Ein Kommentar Eine Analyse zur Kommunalwahl in Thüringen

Kaum waren die Stimmen der Kommunalwahl in Thüringen ausgezählt, schon gab es die ersten Reaktionen aus der Politik: Die CDU feierte den Wahlerfolg, die Linken waren erfreut - zumindest teilweise - und die AfD sprach zumindest von einem Achtungserfolg für Gera. Wie die Wahl zu bewerten ist und wie Experten die Stichwahlen prognostizieren - hat Ulli Sondermann-Becker in seiner Wahlanalyse zusammengefasst.

Kaum waren die Stimmen am Abend des Wahlsonntags ausgezählt, hagelte es auch schon Reaktionen aus der Politik. Die Thüringer CDU jubilierte ("Rückenwind", "Denkzettel für Rotrotgrün"), die Linken zeigten die ganze Skala von erfreut bis verstört und die AfD sprach mit Blick auf das arme gebeutelte Gera von einem "Achtungserfolg". Die Grünen blickten mit leuchtenden Augen auf Weimar, während FDP-Chef Thomas Kemmerich seinem Parteikollegen Thomas Nitzsche aus Jena auf die Schulter klopfte. Die SPD meldete sich erst nach reiflicher Bedenkzeit am Montagnachmittag zu Wort; ihr Landeschef Wolfgang Tiefensee sprach von "Licht und Schatten". Intern finden die Genossen die Wahlergebnisse aber gar nicht soooo schlimm. "Hätte uns härter treffen können", heißt es kummergewohnt von der Basis.

Kommunalwahlen haben ihre eigenen Gesetze

Aber was sagen die Ergebnisse tatsächlich über Stärken und Schwächen der in Thüringen agierenden Parteien? Klar freut sich die CDU über die mit Abstand meisten Stimmen im Freistaat - wenn man alle Wahlen zusammen nimmt. Nur ausgeprägte Miesepeter (oder zerquälte Sozialdemokraten) würden das nicht tun. Dass sich der CDU-Anteil an den Gesamtstimmen im Vergleich zur letzten vergleichbaren Wahl vor sechs Jahren um mehr als zehn Prozentpunkte vergrößert hat, können sich Parteichef Mike Mohring und seine Wahlkämpfer als persönlichen Erfolg auf die Fahnen schreiben. Wenn der Jubel verklingt, wird aber auch den erfahrenen Polit-Profis wieder bewusst: Kommunalwahlen haben ihre eigenen Gesetze, leben vor allem von der Persönlichkeit der Kandidaten und sollten daher als Stimmungsbarometer für das ganze Land nicht überbewertet werden.

Rein rechnerisch erreichte die CDU mehr Stimmen als Linke, SPD und Grüne zusammen

Trotzdem verweist CDU-Generalsekretär Raymond Walk genüsslich darauf, dass seine Partei mehr Stimmen errungen hat als Rot-Rot-Grün zusammen. Damit liegt er zumindest rein rechnerisch nicht falsch.

Stefan Wolf, Oberbürgermeister von Weimar
Er wurde klar abgewählt: Stefan Wolf Bildrechte: Stadtverwaltung Weimar

Gerade der sozialdemokratische Regierungspartner hat Stimmen verloren - in Größenordnungen in seinen Hochburgen Erfurt, Weimar und Jena. Aber, wer die Verhältnisse in den drei Städten kennt, der weiß auch, woran das liegt: zum Beispiel an einem müden SPD-Oberbürgermeister in Erfurt. Der muss in die Stichwahl. Oder an Stefan Wolf in Weimar. Der wurde gleich ganz abgewählt. Wolf hatte als Verwaltungschef der berühmtesten Thüringer Stadt erkennbar Schwächen im Tagesgeschäft. Wer seinen Bürgern zwar mit Hilfe von viel fremdem Geld (aus Berlin und Erfurt) Hochkultur bietet, aber mit dem eigenen Geld so alltägliche Dinge wie die dringend nötige Freibad-Sanierung vermurkst, der wird abgestraft.

Abgewählt wurde allerdings die Person Wolf, nicht die Partei SPD. Immerhin hatte der Wahlkämpfer Wolf zwischen sich und seiner Partei zuletzt brutalstmögliche Distanz hergestellt. Das hat ihm nichts genutzt. Jetzt ist Weimar zwar in CDU-Hand, aber selbst hochrangige Christdemokraten halten Weimar noch lange nicht für eine CDU-Hochburg. Sie führen den Wahlerfolg ihres Kandidaten Peter Kleine auf dessen Bündnis mit dem "Weimarwerk" und die Schwäche von Amtsinhaber Wolf zurück.

Auswirkungen der Gebietsreform

Und die Gebietsreform? Haben die Christdemokraten von ihrem erbitterten und letztlich erfolgreichen Kampf gegen das zentrale rot-rot-grüne Reformprojekt bei der Kommunalwahl profitiert? Zumindest scheint der CDU-Widerstand nicht geschadet zu haben. Zwei der profiliertesten Kämpfer wider die Kreisreform, der Eichsfelder Landrat Werner Henning und seine Greizer Kollegin Martina Schweinsburg, konnten ihre persönlichen Wahlergebnisse steigern: Auf sowieso schon hohem Niveau legte Henning um knapp zwölf und Schweinsburg um fast sechs Prozentpunkte zu. Auch in ihren Kreisstädten, dessen Status durch die Reformpläne ja ebenfalls gefährdet war, bekamen die dezidierten Reformgegner mehr Stimmen als vor sechs Jahren.

AfD weiter auf dem Vormarsch?

Nein. Auch wenn es der AfD-Kandidat in Gera in die Stichwahl geschafft hat: Der Gesamtstimmenanteil der Rechtspopulisten liegt mehrere Prozentpunkte unter den Werten, die für die AfD in diesen Tagen in Meinungsumfragen ermittelt werden. Sogar im Erfurter Stadtteil Marbach, wo die AfD seit Monaten Stimmung gegen die geplante Moschee gemacht hat, fällt das Ergebnis eher durchschnittlich aus. Und: Der Partei fehlt es schlichtweg an motiviertem Personal. "Viele trauen sich nicht, für die AfD zu kandidieren", davon hatte Parteisprecher Torben Braga schon vor Wochen sorgenvoll berichtet. Wenn sich aber kaum jemand findet, um sich für seine Partei in die Bresche zu werfen, dann geht der Offensive schon mal die Puste aus. So kann man keinen Krieg gewinnen. Und der Wahlerfolg des Rechtsextremisten Tommy Frenck in Hildburghausen taugt auch nicht als Wunderwaffe.

Erwartungen an die Stichwahlen - historisch betrachtet

In den beiden wichtigsten Stichwahlen - in Erfurt und Jena - rechnen Insider mit einem Erfolg der SPD-Kandidaten Andreas Bausewein und Albrecht Schröter. Warum? Weil beide in der Lage seien, die Stimmen des linken Lagers auf sich zu vereinen. Das heißt: Ihre Herausforderer Marion Walsmann und Thomas Nitzsche müssten schon stärker werden als SPD und Linke zusammen. In sozialdemokratischen und linken Kreisen zieht man daraus übrigens mindestens zwei Lehren: Der Einsatz der SPD für die Wiedereinführung der Stichwahl im Jahr 2009 war so segensreich wie kaum ein anderes SPD-Projekt. Oder: Die historisch bedingte Spaltung der Arbeiterklasse vor knapp 100 Jahren sollte doch mal von Zeit zu Zeit überwunden werden.

Quelle: MDR THÜRINGEN

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 16. April 2018 | 19:00 Uhr

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