Internationaler Weltfrauentag Alleine in der Männerdomäne: Als Frau in der Freiwilligen Feuerwehr
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08. März 2022, 14:41 Uhr
Feuerwehr ist ihr Leben - und liegt ihr auch noch im Blut. Marleen Hartung aus Kleinrettbach ist bei der örtlichen Freiwilligen Feuerwehr aktiv. Dorfvereine wie dieser sind nicht gerade für Genderthemen bekannt. Die erste und einzige Feuerwehrfrau des Dorfs macht aber durchweg positive Erfahrungen.
Im Eingangsbereich der Freiwilligen Feuerwehr Kleinrettbach bei Gotha hängt eine kleine Fotogalerie mit Bildern der Kameraden aus den 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Zwölf Männer in Uniform mit Schnauzer und lichtem Haar. Eine Frau ist nirgends zu sehen. Die Feuerwehr war eben ganz klar eine Männerdomäne. Sieht das heutzutage anders aus?
Ja. Frauen in der Feuerwehr sind heute zwar noch eine Seltenheit, aber keine Ausnahme mehr. Laut Thüringer Feuerwehrverband sind weniger als zehn Prozent aller Feuerwehrleute Frauen, was jedoch einen Zuwachs im Vergleich zu vergangenen Jahren darstellt. Marleen Hartung ist eine von ihnen.
Seit ihrem 17. Lebensjahr ist sie Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr - erst in der Jugendfeuerwehr, mit 21 nun auch bei den Erwachsenen. Marleen wirkt aufgeweckt, handfest und sehr motiviert. Das muss sie auch sicher sein, um sich in dieser Männerwelt durchzusetzen, denn in Kleinrettbach ist sie die erste und einzige Frau. Für sie ist die Freiwillige Feuerwehr mehr als nur ein Hobby.
Ich finde, das ist eine sehr sinnvolle Freizeitbeschäftigung. Man kann was Gutes tun und die Kameradschaft ist hier auch sehr gut. Der Zusammenhalt ist toll und die Kameraden sind immer für einen da, auch wenn man mal ein privates Problem hat.
Die Feuerwehr im Blut
Wer sich das Bild im Eingang genauer ansieht, dem sticht bald ein Name ins Auge: Walter Hartung - Marleens Urgroßvater. Marleen stammt aus einer absoluten Feuerwehrfamilie. Ihre Mutter ist im örtlichen Feuerwehrverein, der Vater Maik gemeinsam mit ihr in der Freiwilligen Feuerwehr aktiv. Nur der Bruder konnte nicht über die Jugendfeuerwehr hinaus begeistert werden.
Auch beruflich ist sie bei der Feuerwehr - allerdings nicht im Einsatz, sondern in der Verwaltung in Erfurt. Ganz will sie aber nicht bei der Berufsfeuerwehr einsteigen und vorerst auf die Weiterbildung zur Einsatzkraft verzichten.
Ich sag mir immer 'man muss es nicht übertreiben'. Ich bin hier gerne und mach das gerne, aber es muss auch nicht zu viel Feuerwehr sein.
Ihr Freund ist Rettungssanitäter, die meisten ihrer Freundinnen und Freunde kennt sie durch die Jugendfeuerwehr. Von ihren Freundinnen hat nur eine nach der Jugendfeuerwehr weitergemacht, allerdings in einem anderen Ort.
Gender ist in der Freiwilligen Feuerwehr kein Thema
15 aktive Mitglieder hat die Freiwillige Feuerwehr Kleinrettbach, 14 davon sind männlich. Das ist keine Überraschung, aber bedauerlich, findet auch Marleen. Die Jugendfeuerwehr sei von den Geschlechtern her deutlich ausgeglichener, manchmal gebe es sogar gleich viele Mädchen wie Jungen. Diskriminierung habe sie nicht erfahren, sagt Marleen. Auch Sprüche zu ihrem Aussehen, "Frauenthemen" oder ihrer Kraft habe es nie gegeben. Für sowas sei hier kein Platz. Einige Aufgaben kann sie aber trotzdem nicht übernehmen.
Es gibt natürlich Dinge, die sind manchmal echt schwer. Dann sagt man einfach: 'Ich kann das jetzt nicht heben.' Dann sind die Jungs da und fassen mit an. Das ist kein Problem. Da wird man auch nicht blöd angemacht, sondern das ist okay.
Dasselbe gilt auch für Schwächen ihrer männlichen Kollegen. Wer Schwierigkeiten bei einer Aufgabe hat, soll das ansprechen.
Man kriegt hier von Anfang an gesagt, wenn du dir was nicht zutraust, dann sag's. Es gibt auch Männer, die sich nicht trauen auf eine Leiter zu steigen, weil sie Höhenangst haben.
Marleens Anwesenheit hat durchaus zu einigen Veränderungen bei der Freiwilligen Feuerwehr Kleinrettbach geführt, und sei es nur bei der Inneneinrichtung. Für sie wurde nämlich der große Innenbereich umgeräumt und eine Damenumkleide eingebaut. Getrennte Toiletten gibt es keine. Auch über "Frauenthemen" spricht man hier nicht.
Frauenthemen bespricht man nicht hier in der Feuerwehr. Wenn ich die einzige Frau bin, muss ich auch keine Frauenthemen ansprechen.
Dass sie die einzige Frau ist, ist schon etwas Besonderes, sieht Marleen. Dabei sollte es aber nicht bleiben, denn in ihrer Umkleide ist noch Platz. Da könnten gerne noch ein paar Frauen dazukommen, meint sie lachend.
Ein bisschen Männerdomäne bleibt
Die Phrase 'Freiwillige Feuerwehr auf dem Dorf' ruft bei vielen Menschen ein bestimmtes Klischeebild hervor: Dorffeste, Traditionen, der gelegentliche Krug Bier, ein rauer Umgangston und klare Frauenrollen. Der Pin-Up-Kalender im Gemeinschaftsraum bestätigt das Klischee.
Maik Hartung, Marleens Vater, ist stolz auf seine Tochter. Sie schlage sich sehr gut, prima. Im Vergleich zu den anderen gibt es nur einen Punkt: Sie ist eine Frau. Sie mache aber ihr Ding, auch wenn sie nicht immer bei allem mit anpacken könne.
Bei schweren Sachen, wie nach einem Feuer wo wir den Schutt weggegabelt und weggreäumt haben, macht sie lieber die Kontrolle über die Atemschutzeinsätze. Aber sonst macht sie alles mit. Ganz schick, muss ich sagen.
Marleen erklärt das damit, dass sie ihr noch einige Ausbildungen fehlen, bevor sie im Einsatz voll mithelfen kann. Bisher hat sie den Truppmannlehrgang und den Funklehrgang.
Im Gespräch mit den Kameraden lässt sich heraushören, dass in manchen Situationen eine harte Schale wichtig ist. Jeder bekomme mal sein Fett weg, man habe eben einen sehr offenen Umgang, sagt einer von Marleens Kameraden. Jeder müsse mal einstecken können, aber es bleibe höflich. Den gelegentlichen Spruch muss man also aushalten können.
Auf die Frage, ob Marleen ein vollwertiges Mitglied sei, gibt es eine deutliche Antwort von allen: Klar! Aber als Frau könne sie eben nicht alle Aufgaben übernehmen. Dennoch ist offensichtlich: Marleen wird von allen gemocht und respektiert, das steht außer Frage. Der stellvertretende Wehrführer Angelo Bornmann findet nur lobende Worte.
Ich finde es Klasse, dass sie als einzige Frau noch dabei ist. Sie war ja auch schon in der Jugendfeuerwehr und hat es durchgezogen. Das muss man auch erstmal machen.
Ferner ist ihm das Geschlecht seiner Feuerwehrleute egal. Hauptsache, es gibt Einsatzkräfte. Daran mangele es nämlich noch mehr als an Frauen.
MDR (rbü)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 08. März 2022 | 07:00 Uhr