Stadthaushalt Eisenach: Stadt muss hohe Strafzinsen für Haushaltsreste zahlen
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28. Juni 2022, 19:05 Uhr
Die Stadt Eisenach galt lange als finanzschwach - und hat auch deshalb ihre Kreisfreiheit aufgegeben. Nun wurde bekannt: Die Stadt hatte am Jahresende fast 40 Millionen Euro für Investitionen auf ihren Konten, für die sie reichlich Strafzinsen zahlt. Das Landesverwaltungsamt hat dazu kritische Fragen gestellt, es gab Diskussionen im Stadtrat. Die Oberbürgermeisterin verteidigt den Kurs der Stadt.
Jeder weiß: Geld auf der hohen Kante hat in den vergangenen Jahren nichts eingebracht, im Gegenteil. So geht es auch der Stadt Eisenach: 39,2 Millionen Euro hatte sie Ende vergangenen Jahres auf ihren Konten aufgetürmt.
In den vergangenen beiden Jahren musste die Stadt dafür bereits 220.000 Euro Strafzinsen, sogenanntes Verwahrentgelt, bezahlen. Eine ähnliche Summe könnte es in diesem Jahr werden. Ärgerlich für eine Stadt, in der Geld eigentlich knapp ist. Aber wieso liegt so viel Geld auf den Konten?
Millionen als Haushaltsreste
Oberbürgermeisterin Katja Wolf (Linke) nennt dafür gleich mehrere Gründe. Der erste hat mit der Haushaltssicherung zu tun, in der sich Eisenach seit dem Jahr 2012 befindet: "Eisenach war viele Jahre zu arm, um Maßnahmen in Jahresscheiben aufteilen zu dürfen." Diese Jahresscheiben sind sonst üblich - als sogenannte Verpflichtungsermächtigungen stehen sie in der Finanzplanung.
Vollständige Summe für Investitionen muss verfügbar sein
Die strengeren Regeln für finanzschwache Gemeinden in Haushaltssicherung sehen jedoch vor, dass Investitionen nur dann begonnen werden dürfen, wenn sie durchfinanziert sind. Das heißt: die Stadt musste die vollständige Summe für ein Vorhaben in den Haushalt stellen, auch wenn von vornherein klar war, dass das Geld - wie beispielsweise bei einer Schulsanierung - nur innerhalb von mehreren Jahren verbaut werden kann. Was übrig blieb, wurde als Haushaltrest ins nächste Jahr übertragen.
Grund Nummer zwei ist aus Sicht von SPD-Stadtrat Michael Klostermann hausgemacht: Die Stadtverwaltung stelle den Haushalt stets viel zu spät auf, kritisiert er. Dann werde er spät beschlossen und genehmigt, so dass der Etat erst zum Jahresende in Kraft tritt. "Und dann kann natürlich das Geld nicht mehr für Investitionen ausgegeben werden." Also müssen weitere Haushaltsreste ins nächste Jahr übertragen werden.
Haushaltsverhandlungen langwierig
Die Oberbürgermeisterin verteidigt die späten Haushalte - die Verhandlungen mit dem Land um Bedarfszuweisungen seien immer langwierig gewesen, auch das habe alles verzögert. Andere seien trotz Finanzschwäche stets schneller als Eisenach, kontert Klostermann und verweist auf den Unstrut-Hainich-Kreis.
Lieferprobleme und Corona
Das Geld wird zudem nicht so schnell ausgegeben wie gedacht. Auch deshalb hat es sich in Eisenach so aufgetürmt. Das führt die Stadt auf die aktuellen Krisen zurück, auf Krankheitsausfälle durch Corona und den Mangel an Material und Personal.
Verzögerte Bauvorhaben
Wenn beispielsweise Pflaster nicht rechtzeitig geliefert werden kann, verzögern sich Bauvorhaben wie in der Eisenacher Marienstraße. Es liege aber auch an einem "Umsetzungsproblem" in der Verwaltung, meint Michael Klostermann. Er fürchtet, dass die Haushaltsreste immer weiter anwachsen werden, weil Eisenach eine Bugwelle vor sich herschiebt.
Zuerst verbauen, was eingeplant ist
Er schließt sich der Kritik des Landesverwaltungsamtes an und fordert, "dass wir erst einmal prioritär diese Haushaltsausgabereste abbauen sollen, dass wir verbauen sollen, was wir bisher eingeplant und finanziert haben und erst dann überlegen sollen, welchen neuen Projekte halsen wir uns auf." Erstmal keine neuen Großprojekte, so Klostermann.
Die Leute in der Verwaltung, die diese Investitionen bearbeiten müssen, sehen ja gar kein Licht am Ende des Tunnels, es wird immer mehr.
Ähnlich sieht es der Eisenacher Landtagsabgeordnete Sascha Bilay von der Linken. Dem Problem der Bugwelle müsse Eisenach sich stellen, "weil das ja auch dazu führt, dass die Vorgänge in der Verwaltung nicht abgebaut werden können. Das heißt, die Leute in der Verwaltung, die diese Investitionen bearbeiten müssen, sehen ja gar kein Licht am Ende des Tunnels, es wird immer mehr."
Seit Jahresbeginn, diese Zahl legte die Kämmerei am Dienstag vor, sind rund 6,5 Millionen von den gut 39 Millionen Euro vom Jahresbeginn ausgegeben worden. Eine Reihe größerer Projekte stehe in diesem Jahr vor dem Abschluss, sagte die Oberbürgermeisterin, es werde noch deutlich mehr abfließen.
Ich bin froh, dass wir das Geld auf dem Konto haben, weil das heißt, dass wir den Investitionsstau Stück für Stück abarbeiten können.
Aber klar ist auch: Im Haushalt für das Jahr 2022, der am 12. Juli beschlossen werden soll, stehen neue Vorhaben. Zurückstellen will sie die nicht. Eisenach leide immer noch unter einem "dramatischen Investitionsstau", der angegangen werden müsse. "Ich bin froh, dass wir das Geld auf dem Konto haben, weil das heißt, dass wir den Investitionsstau Stück für Stück abarbeiten können."
Erster Haushalt nach Aufgabe der Kreisfreiheit
Für Eisenach ist der Haushalt 2022 ein besonderer: Er ist das erste nach der Aufgabe der Kreisfreiheit. Das bedeutet, dass die Stadt die Soziallasten an den Wartburgkreis abgeben und zugleich Fusionshilfen kassieren konnte. Auch ist das Ende der Haushaltssicherung in Sicht, für das kommende Jahr kann auch Eisenach wieder Investitionen mit "Jahresscheiben", den Verpflichtungsermächtigungen, strecken.
Die Stadt will wieder aus eigener Kraft leistungsfähig werden.
Die Stadt wolle wieder aus eigener Kraft leistungsfähig werden, sagt Katja Wolf, deshalb habe sie die Kreisfreiheit aufgegeben. Dabei hat Eisenach einige Aufgaben freiwillig behalten: darunter den Nahverkehr, die Schulträgerschaft und die Musikschule.
Am Ende dieses Übergangsjahres, sagt Wolf, müsse dann gemeinsam mit dem Stadtrat genauer geschaut werden, wie es finanziell gelaufen sei. Ihr wäre lieb, wenn das Land das ohnehin im Fusionsgesetz vorgesehene Monitoring schon vorziehen könnte. Danach sollte ab 2024 ein Umsetzungsbeirat acht Jahre lang die finanziellen Effekte der Einkreisung überprüfen.
Kein Grund für Pessimismus
Da schwingt Skepsis mit. Zuversichtlicher ist Landespolitiker Sascha Bilay. Eisenach stehe ganz gut da, findet er. Im Vergleich mit anderen Thüringer Städten dieser Größe habe die Stadt eine höhere Steuerkraft, geringere Ausgaben für Personal und Sachaufwand und im Wartburgkreis eine vergleichsweise geringe Kreisumlage zu schultern. "Eisenach hat wesentlich bessere Voraussetzungen - deswegen keinen Grund, in Pessimismus zu verfallen."
MDR (caf)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 28. Juni 2022 | 18:40 Uhr