderäten
MDR (rom)
Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 05. Juni 2024 | 19:00 Uhr
Kommentare
{{text}}